Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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zulassen; dc) bei Kreditgenossenschaften, wenn 
sie mit Aichtmitgliedern Geschäfte zu dem 
Zwech abschließen, um den Mitgliedern einen 
ewinn zu verschaffen oder die Wirtschaft des 
Liichtmitglieds zu fördern — nicht, wenn das 
Geschäft nur den Zwechk verfolgte, die Mittel 
zur Befriedigung des Geld= oder Kredit- 
bedürfnisses der Mitglieder bereit zu stellen — 
also z. B., wenn verzinsliche Spareinlagen 
und Depositen von Aichtmitgliedern über den 
Bedarf für die Kreditgewährung an Mit- 
glieder hinaus angenommen, gegen Entgelt 
für Aichtmitglieder Effektengeschäfte vermittelt 
oder Inkassogeschäfte besorgt oder Wechsel 
iriert werden — nicht, wenn nur mäßige 
assenbestände in Darlehnen an Aichtmitglieder 
zeitweilig angelegt werden. Eingetragene G., 
welche Konsumvereine sind und einen offenen 
Laden haben, sind stets steuerpflichtig, ohne 
daß es auf den Beweis des Hinausgehens 
über den Kreis der Mitglieder ankommt, da 
eingetragene G. die Rechte juristischer Personen 
im Sinne des § 1 Ziff. 5 Eink StE. haben 
und dort bei offenem Laden das Hinausgehen 
über den Kreis der Mitglieder eine praesumtio 
juris et de jure bildet (OV#St. 1, 300 ff.). 
Maßgebend für die Beurteilung sind die Ver- 
hältnisse zur Zeit der Veranlagung. Die 
Steuerbehörde hat das Hinausgehen über 
den Kreis der Mitglieder zu beweisen. Liegt 
die Voraussetzung der Steuerpflicht vor, so 
ist der ganze Betrieb steuerpflichtig. Wegen 
des Steuermaßstabs usw. ogl. Erwerbs- 
gesellschaften (Besteuerung) I1 und die 
dort angezogenen Artikel. Ergänzungs-= 
steuerpflichtig sind die eingetragenen 
Eensowenig wie andere nichtphysische Per- 
onen. 
II. Wegen der Gemeindeeinkommen- 
und Realsteuerpflicht der eingetragenen G. 
vgl. Erwerbsgesellschaften (Besteue- 
rung) II. Ob ein Hinausgehen über den 
Kreis der Mitglieder vorliegt, ist nach Ziff. I 
zu beurteilen. 
UI. Kreisbesteuerung f(. Erwerbs- 
gesellschaften (Besteuerung) III. Vom 
1. April 1907 ab haben die eingetragenen G. 
vermöge der Kontingentierung der Kreis- 
steuern (s. Kreisabgaben) in den Gemeinden 
in Gestalt der Gemeindesteuern, in den Guts- 
bezirken auf Grund besonderer Veranlagung 
zu den Kreissteuern wie Aktiengesellschaften 
usw. beizutragen. 
Genossenschaften (Erwerbs= und Wirt- 
schafts-). [Allgemein.] I. Die auf Seldbst- 
hilfe gegründeten Erwerbs= und Wirtschafts- 
genossenschaften beruhen auf dem Gedanken, 
durch Vereinigung der schwachen Kräfte und 
Mittel der einzelnen dem Mittelstande in 
Stadt und Land die Vorteile des Großbetriebes 
und des Großkapitals zugänglich zu machen, 
um ihn dadurch in dem wirtschaftlichen Exi- 
stenztampf zu kräftigen. Aeben seinen wirt- 
schaftlichen Vorteilen wirht das Genossenschafts- 
wesen vermöge der Solidarhaft und gemein- 
samen genossenschaftlichen Tätigkeit und 
Verantwortlichkeit erziehlich für die Wirt- 
schaftsführung des einzelnen und kräftigt sein 
wirtschaftliches Selbstbewußtsein, es ist endlich 
Genossenschaften (Erwerbs= und Wirtschafts-. 
  
[Allgemein.)] 
von großer sozialer Bedeutung, namentlich 
wo sich verschiedene Schichten der Bevölkerung 
in derselben Genossenschaft zusammenfinden. 
Schulze-Delitzsch und neben ihm Raiffeisen sind 
die Schöpfer des deutschen Genossenschafts- 
wesens, das um die Mitte des vorigen Jahr- 
hunderts seinen Ursprung hat, aber erst in 
den letzten 20 Jahren namentlich durch das 
starke Anwachsen der ländlichen G. die volle 
Bedeutung erlangt hat. Die gesetzliche Rege- 
lung und Anerkennung der G. als einer 
eigentümlichen Rechtsform ist der tatsächlichen 
Entwicklung nachgefolgt. Erst 1867 wurde 
das Genossenschaftswesen in Preußen geregelt 
(G. vom 17. März 1867 — GS. 501), worauf 
alsbald das G., betr. die privatrechliche Stel- 
lung der Erwerbs= und Wirtschaftsgenossen- 
schaften, vom 4. Juli 1868 (BE#l. 415) folgte. 
Aach 20 jähriger Geltungsdauer dieses Gesetzes 
wurde die Materie durch das G., betr. die 
Erwerbs= und Wirtschaftsgenossenschaften, vom 
1. Mai 1883 (Rl. 55) neu geregelt. Die 
hauptsächlichsten Meuerungen dieses Gesetzes 
bestanden in der Zulassung der G. mit be- 
schränkter Haftpflicht und der Einführung der 
G. mit unbeschränkter NAachschußpflicht neben 
den bis dahin allein gesetzlich anerkannten G. 
mit unbeschränkter Haftpflicht und in der ob- 
ligatorischen Einrichtung periodischer Revisionen. 
der G., die bei den großen Genossenschafts- 
verbänden meist schon früher als erforderlich 
anerkannt und eingeführt waren. Zu diesem 
Gesetz erging die Novelle vom 12. Aug. 1896 
(RE#l. 695). Auf Grund der hierdurch und 
durch das EG. z. HGO. Art. 10 getroffenen An- 
G. ordnungen ist der Text des Gesetzes unter dem 
20. Mai 1898 (REl. 210) anderweit festgestellt. 
II. Als die Hauptarten von C. bezeichnet das 
Gesetz: 1. Vorschuß= und Kreditvereine, 2. Roh- 
stoffvereine, 3. Vereine zum gemeinschaftlichen 
Verkaufe landwirtschaftlicher oder gewerblicher 
Erzeugnisse (Absatzgenossenschaften, Magazin- 
vereine), 4. Vereine zur Herstellung von Gegen- 
ständen und zum Verkauf derselben auf ge- 
meinschaftliche Rechnung (Produktivgenossen- 
schaften), 5. Vereine zum gemeinschaftlichen 
Einkaufe von Lebens= und Wirtschaftsbedürf- 
nissen im großen und Ablaß im kleinen (Kon- 
sumvereine), 6. Vereine zur Beschaffung von 
Gegenständen des landwirtschaftlichen oder 
gewerblichen Betriebes und zur Benutzung 
derselben auf gemeinschaftliche Rechnung, 
7. Vereine zur Herstellung von Wohnungen. 
Die Erwerbs= und Wirtschaftsgenossenschaften 
haben einen ausgesprochen privatrechtlichen 
Charakter, eine staatliche Aufsicht über sie 
findet nicht statt, nur wegen gesetzwidrigen 
Verhaltens kann im Verwaltungsstreitverfah- 
ren auf Auflösung geklagt werden. Hierüber 
sowie überhaupt das Mähere über die Rechts- 
verhältnisse der G. vgl. den Artikel Genos- 
senschaften (eingetragene). · 
III.DasGenossenschaftsweerhfltflchurs 
sprünglich ohne jede staatliche Förderung 
entwickelt, ja seine Urheber standen dem Ge— 
danken der Staatshilfe irgendwelcher Art 
ablehnend gegenüber, die sie mit dem Wesen 
der genossenschaftlichen Selbsthilfe und Selb- 
ständigkeit nicht für vereinbar erachteten. Ein
	        
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