Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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sind die für den G. der Innung vorgesehenen 
Bestimmungen entsprechend maßgebend. Die 
Kosten des G. trägt die Handwerkskammer 
(GewO. 8 89 Abs. 1; 8 103n Abs. 1). 
Gesellenprüfung. I. Für Lehrlinge im 
Handwerk. Die Ablegung der G. ist nicht 
obligatorisch, immerhin enthält die Gewd. 
einige Bestimmungen, die die Lehrlinge ver- 
anlassen sollen, sich der G. zu unterziehen. 
Dahin gehört vornehmlich die Vorschrift des 
§ 129 a. a. O., wonach, von Ausnahmen ab- 
gesehen, Handwerker nur Lehrlinge anleiten 
dürfen, wenn sie die G. abgelegt haben ((. 
Lehrlinge), und die Vorschrift des 8§ 133, wo- 
nach zur Meisterprüfung nur zugelassen wird, 
der die G. bestanden hat (s. Meistertitel). 
Ferner soll nach I#131e die Innung und der 
ehrherr (s. d.) den Lehrling anhalten, sich nach 
Ablauf der Lehrzeit der G. zu unterziehen. 
Der Lehrherr, der dieser Verpflichtung nicht 
nachkommt, wird nach GewO. 8§ 148 Absk. 1 
Ziff. 9 bestraft. Die Abnahme der G. erfolgt 
durch Prüfungsausschüsse. Bei jeder Zwangs- 
innung (s. d.) wird ein je zur Hälfte von der 
Innungsversammlung und dem Gesellenaus- 
schuß (s. d.) zu wählender Prüfungsausschuß 
gebildet, bei freien Innungen (s. d.) nur dann, 
wenn ihnen die Ermächtigung zur Abnahme der 
Prüfungen von der Handwerkskammer (s. d.) 
erteilt ist. Gemischten Innungen darf die Er- 
mächtigung grundsätzlich nicht erteilt werden. Ist 
die Bildung des Gesellenausschusses nicht mög- 
lich gewesen oder weigert sich derselbe, die Wahl 
der Beisitzer vorzunehmen, oder legen seine 
Witglieder ihr Amt nieder, so ernennt die 
Handwerkskammer bei Zwangsinnungen die 
Beisitzer. Freien Innungen darf in diesen 
Fällen die Ermächtigung erteilt werden, wenn 
zwei Drittel der Handwerker im Bezirke der 
Innung Mitglieder der Innung sind und von 
den Innungsmitgliedern mindestens vier Ge- 
sellen beschäftigt werden. Die Erteilung der 
Ermächtigung bedarf der Zustimmung der 
Aufsichtsbehörde der Handwerkskammer und 
erfolgt gegen jederzeitigen Widerruf (Ausf- 
Anw. z. Gew O. vom 1. Mai 1904 — HMAl. 
123 — Ziff. 207, 208). Ist diese Ermächti- 
gung nicht erteilt, so hat die Ablegung der G. 
nicht das Recht zur UAnleitung von Lehrlingen 
zur Folge. Soweit für die Abnahme der G. 
für die einzelnen Gewerbe nicht durch Prü- 
fungsausschüsse der Innungen und solche Lehr- 
werkstätten, gewerbliche Unterrichtsanstalten 
und Prüfungsbehörden, deren Prüfungszeug- 
nisse nach Anordnung des HM. das Recht zur 
Anleitung von Lehrlingen (s. d.) verleihen, ge- 
sorgt ist, hat die handwerkskammer die erforder- 
lichen Prüfungsausschüsse zu errichten (Gew. 
§ 131). Die Prüfungsausschüsse bestehen aus 
einem Vorsitzenden und mindestens zwei Bei- 
sitzern. Der Vorsitzende des Prüfungsaus- 
schusses wird von der Handwerkskammer be- 
stellt. Von den Beisitzern wird bei dem Prü— 
fungsausschuß einer Innung die Hälfte durch 
diese, die andere Hälfte aus der Zahl der Ge- 
sellen, welche eine G. bestanden haben, durch 
den Gesellenausschuß (s. d.) bestellt. Bei den 
von der Handwerkskammer errichteten Prü- 
fungsausschüssen werden auch die Beisitzer von 
  
  
Gesellenprüfung. 
der Handwerkskammer bestellt; die Hälfte der 
Beisitzer muß aus Gesellen bestehen (Gew O. 
§ 131 a). Die Prüfung hat den Nachweis zu 
erbringen, daß der Lehrling die in seinem Ge- 
werbe gebräuchlichen Handgriffe und Fertig- 
keiten mit genügender Sicherheit ausübt und 
sowohl über den Wert, die Beschaffenheit, Auf- 
bewahrung und Behandlung der zu verarbei- 
tenden Rohmaterialien, als auch über die KRenn- 
zeichen ihrer guten oder schlechten Beschaffen- 
heit unterrichtet ist. Das Verfahren vor dem 
Prüfungsausschusse, der Gang der Prüfung 
und die Höhe der Prüfungsgebühren ist durch 
eine Prüfungsordnung geregelt, welche von 
der Aufsichtsbehörde der Handwerkskammer 
im Einvernehmen mit der Handwerkskammer 
erlassen wird. Für die Prüfungsordnungen 
sind durch Erl. vom 17. Aov. 1900 (MIl. 1901, 
45) und vom 20. Vov. 1902 (HÖOM.Bl. 399) Ent- 
würfe mitgeteilt. Erstreckt sich die Prüfung 
auf die Buch= und Rechnungsführung, so kann 
der Prüfungsausschuß einen Sachverständigen 
mit vollem Stimmrechte zuziehen; in diesem 
Falle gibt bei Stimmengleichheit die Stimme 
des Vorsitzenden den Ausschlag. Die Kosten 
der G. werden, sofern diese von dem Prüfungs- 
ausschuß einer Innung abgehalten wird, von 
letzterer, im übrigen von der Handwerkskammer 
getragen. Diesen fließen die Prüfungsgebühren 
zu (GewO. § 131b). Das Gesuch um Zulas- 
sung zur G. hat der Lehrling an den Prü- 
fungsausschuß zu richten. Dem Gesuche sind 
das Lehrzeugnis (s. Lehrlinge) und, sofern 
der Prüfling während der Lehrzeit zum Be- 
such einer Portbildungs= oder Fachschule ver- 
pflichtet war, die Zeugnisse über den Schul- 
besuch beizufügen. Der Prüfungsausschuß hat 
das Ergebnis der Prüfung auf dem Lehr- 
zeugnis oder Lehrbriefe zu beurkunden. Wird 
die G. nicht bestanden, so hat der Prüfungs- 
ausschuß den Zeitraum zu bestimmen, vor 
dessen Ablauf die G. nicht wiederholt werden 
darf (GewO. § 13106 Abs. 2, 3). Die Prü- 
fungszeugnisse sind kosten= und stempelfrei 
(HewdO. 8 1310 Abs. 4). Der Vorsitzende des 
Prüfungsausschusses ist berechtigt, alle Be- 
schlüsse mit aufschiebender Wirkung zu bean- 
standen. Uber die Beanstandung entscheidet 
der Ausschuß der Handwerkskammer, dem 
Gesellen angehören müssen (Gew O. S§ 132, 103e 
Abs. 1 Ziff. 6 und § 103 k). Dem Prüfling, 
seinem Lehrherrn oder seinem gesetzlichen Ver- 
treter steht ein Beschwerderecht nicht zu, auch 
kann die Aufsichtsbehörde nicht selbst das Prü- 
fungsergebnis beanstanden (Erl. vom 16. Juni 
1904 — HM Bl. 340). Der Obermeister der 
Innung darf den G. beiwohnen (Erl. vom 
18. März 1905 — HMIBl. 62). Verzieht ein 
Innungsmeister aus dem Bezirk der Innung, 
so können, wenn die Mitgliedschaft nicht verloren 
geht, sich seine Lehrlinge sowohl vor dem Prü- 
fungsausschusse der Innung, als auch vor dem- 
jenigen der Handwerkskammer, in deren Bezirk 
der Gewerbebetrieb verlegt ist, prüfen lassen (Erl. 
vom 25. März 1905 — HMM.l. 69). 
II. Für Lehrlinge in nicht handwerks- 
mäßigen Betrieben. Die nungen sind 
nach Gemm. § 81 b Ziff. 2 befugt, G. abzu- 
halten. Mit der Ablegung dieser Prüfung, 
 
	        
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