Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gerbereien — Gerichte 
richtung und Verlegung, soweit es sich nicht 
um genehmigungspflichtige Anlagen handelt, 
der Ortspolizeibehörde angezeigt werden. Diese 
hat, wenn in der ABähe der gewählten Be- 
triebsstätte Kirchen, Schulen oder andere öffent- 
liche Gebäude, Krankenhäuser oder Heilan- 
stalten vorhanden sind, deren bestimmungs- 
mäßige Benutzung durch den Gewerbebetrieb 
auf dieser Stelle eine erhebliche Störung er- 
leiden würde, die Entscheidung des Bez. 
darüber einzuholen, ob die Ausübung des Ge- 
werbes an der gewählten Betriebsstätte zu 
untersagen oder nur unter Bedingungen zu 
gestatten sei. Gegen die Entscheidung ist bin- 
nen zwei Wochen die Beschwerde an den PM. 
zulässig (3G. 88 111, 113). Die unterlassene 
Anzeige kann die Ortspolizeibehörde nicht 
nachträglich erzwingen; sie hat vielmehr nur 
die nachträgliche Entscheidung des BezA. zu 
veranlassen, die von einer vorherigen Anzeige 
des Betriebsunternehmers nicht abhängig ist 
(OW. 9P, 344; 14, 319; 18, 302). Hat der 
Anternehmer die Errichtung einer geräuschvollen 
Anlage angezeigt, die Polizeibehörde aber die 
Baugenehmigung erteilt, ohne den Bez A. an- 
zugehen, so kann sie nachträglich nicht mehr 
GewO. 827 anwenden, sondern nur auf Grund 
des ALK. II, 17 § 10 etwaige Mißstände be- 
seitigen (Rekursbescheid vom 22. Febr. 1905 — 
5MBl. 53). Weitere Bedingungen können, 
wenn im Bescheid ein entsprechender Vor- 
behalt nicht gemacht ist, nachträglich nicht auf- 
erlegt werden (Rekursbescheid vom 22. Juli 
1905 — HMAl. 229). Die Ortspolizeibehörde 
darf nicht eigenmächtig, sondern nur nach Maß- 
gabe, “65 Beschlusses des Bez A. vorgehen (O. 
, 393). 
Gerbereien sind nach GewO. 8§ 16 geneh- 
migungspflichtige Anlagen. Der Genehmigung 
unterliegen sowohl die eigentlichen Gerbereien, 
in denen die Herstellung des Leders erfolgt, 
als auch die Fellzurichterei, wo die Haut durch 
Ol und Fett geschmeidig und zur Entfleischung 
geeignet gemacht wird. Die Sudelei, d. i. das 
Entfernen der Wolle von frischen Schaffellen 
mittels Gaskalks nebst Waschen von Wolle 
und Fellen, ist ein Teil der Lohgerberei (OV#. 
9, 300). Die Genehmigung erteilt der Kre. 
(St A.), in den zu einem Landkreise gehörenden 
Städten über 10000 Einw. der Magistrat (3. 
§ 109). Techn. Anl. (s. d.) Ziff. 26 und Ausf- 
Anw. z. GewO. vom 1. Mai 1904 — 5WVBl. 
123 — Ziff. 16. Wegen der Milzbrandgefahr 
in G. s. AusfAnw. z. GewO. Ziff. 202 I. In 
Gerbereien ist die Beschäftigung von Kindern 
(. d. in gewerblicher Beziehung) verboten (Kin- 
derschutzc. — §§ 4, 12). 
Gerechtigkeiten (selbständige) s. Auflas= 
sung, Hypotheken und Hypotheken- 
wesenl, Juristische Personen IV., Mündel- 
gelder I und Zwangsversteigerung II. 
Gerichte und Gerichtsverfassung. I. Die 
jetzige Verfassung der Gerichte in Preußen ein- 
schließlich von Helgoland (V. vom 22. März 
1891 — EBl. 21 — Art. 1 Ziff. VIII, 15 
V. vom 22. März 1891 — GS. 39 — § 1 
Ziff. II, 5) ist durch das Gerichtsverfassungs- 
gesetz (s. d.) und das dazu ergangene Pr A. 
vom 24. April 1878 (GS. 230), abgeändert 
  
und Gerichtsverfassung. 683 
durch § 1 Abs. 4 des G. vom 29. Müai 1879 
(HS. 389), § 1 des G. vom 14. Mai 1885 
(CS. 65) und Art. 130 PrFG. (GE. 249) 
geregekt. Die richterliche Gewalt wird im 
A-amen des Königs durch unabhängige, nur 
dem Gesetz unterworfene Gerichte ausgeübt 
(Bll. § 86 Abs. 1; GV. 8§ 1). Die Ge- 
richte sind Staatsgerichte. Die Privatgerichts- 
barkeit ist aufgehoben (s. auch Richter H. 
Präsentationen für Anstellungen bei den Ge- 
richten finden nicht statt. Die Ausübung einer 
geistlichen Gerichtsbarkeit in weltlichen An- 
gelegenheiten, insbesondere bei Ehe= und Ver- 
löbnissachen, ist ohne bürgerliche Wirkung 
(GVS. 8 15). Die Urteile werden im Namen 
des Königs ausgefertigt und vollstreckt (Vl. 
Art. 86 Abs. 2), vgl. den Art.: Im Namen 
des Königs. Auch die Gewerbe= und die 
Kaufmannsgerichte sind, obwohl sie vorwiegend 
einen kommunalen Charakter tragen, keine 
Kommunalgerichte, sondern Staatsgerichte, die 
im Namen des Königs Recht zu sprechen haben. 
Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Aiemand 
darf Läe ordentlichen Richter entzogen wer- 
den (GVG.. 8§ 16). Eximierte Gerichtsstände 
(I. Gerichtsstand) gibt es nur in wenigen 
Fällen. Bei gemeinschaftlichen Gerichten für 
preuß. Gebietsteile und Gebiete anderer deut- 
scher Bundesstaaten sind einige Besonderheiten 
zulässig und in Geltung (s. Gemeinschaft- 
liche Gerichte). An der Spitze der gesamten 
preuß. Justizverwaltung steht der JM. Bei 
jedem Gerichte besteht eine Staatsanwaltschaft 
(GVG. 8 142) und ist eine Gerichtsschreiberei 
eingerichtet (GB. 8§ 154). Bei jedem Ober- 
landesgerichte ferner besteht eine Justizhaupt- 
kasse und bei jedem Amtsgerichte eine Gerichts- 
kasse. Bei allen Gerichten sind zur Unter- 
stützung der richterlichen Beamten, teilweise auch 
mit selbständigen Obliegenheiten, Subaltern- 
beamte (Gerichtsschreiber usw.), für die unter- 
geordneten Dienstleistungen Unterbeamte (Ge- 
richtsdiener usw.) und zur Besorgung des 
Schreibwerkes das sog. Kanzleipersonal Manz- 
listen, Lohnschreiber usw.), bei den Amtsge- 
richten außerdem Gerichtsvollzieher zur Aus- 
führung von Zustellungen, Ladungen und 
Vollstrechungen angestellt. Aeben den Ge- 
richten sind die Notare zur Aufnahme von 
Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit 
vorhanden. Als Vertreter und Beistände der 
Parteien und als Verteidiger in Strafsachen 
sind bei den Gerichten die Rechtsanwälte tätig. 
II. Die Gerichte sind entweder ordentliche 
oder besondere. Jene sind für die ordent- 
liche streitige Gerichtsbarkeit und die 
freiwillige Gerichtsbarkeit (s. d.), soweit 
sie den Gerichten durch Reichsgesetz oder durch 
die Landesgesetzgebung übertragen worden ist, 
die Amtsgerichte, die Landgerichte und die 
Oberlandesgerichte, zu denen, da in Preußen 
von der Befugnis, ein eigenes oberstes Landes- 
gericht zu errichten (EG. z. G. 8 8), #ein 
Gebrauch gemacht worden ist, das Reichsgericht 
hinzutritt (G. § 12; FG. 8§ 1 ff.; BS. 
88 72, 79). Ordentliche Gerichtsbarkeit wird 
auch noch durch die Behörden der Konsular- 
gerichtsbarkeit und die in den deutschen Schutz- 
gebieten errichteten Gerichte ausgeübt, jedoch
	        
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