Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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sonen, welche zu G. ernannt werden Bönnen, 
auch andere vom Oberlandesgerichtspräsidenten 
für geeignet erachtete Personen beauftragt wer- 
den, sofern sie sich in geordneten Bermögens- 
verhältnissen befinden (5. kraft Auftrags). 
Auf diese finden die Vorschriften über die G. 
nur teilweise Anwendung (Gerichtsvollzieher- 
ordnung §§ 35—43). Bei Gefahr im Verzug 
ist der aufsichtführende Amtsrichter ermächtigt, 
mit der Wahrnehmung einzelner den G. zu- 
gewiesener Geschäfte jede von ihm für geeignet 
erachtete Person zu beauftragen (Gerichtsvoll- 
zieherordnung § 44). Die G. kraft Auftrags 
erhalten in der Regel eine im voraus be- 
stimmte Vergütung sowie Gebührenanteile und 
ergütungen an baren Auslagen (Gerichts- 
vollzieherordnung §§ 38—-40). Mit der Vor- 
nahme solcher Gerichtsvollziehergeschäfte, welche 
von preuß. Justizbehörden angeordnet werden, 
können Gerichtsdiener und Hilfsgerichtsdiener 
als bilegerichtsvolbzieher widerruflich be- 
auftragt werden. Die Gerichtsdiener sind zur 
Ubernahme dieser Geschäfte verpflichtet (Ge- 
richtsvollzieherordnung 88 45—48; Dienstord- 
nung für die Gerichtsdiener vom 21. Dez. 1899 
— Illn Ul. 862 — §F 13). 
V. Die rechtliche Stellung der G. war 
schon früher und ist auch noch bei der jetzigen 
Organisation zweifelhaft und streitig. In der 
Regel wird angenommen, daß sie eine doppelte 
sei, die G. einerseits privatrechtliche Beauftragte 
der betreibenden Parteien, seit dem BEB. zu 
diesen in dem Verhältnis eines Werkvertrags 
stehende Personen, anderseits in den Bezie- 
hungen zum Schuldner und zu Dritten nur 
öffentliche Beamte seien (RG.Z. 16, 396; 56, 82). 
Danach gestaltet sich auch ihre Haftung für 
Verschulden verschieden, nämlich dem Auftrag- 
geber gegenüber nach §8 635, 276 BEB., an- 
deren Personen gegenüber nach § 839 B. 
(ogl. jedoch RG Z. 51, 258). Zweifelhaft ist 
ferner die Bedeutung der auf Grund des 
§ 155 Ge. erlassenen Geschäftsanweisungen, 
insbesondere, ob diese nur Dienstbefehle sind, 
oder ob die Partei ein Recht auf ihre Befol- 
gung hat (ogl. RG Z. 51, 261), ob sie ergän- 
zende Rechtsnormen oder nur Verwaltungs- 
verordnungen sind, und welche Folgen ihre 
immerhin mögliche teilweise Nichtübereinstim— 
mung mit dem Gesetze hat. S. auch Gewerbe- 
ordnung III. 
Gerste (Zollbehandlung). Der autonome 
Zolltarif sieht in Nr. 3 für Gerste einen ein- 
beitlichen Zollsatz von 7 M. für den Doppel- 
zentner vor, doch schafft der § 1 ZollTG G. den 
besonderen Begriff der Malzgerste, für die 
durch vertragsmäßige Abmachungen der Zoll 
nicht unter 4 M. für den Doppelzentner her- 
abgesetzt werden soll. Infolgedessen erscheinen 
im Vertragstarif (s. Zolltarif) zwei verschie- 
dene Zollsätze, und zwar für Mlalzgerste 4 M., 
für andere Gerste (z. B. Futtergerste, G. zu 
Müllereizwecken) 1,30 M. für den Doppelzent- 
ner. Als „andere" G. ist nach den Zusatzver- 
trägen zu den Handelsverträgen (s. d.) mit 
Rußland und Osterreich-Ungarn zu behandeln: 
1. G., welche in reinem, ungemischtem, 
grannenlosem Zustande das Gewicht von 
65 kg für 1 hl nicht erreicht und zugleich in 
  
Gerste (Zollbehandlung) — Gesamtverbände (kirchliche)h. 
100 Körnern nicht mehr als 30 Gewichts- 
teile enthält, deren Gewicht 67 kg oder mehr 
beträgt; 2. G., für welche der Nachweis ge- 
führt wird, daß sie zur Bereitung von Malz 
ungeeignet ist oder daß sie hierzu nicht ver- 
wendet wird. Falls die Richtigkeit der Er- 
gebnisse der nach Nr. 1 zugelassenen Ermittlung 
vom Wareneinbringer bestritten wird, oder falls 
sich infolge der besonderen Beschaffenheit der 
zur Zollabfertigung gestellten Sendung andere 
Zweifelsgründe hinsichtlich der Verwendung 
der G. ergeben, ist die Ware zum Satze von 
1,30 Ml. nur zuzulassen, wenn sie (auf Kosten 
der Zollverwaltung) vorher zur Bereitung von 
Walz ungeeignet gemacht ist. Zur näheren 
Ausführung dieser Bestimmungen ist die in 
der Anleitung (s. d.) für die Zollabfertigung 
in Teil III unter Ziff. 1 enthaltene und auch 
im Z Bl. 1906, 301 besonders abgedruckte Ger- 
stenzollordnung ergangen. 
Die Wertbestimmung der Einfuhrscheine (s. d.) 
für G., Gerstenmalz oder Müllereierzeugnisse 
aus G. erfolgt stets nach dem Zollsatz für 
„andere G.“ von 1,30 M. (s. Einfuhrscheinord- 
nung § 17 — 3Bl. 1906, 316). 
Gesamtarmenverbände s. Ortsarmenver- 
bände I. 
Gesamteigenhandel s. Warenverkehr 
mit dem Auslande I. 
Gesamtgemeinden s. Samtgemeinden. 
Gesamtgut s. Eheliches Güterrecht II. 
Gesamtkontingent ist die in der Brannt- 
weinsteuergemeinschaft in einem Betriebsjahre 
zum geringeren Verbrauchsabgabesatze (50 Pf. 
für das Liter) herstellbare Alkoholmenge. S. 
Branntweinbesteuerung II d 1 und c. 
Gesamtverbände (kirchliche). I. Die für die 
Berliner Stadtsynode (s. d.) ergangenen Vor- 
schriften finden in gleicher Weise Anwendung 
auf Gesamtverbände (Parochialverbände), 
welche im Bereiche der ev. Landeskirche für die 
neun älteren Provinzen in anderen größeren Ort- 
schaften aus den in denselben bestehenden evan- 
gelischen, unter einem gemeinsamen Pfarramt 
nicht verbundenen Parochien geeignetenfalls 
unter Einbeziehung angrenzender Kirchenge- 
meinden gebildet werden (Kirch G. vom 17. Alai# 
1895 — KGVBl. 37 — Art. II; Staatsgesetz 
vom 18. Mai 1895 — GS. 175; V. vom 20. Okt. 
1896 — GS. 203). Für die Prov. Westfalen 
und Rheinland s. Kirch G. vom 4. Juli 1904 
(KOVl. 160; detantsgele vom 4. Juli 1904 
(G#. 146). In den neuen Provinzen sind gleich- 
artige Bildungen gestattet: für Schleswig- 
Holstein durch Kirch G. vom 25. Juni 1898 (GS. 
135), Staatsgesetz vom 25. Juni 1898 (GS. 133) 
und V. vom 29. Aug. 1898 (G. 307), für die 
ev. Kirchengemeinschaften im Bezirk des Kon- 
sistoriums in Kassel durch das Kirch G. vom 
22. Juni 1902 (GS. 267), das Staatsgesetz vom 
22. Juni 1902 (G. 265) und die V. vom 16. März 
1902 (GS. 335), für die ev.-luth. Kirche der 
Prov. Hannover durch das KirchG. vom 7. Juni 
1900 (GS. 271), das Staatsgesetz vom 8. Juni 
1900 (GS. 273) und die V. vom 1. Okt. 1900 
(GS. 359). Wegen Erhebung von Kirchen- 
steuern durch die Parochialverbände der ev. 
Landeskirche der alten Provinzen s. Kirchen- 
steuergesetz vom 14. Juli 1905 (GS. 277) VI und
	        
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