Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gesetze — Gesetzsammlung. 
schlußform) mit 1,50 M., sofern nicht nach vor- 
stehendem ein höherer Stempel erforderlich ist. 
Befreit sind Kranken-, Unfall-, Alters= und 
Invaliditätsversicherungs= und Unterstützungs- 
kassen, denen die Versicherungsnehmer auf 
Grund gesetzlicher Bestimmung beizutreten ver- 
pflichtet sind, und eingetragene Genossenschaf- 
6en, welche die Gewinnverteilung ausgeschlossen 
aben. 
Gesetze. Der Inbegriff der Regeln Rechts- 
sätze), welche innerhalb einer Gemeinschaft, 
namentlich des Staates, für das äußere Ver- 
halten ihrer Mitglieder zueinander und zum 
Ganzen in erzwingbarer Weise gelten (Recht 
im objektiven Sinne, Gegensatz: Recht im sub- 
sektiven Sinne, d. i. die durch das Recht im 
obsektiven Sinne dem Miitgliede der Gemein- 
schaft eingeräumte erzwingbare Macht), hat 
zwei Quellen: das G. und die Gewohnheit, 
und ist danach entweder Gesetzesrecht oder 
Gewohnheitsrecht (s. d.). Für das Gesetzes- 
recht ist stets erforderlich eine Aufzeichnung 
und Kundbarmachung (Veröffentlichung, Publi- 
kation), weshalb es auch geschriebenes Recht 
Gus scriptum) heißt. Wie es zustande kommt, 
und wie es Rundbar zu machen ist, bestimmt 
sich nach der Verfassung der Staaten verschieden 
(I□. Reichsverfassung und Verfassung, 
preußische). m konstitutionellen Staate 
haben G. und Gesetzesrecht eine meist engere, 
teilweise jedoch auch weitere Bedeutung, indem 
darunter alles verstanden wird, was ohne 
Büchsicht auf den Inhalt verfassungsmäßig der 
Zustimmung der an der — hier von der richter- 
lichen und der vollziehenden Herwaltenden) ge- 
schiedenen — gesetzgebenden Gewalt im Staate 
beteiligten Volksvertretung, im Deutschen Reiche 
der Ubereinstimmung des B. und des R., 
bedarf (sog. konstitutioneller oder formeller 
Gesetzesbegriff im Gegensatze zu dem materi- 
ellen Gesetzesbegriffe, für den lediglich der 
Inhalt: die Aufstellung von Rechtssätzen, 
entscheidend ist). Es gehören daher in diesem 
Sinne die Rechtsvorschriften, welche auf Grund 
einer in der Verfassung oder in einem G. ent- 
haltenen Ermächtigung ohne Zustimmung der 
Volksvertretung ergehen dürfen (Ausführungs- 
verordnungen, Polizeiverordnungen), nicht zum 
Gesetzesrechte; dagegen gehört hierzu die Re- 
gelung gewisser tatsächlicher Verhältnisse, für 
die, obwohl es sich dabei nicht um die Auf- 
stellung oder Aufhebung von Bechtssätzen, 
sondern um bloße Verwaltungsakte handelt, 
der formelle Weg der Gesetzgebung vorge- 
schrieben ist, insbesondere für die Feststellung 
des Staatshaushaltes und für Anleiheauf- 
nahmen, ferner z. B. für die Bestimmung des 
Sitzes und Bezirkes von Gerichten (GVG. 
§ 125; A#. z. GV. 8§ 21, 37, 47) und für 
die Veränderung bestehender Kreisgrenzen und 
die Bildung neuer, sowie die Zusammen- 
legung mehrerer Kreise (ArO. § 3). Von 
den G. nennt man diesenigen, die sich auf 
die Staatsgewalt und die dieser und den 
Staatsbürgern im allgemeinen zustehenden 
Bechte beziehen, und deren Erlaß und Auf- 
hebung wegen ihrer Wichtigkeit meist an be- 
sondere erschwerende Erfordernisse geknüpftsind, 
Verfassungs- oder Staatsgrundgesetze. 
  
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Sonst hat man nach dem Gegenstande Ver- 
waltungs-, Finanz-, Militär-, Straf- 
usw. Gesetze. Nach ihrem Inhalte sind die G. 
entweder allgemeine lleges generales), welche 
für alle Fälle überhaupt oder doch für alle 
von einer gewissen Art, und spezielle (leges 
Sspeciales), welche nur für bestimmte Personen, 
Sachen oder Verhältnisse Begeln aufstellen, 
wobei der Grundsatz gilt, daß mit dem all- 
gemeinen nicht auch das spezielle Recht auf- 
ehoben ist. Aach der Art der getroffenen 
orschrift unterscheidet man gemeine (leges 
communes) und besondere G. (lleges sin- 
gulares), je nachdem die aufgestellten Regeln 
mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen über- 
einstimmen oder nicht. Weitere Scheidungen 
sind die in einheimische und rezipierte 
(von einem fremden Volke entlehnte) G., 
Ausnahmegesetze, transitorische G., 
Partikulargesetze (nur für einen Teil des 
Staates geltende) usw. S. auch Gültigkeit 
von Gesetzen und Verordnungen. 
Gesetzsammlung. Die GS. für die Ral. 
preuß. Staaten ist durch V. vom 27. Okt. 1810 
(GS. 1) begründet worden. Ursprünglich nur 
für die Bekanntmachung derjenigen Gesetze 
und Verordnungen bestimmt, welche mehr als 
ein einzelnes Regierungsdepartement betrafen, 
ist sie durch § 1 des G., betr. die Publikation 
der G. vom 3. April 1846 (GS. 151) zum 
Bekanntmachungsorgan für alle Gesetze und 
Verordnungen ohne Unterschied bestimmt 
worden, und zwar dergestalt, daß landesherr- 
liche Erlasse, welche Gesetzeskraft erhalten 
sollen, dieselbe nur durch die Aufnahme in 
die GS. erlangen. Das gleiche ist in den 
V. vom 1. Dez. 1866 (GES. 743) und 29. Jan. 
1867 (GS. 139), durch welche die GS. in den 
neu erworbenen Landesteilen eingeführt wurde, 
ausgesprochen. Durch G. vom 10. April 1872 
(GS. 357) § 1 wurde angeordnet, daß be- 
stimmte Arten von landesherrlichen Erlassen 
— Verleihungen des Enteignungsrechts, sowie 
des Rechts zur Entnahme von Chaussee= und 
Wegebau= und Unterhaltungsmaterialien und 
des Rechtes zur Erhebung von Chaussee= und 
Wegegeld; ferner Statuten der Deichverbände 
und Mieliorationsgenossenschaften; Konzessionen. 
zum Bau und Betriebe von Eisenbahnen, 
sowie die Statuten der Unternehmer; Regle- 
ments der Feuersozietäten, Kreditvereine und 
ähnlicher Kreditinstitute, sowie für die Ein- 
richtung des Landarmen= und Korrigenden- 
wesens und endlich Privilegien zur Ausgabe 
von Papieren auf den Inhaber — nebst den 
durch die Erlasse bestätigten oder genehmigten 
Urkunden, ebenso wie Ergänzungen und Ab- 
änderungen fortan durch die betreffenden Amts- 
blätter mit rechtsverbindlicher Kraft (falls kein 
Termin bestimmt ist, binnen acht Tagen nach 
Ablauf des Ausgabetages — § 4) bekanntzu- 
machen und in die GS. nur eine Anzeige von 
der erfolgten Bekanntmachung aufzunehmen 
ist (6 5). Durch G. vom 10. März 1873 
(GS. 41) ist die ziemlich ausgedehnte Ver- 
pflichtung zum Halten der GS. auf die Ge- 
meinden und selbständigen Gutsbezirke, unter 
der Ermächtigung für die Regierungspräsi- 
denten, Gutsbezirke und kleinere Gemeinden
	        
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