Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gerichtsordnung — Gerichtsschreiberei und Gerichtsschreiber. 
nämlich die vom 1. Aug. 1879, betr. die Kom- 
petenzkonflikte zwischen den Gerichten und 
den Verwaltungsbehörden (GS. 573), welche 
nach § 1 I 4 der V. vom 22. März 1891 
(GS. 39) für Helgoland gilt und durch das 
G. vom 22. Mai 1902 (Ee. 145) geändert 
worden ist. Danach erfolgt in den hierfür 
bezeichneten Fällen (s. über diese den Artikel 
Kompetenzkonflikte) die Entscheidung von 
Streitigkeiten über die Zulässigkeit des Rechts- 
wegs durch den G. z. E. d. K. in Berlin (V. vom 
1. Aug. 1879 § 1). Der Gerichtshof besteht aus 
elf Mitgliedern, von denen sechs dem KG. an- 
gehören, die anderen fünf für den höheren Ver- 
waltungsdienst oder zum Richteramte befähigt 
sein müssen. Zum Mitgliede kann nur er- 
nannt werden, wer das 35.Lebensjahr vollendet 
hat. Die Mitglieder werden für die Dauer 
des zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen be- 
kleideten Amtes oder, falls sie gu dieser Zeit 
ein Amt nicht bekleiden, auf Lebenszeit er- 
nannt. Eine Enthebung vom Amte kann nur 
unter denselben Voraussetzungen wie bei den 
Mitgliedern des R. stattfinden (s. Reichs- 
Pricht D. Der Vorsitzende und die übrigen 
itglieder werden vom König auf den Vor- 
schlag des St M. ernannt (GVS. 8 17 Abs. 2 
Ziff. 1, 2; V. vom 1. Aug. 1879 § 2). Der 
Gerichtshof entscheidet in der Besetzung von 
sieben Mitgliedern. Die Geschäftsordnung, 
besonders die Befugnisse des Vorsitzenden 
und die Reihenfolge, in welcher die Mit- 
glieder an den einzelnen Sitzungen teil- 
zunehmen haben, sind durch ein Regulativ 
geordnet, welches der Gerichtshof entworfen 
und das St Ml. bestätigt hat (§ 3). Die Ent- 
scheidung des Gerichtshofs über den Kompe- 
tenzstreit erfolgt auf Grund mündlicher Ver- 
handlung in öffentlicher Sitzung, wobei die 
Vorschriften der §§ 170 — 185 EuE. über 
Offentlichneit und Sitzungspolizei sowie die 
Vorschriften der §§ 159 ff. Z3PO. über die Auf- 
nahme eines Protokolls entsprechende An- 
wendung finden. Die Parteien sind zu dem 
Termine zur mündlichen Verhandlung von 
Amts wegen zu laden. Ihr Erscheinen oder 
das eines Vertreters ist jedoch nicht erforder- 
lich; wollen sie in dem Termine verhandeln, 
so müssen sie sich, abgesehen von öffentlichen 
Behörden und Personen, welche zum Richter- 
amte befähigt sind, durch einen Rechtsanwalt 
vertreten lassen (GVG. § 17 Abs. 2 Ziff. 3; 
12, 13 V. vom 1. Aug. 1879). eitere 
estimmungen über das Verfahren vor dem 
Gerichtshof enthalten die §§ 13—17 der 
f. Wegen der Kosten des Verfahrens gilt 
das, was über die Kosten des durch die Er- 
bebung eines Kompetenzkonflikts veranlaßten 
Verfahrens überhaupt bestimmt ist (s. hierüber 
Kompetenzkonflikte). 
Gerichtsordnung s. Allgemein Eerichts-= 
ordnung für die preußischen Staaten. 
Gerichtsschreiberei und Gerichtsschreiber. 
I. Bei jedem ordentlichen Gerichte besteht eine 
Gerichtsschreiberei, deren Geschäftseinrichtung 
bei dem #. durch den M., bei den Landes- 
gerichten durch die Landesjustizuerwaltung be- 
stimmt wird (GWV. § 154). Für die Gerichts- 
schreibereien der preuß. Amts-, Land= und 
  
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Oberlandesgerichte sind vom Il. zuerst die 
Geschäftsordnungen vom 26., 27. und 29. VAov. 
1899 (JWBl. 395, 473., 563) erlassen worden 
(AG. z. GVG. vom 24. April 1878 — E5S. 
230 —, in der Fassung des PrFGG. Art. 130, 
§ 68), welche seitdem jedoch mehrfache Ergän- 
zungen und Abänderungen erfahren haben. 
II. Den Gerichtsschreibern ist, außer ihrer 
Tätigkeit als Protokollführer in den An- 
gelegenheiten der streitigen Gerichtsbarkeit, 
der Mitwirkung bei der Beurkundung von 
Testamenten und Erbverträgen sowie unter 
gewissen Voraussetzungen auch noch von an- 
deren Rechtsgeschäften und der Befugnis zur 
Entgegennahme solcher Erklärungen, die zum 
Protokolle des Gerichtsschreibers abgegeben 
werden können, eine Beihe von selbständigen 
Obliegenheiten übertragen, insbesondere die 
Unterzeichnung der Ausfertigungen und Aus- 
züge der Urteile, der gerichtlichen Verfügungen 
und der Protokolle über gerichtliche Beurkun- 
dungen (3P. 88 317, 329; KO. 8 72; St P. 
§ 275; FS. 8§ 182; PrF#. Art. 18, 45, 61), 
die Erteilung vollstrechbarer Ausfertigungen 
und Zeugnisse über die Rechtskraft von Ur- 
teilen und Verfügungen (ZP0. S§§ 706, 724, 
795, 797 Abs. 1; KO. 8§ 164, 194; St P. 
§ 483 Abs. 1; FEG. 8§ 31, 98; Pr FG. Art. 1), 
die Sorge für die von Amts wegen zu be- 
wirkenden Zustellungen (ZPO. § 209; 80. 
§ 72; St P. § 37; F#. § 16; Pr#e#. 
Art. 1), sowie die Vermittlung bei den übrigen 
Zustellungen (ZPO. 88§ 166 ff., 204) und die 
Beglaubigung von Abschriften (Pr FGG. Art. 
35). Die Gerichtsschreiber bei den Amts- 
gerichten wirben ferner bei der Führung des 
Grundbuchs (AG. z. GBO. vom 26. Sept. 1899 
— E5S. 307 — Art. 6) und der Handels-, 
Genossenschafts-, Börsen-, Vereins-, Güter- 
rechts= usw. Register, bei der Verwahrung 
der letztwilligen Verfügungen und bei der 
vorläufigen Verwahrung von Geld, Wert- 
papieren und Kostbarkeiten mit, auch sind sie 
für die Aufnahme von Wechselprotesten, zur 
Vornahme von Siegelungen, Entsiegelungen 
und Inventuren (AG. z. GV. 8 70) u. dgl. 
zuständig. Im übrigen liegt den Gerichts- 
schreibern namentlich noch allgemein ob, sich 
überhaupt den Verrichtungen zu unterziehen, 
welche im Interesse des Geschäftsbetriebs er- 
forderlich sind, und insbesondere die richter- 
lichen Anordnungen durch Anfertigung der 
Entwürfe, Erteilung von Abschriften und An- 
fertigung von Rechnungsarbeiten auszuführen, 
nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften 
die Gerichtskosten zu berechnen, bei der Prü- 
fung der Kostenfestsetzungsgesuche nach näherer 
Anweisung des Richters Hilfe zu leisten, für 
die Ordnung und Aufbewahrung der Akten 
und sonstigen Schriften zu sorgen, kleinere 
Schreibarbeiten zu fertigen, Register und Listen 
zu führen, die vorgeschriebenen Geschäftsüber- 
sichten aufzustellen usw. Uber die Heranzie- 
hung des Gerichtsschreibers (und der Kanzlei) 
zur Hilfeleistung in richterlichen Geschäften 
und die Entlastung des Gerichtsschreibers 
durch die Kanzlei trifft die Vf. des JM. vom 
  
TLI 
25. April 1906 (JM Bl. 112) wichtige Bestim- 
mungen. 
  
  
 
	        
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