Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gerichtstage. 
Zivilprozesse. Die 3P0. (§§ 12—40) kennt 
als allgemeine G. besonders den durch den 
privatrechtlichen Wohnsitz, unter Umständen 
den Aufenthaltsort, einer physischen Person, 
und den durch den Sitz einer suristischen Per- 
son, beim Fiskus der ihn vertretenden Behörde, 
bestimmten, und daneben zahlreiche besondere 
G., namentlich die der wirtschaftlichen Nieder— 
lassung, der Mitgliedschaft, des Vermögens, 
der Erbschaft, des Erfüllungsorts, der Ver- 
mögensverwaltung, den dinglichen G. und den 
der unerlaubten Handlung. Die Prorogation 
ist in weitem Umfange zugelassen. Die Be- 
stimmung des zuftändigen Gerichts erfolgt 
durch das im Instanzenzuge zunächst höhere 
Gericht. 
III. Im Strafprozesse gibt es nur die G. 
der begangenen Tat, des Wohnsitzes oder ge- 
wöhnlichen Aufenthaltsorts, der Ergreifung 
und des Auftrags durch das RG. Außerdem 
findet noch eine Bestimmung des zuständigen 
Gerichts durch das obere Gericht statt, nament- 
lich in dem dem Strafprozeß eigentümlichen 
Falle, daß von der Verhandlung vor dem an 
sich zuständigen Gericht eine Gefährdung der 
öffentlichen Sicherheit zu besorgen ist. Eine 
Prorogation tritt stets dann ein, wenn der 
Einwand der örtlichen Unzuständigkeit nicht 
rechtzeitig erhoben worden ist (88 7—21 St PO.. 
Wegen der Gerichtsstände bei Preßver- 
gehen s. Preßvergehen V. 
IV. Für das Verfahren der freiwilligen 
Gerichtsbarkeit ist die örtliche Zuständig- 
keit weder im FGG. noch sonst einheitlich ge- 
regelt, vielmehr für die einzelnen Angelegen- 
heiten nach den verschiedensten Rüchsichten be- 
sonders bestimmt teils im FG. selbsft, teils 
im BoB. und H., teils in anderen Ge- 
setzen. Ebenso ist über sie bei den durch preuß. 
Landesgesetze den Gerichten übertragenen An- 
gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit 
in ganz verschiedenen Gesetzen Bestimmung 
getroffen. Eine Vereinbarung der Beteiligten, 
welche ein unzuständiges Gericht zuständig 
macht, oder eine sonst willkürliche Abweichung 
von dem gesetzlich geordneten G. ist dem FG. 
grundsätzlich unbekannt (Ausnahme FG. 164 
bs. 1 Satz 2). Wohl aber Rennt es eine Be- 
stimmung des zuständigen Gerichts durch das 
gemeinschaftliche obere Gericht (8 5). 
V. Dagegen ist die örtliche Zuständigkeit 
zwar sehr Rhurz, aber wieder allgemein geregelt 
für das preuß. Verwaltungsstreit= und 
das Beschlußverfahren, für beide im wesent- 
lichen gleichmähig (LVSE. 88 57—59), also die 
der Kr A. und der an deren Stelle tretenden 
St A. und Magistrate, der Bez A. und der Pro- 
vinzialräte, nicht auch diejenige der Polizei- 
behörden (OV. 29, 222). Zuständig ist hier- 
nach in erster Instanz 1. in Angelegenheiten, 
welche sich auf Grundstücke beziehen, die Be- 
hörde der belegenen Sache (korum rei sitae); 
2. in allen sonstigen Fällen die Behörde des- 
jenigen Bezirkes (Kreis, Regierungsbezirk, 
Provinz), in welchem die Person wohnt, wo- 
bei sich der Wohnsitz ebenfalls nach dem bürger- 
lichen Rechte bestimmt, oder die Korporation 
bzw. öffentliche Behörde ihren Sitz hat, welche 
im Verwaltungsstreitverfahren in Anspruch ge- 
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 
  
  
689 
nommen wird oder auf deren Angelegenheit 
sich die Beschlußfassung bezieht. enn die 
Korporation oder öffentliche Behörde ihren 
Sitz außerhalb ihres räumlichen Bezirkes hat, 
z. B. bei den Kreisen Teltow und N-iederbarnim, 
ist diejenige Behörde zuständig, welcher dieser 
Bezirk angehört, bezüglich des Kommunalver= 
bandes der Prov. Brandenburg ist der Bez A. zu 
Potsdam zuständig. Eine Bestimmung des 
zuständigen Gerichts findet statt: 1. wenn die 
Grundstüche in mehreren Bezirken belegen 
sind oder es sich um ein Grundstüch handelt, 
welches in mehreren Bezirken liegt (Erl. vom 
19. April 1891 — AMl. 61), für das Verwal- 
tungsstreitverfahren durch den BezA., und wenn 
die Grundstücke in verschiedenen BRegierungs- 
bezirken liegen, durch das OV., für das Be- 
schlußverfahren durch den Regierungspräsiden- 
ten, den Oberpräsidenten oder den Md J., je 
nachdem die betreffenden Bezirke demselben 
Regierungsbezirk derselben Provinz oder ver- 
schiedenen Regierungsbezirken oder verschiede- 
nen Provinzen angehören; 2. wenn die Per- 
sonen oder Korporationen, deren Angelegen- 
heit den Gegenstand der Entscheidung oder Be- 
schlußfassung bildet, in mehreren Bezirken 
wohnen oder ihren Sitz haben, in derselben 
Weise; 3. wenn bei einer Angelegenheit, welche 
zur Zuständigkeit des Kr A. (St A.) gehört, die 
betreffende Kreiskorporation (Stadtgemeinde) 
als solche beteiligt ist, und zwar als Partei 
(OVS. 16, 423), oder als Beigeladene (OV0. 
39, 449); hier wird für das Verwaltungsstreit- 
verfahren von dem BezA. und, wenn ein 
Stadtkreis beteiligt ist, von dem O., für 
das Beschlußverfahren von dem Regierungs- 
präsidenten, für Berlin von dem Oberpräsi- 
denten, ein anderer Kr A. oder St A. mit der 
Entscheidung oder Beschlußfassung beauftragt. 
Ist auf Grund der vorstehenden Bestimmun- 
gen ein Kr A.(St A.) oder ein Bez A. für das Be- 
schlußverfahren als zuständig erklärt worden, 
so bleibt er auch für das Verwaltungsstreitver- 
fahren zuständig, welches im Anschluß daran 
infolge eines Antrags auf mündliche Verhand- 
lung stattfindet (OV#. 17, 450). Die Bestim- 
mung der zuständigen Behörden muß dem 
Verwaltungsstreitverfahren oder dem Beschluß- 
verfahren vorangehen (O. 45, 259). 
Die Vorschriften des LVG. für das Ver- 
waltungsstreitverfahren gelten auch für das 
vor den Bergausschüssen (G. vom 14. Juli 
1905 — GS. 307 — Art. III § 194 a Abs. 7). 
Besondere Bestimmungen über die Zustän- 
digkeit finden sich in den §8 8 Abs. 3, 31, 
Abs. 3 des Waldschutzgesetzes vom 6. Juli 1875 
(GS. 416). 
Eine Anderung der vorstehenden Zuständig- 
keitsvorschriften durch ausdrückliche oder still- 
schweigende Vereinbarung ist nicht zugelassen 
und deshalb unzulässig. 
Gerichtstage. Für die Amtsgerichte kann 
die Abhaltung von G. außerhalb des Gerichts- 
sitzes durch den JM. angeordnet werden (A. 
z. GV. 8§ 22). Die G. sind entweder vollstän- 
dige G. oder Forstgerichtstage. Auf den letzteren 
gelangen lediglich Zuwiderhandlungen gegen 
das Forstdiebstahlsgesetz vom 15. April 1878 
(GS. 222) zur Verhandlung und Entscheidung, 
44
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.