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zeitruppe, welche den Landräten unterstellt
ist. Das Institut stammt aus Frankreich.
In Preußen erging zuerst das Edikt vom
30. Juli 1812 (GS. 141), welches in Verbin-
dung mit einer praktisch nicht zur Einführung
gelangten Kreisordnung dem „Kreisdirektor“
die Gendarmen als Exekutivkräfte überwies.
Die jetzige Einrichtung der G. beruht in den
alten Tcenzur auf der V. über die ander-
weitige Organisation der G. vom 30. Dez.
1820 (GS. 1821, 1 ff.) und der Dienstinstr. für
die G. vom 30. Dez. 1820 (GS. 1821, 10). Für
die neuen Landesteile ist die analoge V. vom
23. Mai 1867 (GS. 777) ergangen, für Hohen-
zollern AE. vom 30. Dez. 1850 (GS. 1851,
703). Zurzeit ist ein Auszug aus dem Ent-
wurfe einer neuen „Dienstvorschrift für die Land-
gendarmerie vom 8. April 1902“ behufs prak-
tischer Erprobung provisorisch in Kraft (Erl.
vom 18. Juli 1902). Der endgültige Erlaß und
Druch dieser Dienstvorschrift steht bevor.
II. Die G. dient lediglich den Zwechen der
Zivilverwaltung, und zwar speziell polizei-
lichen Zweckhen. Sie ist deshalb in Ansehung
ihrer Wirksamkeit und Dienstleistung dem MdFI.
untergeordnet, wogegen sie in Rüchsicht auf
Okonomie, Disziplin und die übrige innere
Verfassung vom Kr M. ressortiert. Die Gen-
darmen gehören nicht zum aktiven Heere im
Sinne des 8§ 38 RMil G. vom 2. Mai 1874
(Rol. 45), und daher auch nicht zu den
servisberechtigten Militärpersonen im Sinne
der Reichsgesetzgebung (s. Militärpersonen,
auch wegen der Wahlberechtigung der Gen-
darmen). Die Gendarmen sind indessen vielfach
den Militärpersonen gleichgestellt, so insbe-
sondere in steuerlicher und kirchlicher Beziehung.
Auch gilt der Dienst in der G. als Fortsetzung
des Militärdienstes, nicht als Zivilversorgung;
der Gendarm erwirbt also den Zivilversor-
gungsschein (s. d.) erst in der G.
III. An der Spitze der G. steht als „Chef
der Landgendarmerie ein General; unter
ihm für jede Provinz ein „Brigadier“ (meist
Oberst oder Oberstleutnant), unter diesem
für die einzelnen Gendarmeriedistrikte, in
die der Brigadebezirk zerfällt, Distrikts-
offiziere in den wichtigsten Provinzialstädten.
Unter den Distriktsoffizieren stehen die Ober-
wachtmeister (früher Wachtmeister, demnächst
erste Wachtmeister und seit Kab O. vom 23. Mai
1867 — Al Bl. 257 — auch in den älteren
Provinzen Oberwachtmeister genannt), die für
einen bestimmten Bezirk, den sog. Beritt, als
Berittführer die militärische Aufsicht über die
einzelnen Gendarmen führen. Wegen des Ranges
s. AE. vom 6. Juni 1900 (GS. 183). Die Gen-
darmen selbst sind entweder „berittene" oder
„Fußgendarmen“' (V. von 1820 8 9). Jeder
Gendarm hat einen bestimmten Geschäfts-
bezirk, den sog. Patrouillenbezirk, und
in demselben einen bestimmten, festen Dienst-
ort, der als sein Wohnort gilt und „Station“
genannt wird. Abgesehen von dringenden
und Eilfällen, sowie von der Verfol ung flüch-
tiger Verbrecher usw. haben die Gendarmen
ihre Tätigkeit nicht über die Grenzen dieses
Bezirks hinweg auszudehnen. Soll der Gen-
darm außerhalb des Patrouillenbezirks in
Gendarmerie.
Funktion treten, so bedarf es des Auftrags
seiner vorgesetzten Zivildienstbehörde, des Land-
rats; in dringenden Fällen wenigstens der nach-
träglichen Genehmigung der ausnahmsweise
direkt an den Gendarmen ergangenen Regqui-
sition der Ortspolizeibehörde (Erl. vom 20. Aov.
1857 — M.Gl. 196; 30. Sept. 1874 — MBl.
238; 7. Jan. 1880 — Mhl. 33 — und 21. Jan.
1882 — M BKl. 37). Die Verlegung von Gen-
darmeriestationen sowie alle sonstigen Verän-
derungen in der Dislokation der Gendarmen
erfolgen innerhalb des Regierungsbezirks durch
den Regierungspräsidenten im Einverständnis
mit der Gendarmeriebrigade; wennletzteres nicht
zu erzielen ist, oder die Regierungsbezirks-
grenze bei der Veränderung überschritten wird,
muß die Entscheidung des MdJ. eingeholt
werden (Erl. vom 28. Jan. 1866 — M il. 27
— und vom 16. Juli 1857 — Md. 133).
IV. Die ordentliche und allgemeine Auf-
gabe der G. ist die Unterstützung der Poli-
geibehörden in Erhaltung der öffentlichen
uhe, Sicherheit und Ordnung im Innern
des Staats und in Handhabung der deshalb
bestehenden Gesetze und Anordnungen. Miit
Rüchsicht auf die Zahl und Wichtigkeit der den
Gendarmen zufallenden Aufgaben ist ihre
Verwendung für unstatthaft erklärt zur Be-
förderung von Verfügungen der Zivilbehörden
oder Botengängen ähnlicher Art (Gendarmerie-
verordnung § 12 bzw. 10) und zum Transport von
Kindern zur Schule (Erl. vom 12. Juli 1882 —
MIBl. 277; vgl. Reg Vf., betr. angemessene Be-
nutung der Gendarmen, vom 2. Juli 1842 —
ABl. 308). Zum Transport von Verbrechern,
soweit es sich nicht um den Transport der vom
Gendarmen Aufgegriffenen zur Ortspolizeibe-
hörde handelt, sind Gendarmen nur aus-
nahmsweise, wenn besondere Gründe es er-
heischen, zu verwenden (Erl. vom 1. April
1854 — MI Bl. 98; Transportinstruktion vom
16. Sept. 1816 — v. Kamptz 11, 509 —
8 10). Die Stellung der G. zu ihren
militärischen Vorgesetzten regelt sich nach
den Grundsätzen der militärischen Disziplin
(Gendarmerieverordnung § 16). Die Militär-
vorgesetzten haben die Aufsicht über die Gen-
darmen hinsichtlich der Pünktlichkeit, Ange-
messenheit und Pflichttreue ihrer Dienstführung
und darüber, daß die Gendarmen den Gesetzen
und den Anweisungen ihrer Zivildienstbehörde
völlig genügen; eine Einmischung in die An-
ordnungen der letzteren selbst ist den Militär-
vorgesetzten untersagt. Auch sind die Fälle,
in denen die Gendarmen militärische Meldung
zu machen haben, sehr eingeschränkt (Erl. vom
9. Juni 1821 — v. Kamptz 5, 393). Die
Stellung der Gendarmen zu den Zivil-
dienstbehörden ist durch § 17 der Gendar-
merieverordnung dahin geregelt, daß die Gen-
darmen hinsichtlich ihrer Dienstobliegenheiten
und der Anordnungen über deren Ausführung
usw. lediglich unter der vorgesetzten
Zivilbehörde stehen. Dies ist regelmäßig
der Landrat. Diesem ausschließlich steht die
Erteilung von dienstlichen Anweisungen an
die Gendarmen zu und die letzteren haben den-
selben unbedingte Folge zu leisten. Bezüglich
der Oberwachtmeister, deren Beritt (s. 1)