Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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III. Die Dienstverhältnisse der Gerichts- 
chreiber sind durch das G. vom 3. Alärz 
1879 (GS. 99) und die dazu erlassene Gerichts- 
schreiberordnung vom 17. Dez. 1899 (JWBl. 
849, abgeändert durch die Allg Vf. vom 4. März 
1901 — Jll Bl. 51) geregelt. Zum Gerichts- 
schreiber Kkann danach nur ernannt werden, 
wer das 21. Lebensjahr vollendet hat, die 
aktive Dienstpflicht im stehenden Heere oder 
in der Flotte erfüllt hat oder von ihr für die 
Peensben endgültig befreit ist und eine 
rüfung, von der jedoch im richterlichen Vor- 
bereitungsdienste seit mindestens zwei Jahren 
beschäftigt gewesene Referendare befreit sind, 
bestanden hat (§ 1 des G.). Der Prüfung muß 
ein Vorbereitungsdienst von 2½ Jahren vor- 
ausgehen (Gerichtsschreiberordnung 88 2, 6). 
Die zu diesem Vorbereitungsdienste zugelassenen 
Anwärter führen die Bezeichnung Justizan- 
wärter. Wegen der Erfordernisse für die Zu- 
lassung s. § 2 der Gerichtsschreiberordnung. 
Die Anwärter, welche die Prüfung als Ge- 
richtsschreiber bestanden haben, führen den 
Titel Aktuar (Gerichtsschreiberordnung 8 20). 
Die Gerichtsschreiber werden von den Prä- 
sidenten der Oberlandesgerichte ernannt und 
gegen festes Gehalt auf Lebenszeit angestellt 
(§§ 6, 7 des G.; Allg Vf. vom 2. März 1885 — 
Sutut- 96 — Ziff. 5). Sie führen den Amtstitel 
ekretär und teilweise Obersekretär (Allg f-K 
vom 12. Dez. 1879 — JIll Bl. 471 — und vom 
1. Jan. 1899 — JIUMl. 2). Bei einem Amts- 
gericht mit mehreren Gerichtsschreibern kann 
einer von ihnen zum Ersten Gerichtsschreiber, sch 
bei großen Amtsgerichten können mehrere 
Erste Gerichtsschreiber bestellt werden. Bei 
den Land= und den Oberlandesgerichten ist ein 
Gerichtsschreiber zum Obersekretär zu bestellen 
und können auch mehrere Obersekretäre bestellt 
werden. Den Anordnungen des Ersten Ge- 
richtsschreibers oder des Obersekretärs haben 
die übrigen Subaltern= und die Kanzlei= und 
Unterbeamten Folge Zu leisten. 
IV. Neben den Gerichtsschreibern können 
Gerichtsschreibergehilfen ernannt werden, 
welche die Gerichtsschreiberprüfung oder nach 
einem Vorbereitungsdienste von neun Monaten 
die Gerichtsschreibergehilfenprüfung bestanden 
haben müssen. Sie sind zur Wahrnehmung 
der Gerichtsschreibergeschäfte mit der Ein- 
schränkung befugt, daß zu gewissen, besonders 
wichtigen Verrichtungen außer in den Fällen 
einer notwendigen Aushilfe oder Vertretung 
nur solche Gerichtsschreibergehilfen verwendet 
werden sollen, welche, abgesehen von der Er- 
ledigung der aktiven Dienstpflicht, die Vor- 
bedingungen für die Anstellung als Gerichts- 
schreiber erfüllt haben (§8 4, 5 des G.; Pr G. 
Art. 131). Ihre Ernennung erfolgt ebenfalls 
durch die Präsidenten der Ooerlandesgerichte, 
ihre Anstellung teilweise gegen festes Gehalt 
auf Lebenszeit, teilweise gegen Diäten auf 
Kündigung (ss 6, 7 des G.; Allg Bf. vom 
2. März 1885 Ziff. 5). Die Stellen der Ge- 
richtsschreibergehilfen sind bis auf die Dol- 
metscherstellen den Militäranwärtern vorbe- 
halten (Allg Bf. vom 17. und 23. März 1896 
Illn Bl. 85, 97; Gerichtsschreiberordnung 
§ 21). Die gegen festes Gehalt auf Lebenszeit 
  
Gerichtsschreibergehilfen — Gerichtsstand. 
angestellten Gerichtsschreibergehilfen führen den 
Titel Assistenten (Allg Bf. vom 12. Dez. 1879 — 
Ill Bl. 471). 
V. Den nur mit einem Gerichtsschreiberei- 
beamten besetzten Amtsgerichten können vom 
Oberlandesgerichtspräsidenten Bureauge- 
hilfen überwiesen werden, welche vornehmlich 
aus der Zahl der Kanzleigehilfen und der 
Aatuare zu entnehmen sind (Etatsvorschriften 
vom 31. März 1900 — Jll l. 301 — Ziff. 46; 
Allg Bf. vom 2. Juli 1885 — JMl. 229). 
VI. Die sämtlichen Gerichtsschreibereibeamten 
sind dem Range nach in drei Klassen ein- 
geteilt. 
VII. Außer den ordentlichen Gerichten hat 
noch jedes Gewerbegericht und Zauf- 
mannsgericht eine Gerichtsschreiberei (Gew- 
GG. vom 29. Juli 1890/29. Sept. 1901 — 
Rl. 1901, 353 — § 25, Erlaß des HMl. 
vom 11. Aov. 1904 — HM.-. 472; G., betr. 
Kaufmannsgerichte, vom 6. Juli 1904 — RBl. 
266 — § 9 Abs. 3, Erlaß des M. vom 20. Sept. 
1904 — HMl. 413 — und § 31 des ihm bei- 
gefügten Musterstatuts); auch die Schieds- 
gerichte für Arbeiterversicherung können Ge- 
richtsschreibereien haben (Geschäftsanw. vom 
2. Febr. 1901 — MBl. 83 — unter I, 1). Wegen 
des Gerichtsschreibers bei den Dorfgerichten 
s. d.II. Sonst gibt es keine Gerichtsschreibereien 
und Beine mit selbständiger Verantwortlichkeit 
arbeitenden Gerichtsschreiber, namentlich auch 
nicht bei den Verwaltungsgerichten. 
Gerichtsschreibergehilfen s. Gerichts- 
reiberei und Gerichtsschreiber I. 
Gerichtsstand. I. Die Tatbestände, welche die 
örtliche Zuständigkeit eines Gerichts (. Zustän- 
digkeit h für ein prozessuales Verfahren, 
namentlich für eine Klage, begründen, heißen 
Gerichtsstände (kora). Diese G., bei denen 
von dem Grundsatz ausgegangen wird, daß actor 
sequitur forum rei, sind entweder allgemeine 
oder besondere. Der allgemeine G. einer 
Person ist derjenige, der für alle gegen sie zu 
erhebenden Klagen, gleichviel welcher Art, be- 
gründet ist. Die beson deren G. beruhen auf 
der besonderen Art des Streitgegenstandes oder 
einer Eigenschaft der Klage und gelten ohne 
Rüchsicht darauf, wer der Beklagte ist. In 
erster Linie sind die G. durch gesetzliche Regeln 
bestimmt und vom Belieben der Parteien unab- 
hängig. Es kann aber auch ein hiernach unzu- 
ständiges Gericht dadurch zuständig werden, daß 
sich ihm die Parteien freiwillig unterwerfen 
entweder durch eine Vereinbarung oder durch 
ein bestimmtes prozessuales Verhalten. Da- 
nach unterscheidet man gesetzliche oder ge- 
will kürte (prorogierte) G. Unter gewissen 
Umständen (Verhinderung des an sich zustän- 
digen Gerichts, Ungewißheit der die ustän- 
digheit begründenden Tatbestände u. dgl.) wird 
das zuständige Gericht für den einzelnen Fall 
besonders bestimmt. Für eine und dieselbe 
Sache Rönnen mehrere G. begründet sein, weil 
für sie verschiedene Zuständigkeitsgründe zu- 
sammentreffen. Unter mehreren konkurrie- 
renden G. hat der Kläger die Wahl. Es gibt 
aber auch G., die keinen andern neben sich 
dulden; sie heißen ausschließliche. 
II. Am meisten Bedeutung haben die G. im
	        
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