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Hiergegen ist nur die Beschwerde an den
berpräsidenten zulässig (AusfAnw. z. Gew.
Ziff. 73); b) für das Anbieten landesgebräuch-
licher gewerblicher Leistungen (s. d.), in der
Umgegend bis zu 15 km vom Wohnorte
(HGew O. § 59 Abs. 1 Ziff. 2); für das Dar-
bieten von Lustbarkeiten ohne höheres Runst-
interesse ist jedoch immer ein Wandergewerbe-
schein erforderlich (Erl. vom 22. Febr. 1885 —
AMhl. 56); c) für das Feilbieten von selbst-
gewonnenen Erzeugnissen oder selbstverfertigten
Waren, die nach Landesgebrauch zu Wasser
angefahren sind, vom Fahrzeug aus (Gew.
§ 59 Abs. 1 Ziff. 3); ch für das Feilbieten von
Waren mit Erlaubnis der Ortspolizeibehörde
bei öffentlichen Festen, Truppenzusammen-
ziehungen oder anderen außergewöhnlichen
Gelegenheiten (GewO. 8§ 59 Abs. 1 Ziff. 1).
Die Landesregierungen (Zentralbehörden, Lan-
despolizeibehörden) können in weiterem Um-
fange den Gewerbebetrieb ohne Wander-
gewerbeschein mit Gegenständen des gemeinen
Gebrauchs gestatten (GewO. 8 59 Abs. 2), je-
doch nicht für solche Gegenstände, die vom
G. i. U. ausgeschlossen sind (Erl. vom 29. Jan.
1885 — M.l. 53). Der Gewerbebetrieb ohne
Wandergewerbeschein kann in den Fällen
à bis c verboten werden, wenn die Voraus-
setzungen vorliegen, unter denen ein Wander-
gewerbeschein versagt werden muß (Gew.
8 59 a). Zuständig ist der KrA. in Stadt-
hkreisen und in den zu einem Landbkreise ge-
hörigen Städten mit mehr als 10000 Einw.
der BezA. auf Klage der Ortspolizeibehörde
(V. vom 31. Dez. 1883 — GS. 1884, 7 — 8S 4e).
2 Erteilung, Versagung, Zurüchnahme:
Anträge auf Erteilung von Wandergewerbe-
scheinen können sowohl bei der Ortspolizei-
behörde des Wohnortes als auch bei der Orts-
polizeibehörde des Aufenthaltsortes angebracht
werden; diese hat den Antrag an die Orts-
polizeibehörde des Wohnorts weiterzugeben.
Die Ortspolizeibehörde hat durch vorgeschrie-
bene Muster die persönlichen Verhältnisse des
Gewerbetreibenden, soweit sie für die Erteilung
des Wandergewerbescheins von Bedeutung sind,
aufzuklären und den Antrag mit dem Ergebnis
der Ermittlungen dem BezU. — im LP.
Berlin dem Polizeipräsidenten (86. 88 117,
161; G. vom 23. Juni 1900 — GS. 247 —
8 2 Ziff. 4) — vorzulegen. Stehen dem Antrage
Bedenken nicht entgegen, so fertigt die Be-
hörde mit tunlichster Beschleunigung den
Wandergewerbeschein kosten= und stempelfrei
aus. Dieser ist sodann an die Finanzabtei-
lung der Regierungen (im Stadtkreise Berlin
an die Verwaltung der direkten Steuern) zu
übersenden, welche den mit dem Wander-
Lewerbeschein in der Regel zu verbindenden
Gewerbeschein (s. d.) ausfertigt, der betreffen-
den Kasse zur Einziehung der Gewerbesteuer
zugehen läßt und den Antragsteller benach-
richtigt, daß er den Schein dort gegen Zah-
lung der weranlagten Steuer in Empfang
nehmen bönne. ill ein inländischer Ge-
werbetreibender das Gewerbe nicht in Preußen
betreiben, so hat der BezA. (im LPB. Berlin
der Polizeipräsident) den Schein mit dem
Vermertke, daß das Gewerbe nicht in Preußen
Gewerbebetrieb im Umherziehen.
betrieben werden soll und deshalb eine Ge-
werbesteuer in Preußen nicht zu entrichten
sei, zu versehen und den Wandergewerbeschein
dem Antragsteller unmittelbar zugehen zu
lassen. Abgesehen von den Fällen, wo es
sich um den Gewerbebetrieb mit verbotenen
Gegenständen oder Leistungen handelt (s. u. IIh),
muß der Wandergewerbeschein versagt
werden, wenn der Nachsuchende mit einer ab-
schrechenden oder anstechenden Krankheit be-
haftet oder in einer abschreckenden Weise ent-
stellt ist, unter Polizeiaufsicht steht, wegen
strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht gegen
das Eigentum, gegen die Sittlichkeit, wegen
vorsätzlicher Angriffe auf das Leben und die
Gesundheit der Menschen, wegen Land= oder
Hausfriedensbruchs, wegen Widerstands gegen
die Staatsgewalt, wegen vorsätzlicher Brand-
stiftung, wegen Zuwiderhandlungen gegen
Verbote oder Sicherungsmaßregeln, betreffend
Einführung oder Verbreitung ansteckender
Krankheiten oder Biehseuchen, zu einer Frei-
heitsstrafe von mindestens drei Monaten ver-
urteilt ist, und seit Verbüßung der Strafe
drei Jahre noch nicht verflossen sind oder
wegen gewohnheitsmäßiger Arbeitsscheu, Bette-
lei, Landstreicherei, Trunksucht — die Tatsache
der Bestrafung genügt allein nicht (OVG. 28, 33)
— übel berüchtigt ist. Der Wandergewerbe-
schein muß auch versagt werden, wenn die
Ausübung des stehenden Gewerbebetriebs
untersagt ist (OVG. 46, 355). Sofern es sich
um das Darbieten von Lustbarkeiten ohne
höheres Kunstinteresse handelt, muß der
Wandergewerbeschein versagt werden, wenn
ausreichend Wandergewerbescheine für den
Regierungsbezirk erteilt oder ausgedehnt sind.
Der Wandergewerbeschein ist in der Regel
zu versagen, wenn der Nachsuchende das
25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, es
sei denn, daß er der Ernährer einer Familie
ist — das ist auch ein Ninderloser Ehemann,
der nur sich und seine Ehefrau ernährt (OV0.
vom 12. Dez. 1901 — Pr VBl. 23, 489) — oder
daß er schon mindestens vier Jahre auf Grund
behördlicher Genehmigung als Inhaber eines
Wandergewerbescheins, Gehilfe, Begleiter
(OV. 32, 345) tätig ist (Gew O. § 57a Ziff. 1).
Minderjährigen Personen kann im Wander-
gewerbescheine die Beschränkung auferlegt
werden, daß sie das Gewerbe nicht nach
Sonnenuntergang, und minderjährigen weib-
lichen Personen außerdem die Beschränkung
auferlegt werden, daß sie dasselbe nur auf
öffentlichen Wegen und Plätzen, nicht aber
von Haus zu Haus betreiben dürfen (GewO.
§ 60b Abs. 1). Der Wandergewerbeschein ist
ferner in der Regel zu versagen, wenn der
Aachsuchende blind, taub oder stumm ist oder
an Geistesschwäche leidet (GewO. 8§ 57 a Ziff. 2).
Außerdem darf der Wandergewerbeschein nach
GewO. 8§ 57b nur dann versagt werden, wenn
der Nachsuchende im Inland einen festen
Wohnsitz nicht hat, wegen der oben bezeich-
neten strafbaren Handlungen zu einer Frei-
heitsstrafe von mindestens einer Woche ver-
urteilt und seit Verbüßung der Strafe fünf
Jahre noch nicht verflossen sind (s. auch OVG.
38, 389), wegen Verletzung der auf den G. i. U.