Gesindedienstbücher — Gesindeordnungen.
der Herrschaft oder der zu seiner Aufsicht be-
stellten Personen sich zuschulden kommen
läßt oder ohne gesetzmäßige Ursache den Dienst
versagt oder verläßt, unterliegt auf den Antrag
der Herrschaft der Bestrafung. Ferner hat G.,
welches die Arbeitgeber näher bezeichneter
Personen oder die Obrigkeit zu gewissen Hand-
lungen oder Zugeständnissen dadurch zu be-
stimmen sucht, daß es die Einstellung der
Arbeit oder die Verhinderung derselben bei
einzelnen oder mehreren Arbeitgebern ver-
abredet oder zu einer solchen Verabredung
andere auffordert, Strafe verwirkt (G. vom
24. April 1854, betr. die Verletzungen der
Dienstpflichten des G. und der ländlichen
Arbeiter — GS. 214). Ein allgemeines Koa-
litionsverbot besteht hiernach für das G. nicht.
Vgl. G. vom 6. Febr. 1878 (GS. 86) für
Schleswig-Holstein und G. vom 27. Juni 1886
(GS. 1783) für Hessen-Massau.
VI. Durch den Oesindedien wird ein Wohn-
sitz nicht begründet (A#G. z. BGB. vom 20. Sept.
1899 — GSE. 177 — Art. 14 § 1 Abs. 3).
VII. Da Personen, die in einem Gesinde-
dienstverhältnisse stehen, als gewerbliche
Arbeiter im Sinne des Tit. VII der GewO.
nicht anzusehen sind, sind sie zur Führung
eines Arbeitsbuchs nicht verpflichtet — Auzf-
Anw. z. GewO. vom 1. Mai 1904 — HM B-1.
118 — Ziff. 182). Wegen der Vertretungs-
verbindlichteit der Dienstherrschaft für die
von dem G. hinterzogenen indirekten Steuern
und die von ihm dafür verwirkten Geldstrafen
s. Subsidiarhaft.
Gesindedienstbücher. Die Einrichtung beruht
auf der V. vom 29. Sept. 1846 wegen Einführung
von Gesindedienstbüchern (GS. 467), dem G.,
betr. die Aufhebung der Abgaben von solchen,
vom 21. Febr. 1872 (GS. 160) und der Instr. zur
Ausführung dieses G. vom 26. Febr. 1872
(MBl. 79). Danach hat jeder Dienstbote,
welcher in Gesindedienste tritt oder die Dienst-
herrschaft wechselt, sich mit einem G. nach be-
stimmtem Formular zu versehen. Dieses Buch
ist vor Antritt des Dienstes zur Ausfertigung
durch Ausfüllung der ersten Seite unter Bei-
druch des amtlichen Siegels (Stempels) der
Polizeibehörde des Aufenhaltsorts vorzulegen,
von welcher dabei zu prüfen ist, ob der die
Ausfertigung Nachsuchende zur Eingehung von
Gesindeverhältnissen berechtigt ist oder die
dazu erforderliche Genehmigung erhalten hat
(s. Gesinde U), und, wenn es hieran fehlt,
die Ausfertigung abzulehnen ist. Gegen die
Verweigerung der Ausfertigung findet nicht
nur die Beschwerde, sondern auch die Ver-
waltungsklage statt (OVG. 24, 410). Beim
Dienstantritt ist das Buch der Dienstherrschaft
zur Einsicht zu übergeben. Durch Regierungs-
polizeiverorbnung kann die Unterlassung der
Anschaffung des G. mit Strafe bedroht werden
(Erl. vom 5. Jan. 1854 — Ml. 13). Bei
Entlassung des Gesindes ist von der Dienst-
herrschaft ein vollständiges Zeugnis über die
Führung und das Benehmen des Gesindes in
das Buch einzutragen. Weigert sich der Dienst-
bote, das Buch zu dem Zwecke der Herrschaft vor-
zulegen, oder die Herrschaft, das Zeugnis ein-
zutragen, so hönnen sie hierzu durch polizeiliche
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Verfügung zwangsweise angehalten werden.
Wegen des Inhalts des Zeugnisses s. die 8§ 171
bis 173 der Gesindeordnung vom 8. Aov. 1810 so-
wie Artinel Gesindeordnungen a. E. Ge-
richtliche Bestrafungen des Gesindes sollen von
der Strafvollstrechungsbehörde (Staatsanwalt
bzw. Amtsrichter) in das G. eingetragen werden.
Geht ein G. verloren, so ist ein neues aus-
zufertigen, in welchem der Verlust des früheren
zu vermerken ist. Der Dienstbote, welchem ein
ungünstiges Zeugnis erteilt worden ist, kann
die Ausfertigung eines neuen G. beantragen,
wenn er nachweist, daß er sich während zweier
Jahre nachher tadellos und vorwurfsfrei ge-
führt hat. Ist das Buch ausgefüllt, so kann
das Gesinde verlangen, daß es dem neuen
vorgeheftet werde. Jedes in Preußen amttlich
ausgefertigte G. Kann im ganzen Umfange der
Monarchie zur Eintragung von Dienstzeugnissen
gebraucht werden, ebenso jedes in einem
anderen deutschen Bundesstaate ausgefertigte
(BRBeschl. vom 28. Febr. 1873 — Al.
122). Die Ausfertigung der G. und die Zeug-
nisse in ihnen sind kosten= und stempelfrei.
Die Herstellung und der Verkauf der Bücher
sind der Privatindustrie überlassen. Das Dienst-
buch ist kein Gegenstand des Zurüchbehaltungs-
rechts der Herrschaft gegenüber dem Gesinde.
Wegen der Bestrafung der falschen Anfertigung
oder Fälschung von Dienstbüchern, des Ge-
brauchs eines solchen Dienstbuchs oder des-
jenigen eines anderen oder der Uberlassung
des Dienstbuchs an einen anderen s. 8 363
St SB. sowie RSt. 8, 37; 10, 165.
Gesindeordnungen. Die Rechtsverhältnisse
des Gesindes (s. d.) sind wegen ihrer Eigenart
und Wichtigkeit und der Verschiedenheit der
bei ihnen maßgebenden wirtschaftlichen und
sozialen Verhältnisse schon frühzeitig und viel—
fach durch besondere Ordnungen geregelt wor—
den. Das ALR. enthielt für den damaligen
Umfang des preuß. Staates gesinderechtliche
Vorschriften im Teil II Tit. 5 §§ 1—176. An
deren Stelle trat die G. vom 8. Aov. 1810,
welche später auf alle Teile des preuß. Staates,
in die das ALR. eingeführt wurde, ausge-
dehnt worden ist. Sie wurde jedoch mittels
V. vom 21. Sept. 1847 (GS. 356) in den
Kreisen Rees und Duisburg durch die G.
für die Rheinprovinz ersetzt, so daß die G.
vom 8. çMov. 1810 dort nicht gilt, obwohl da-
selbst das ALR. bis zum 1. Jan. 1900 Geltung
hatte. Innerhalb des altpreuß. Staates er-
gingen dann am 19. Aug. 1844 die G. für die
Rheinprovinz (GS. 410) und am 11. Aug.
1845 die für Neuvorpommern und Rügen
(GS. 391). Die später erworbenen Landes-
teile, und zwar sowohl die hohenzoll. Lande
als die 1866 einverleibten Gebiete, haben
mit Ausnahme der Teile der Prov. Hessen-
Aassau, welche früher zu Bayern, zum Groß=
herzogtume Hessen und zur Landgrasschaft
Hessen-Homburg gehörten, besondere gesinde-
rechtliche Vorschriften. Die G. von 1810 gilt
auch in den deutschen Konsulargerichtsbezirken
(Gesetz vom 7. April 1900 — NEsBl. 213 —
§ 19 Ziff. 1) und in den deutschen Schutzgebieten
(Gesetz vom 2. Juli 1899 — Ro#l. 813 — 9 3).
Das BE## hat grundsätzlich die landesgesetz=