Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gewerbefreiheit. 
schinen und durch Beschaffung von Arbeits- 
gelegenheit. Von diesen Förderungsmitteln 
sind in Preußen bis jetzt die Förderung des 
Kreditwesens (s. Zentralgenossenschafts- 
kasse), die Einrichtung von Ausstellungs- 
(gemeinsamen Verkaufs-hallen, die Uuestellung 
von Lehrlingsarbeiten (s. Ausstellungen I) 
sowie die Abhaltung von Mieisterkursen, und 
zwar von sog. großen Kursen auf die Dauer 
von acht Wochen in Hannover, Posen, Brom- 
berg, Cöln, Dortmund und Gumbinnen, und 
von sog. kleinen Kursen von kürzerer Dauer 
in Anwendung gebracht worden. Außerdem 
werden Meisterkurse bei Fachschulen in der 
Buchführung, Kostenberechnung und gewerb- 
lichen Gesetzeskunde hauptsächlich als Vor- 
bereitung für die Mieisterprüfung abgehalten. 
Auch das Genossenschaftswesen ist in gewissem 
Umfange gepflegt worden (Verwaltungsbericht 
des Landesgewerbeamts 1905). 
Gewerbefreiheit. Zu Beginn des 19. Jahrh. 
war die Befugnis zur Ausübung eines Ge- 
werbes durch mannigfache Beschränkungen 
eingeengt. Zunächst waren bestimmte Per- 
sonen oder Korporationen befugt, gewisse 
Gewerbe mit Ausschluß anderer auszuüben 
I. Gewerbeberechtigungen); mit dieser 
Befugnis waren vielfach Zwangs= und Bann- 
rechte (s. d.) verbunden. Der Betrieb der Ge- 
werbe war in der Hauptsache auf die Städte 
beschränkt, auf dem Lande, wenigstens in der 
nächsten Umgebung der Städte (sog. Bann- 
meile), durften viele Gewerbe überhaupt nicht 
betrieben werden. Die Gutsherrschaften und 
Ortsobrigkeiten hatten die Berechtigung, auf 
ihren Besitzungen Gewerbetreibende anzusetzen 
und zu konzessionieren sowie Abgaben dafür 
zu fordern. Wo Zünfte vorhanden waren, 
mußte jeder, welcher ein zunftmäßiges Ge- 
werbe betreiben wollte, sich in die Zunft auf- 
nehmen lassen. Hiermit stand in engem Zu- 
sammenhang das Verbot des gleichzeitigen 
Betriebes mehrerer Gewerbe, das auf der Er- 
wägung beruhte, daß eine einzelne Person 
nur einer Zunft angehören Rönne. Schon 
das Edikt vom 2. Aov. 1810 (GS. 79) stellte 
den Grundsatz der G. auf, indem es in 
§§ 1, 16 bestimmte, daß jeder, welcher, sei es 
in den Städten oder auf dem platten Lande, 
sein bisheriges Gewerbe fortfetzen oder ein 
neues unternehmen wolle, einen Gewerbe- 
schein zu lösen habe, daß aber der Gewerbe- 
schein dem Inhaber das Recht gebe, im ganzen 
Staatsgebiete das im Scheine benannte Ge- 
werbe zu betreiben. Der Gewerbeschein durfte 
niemanden versagt werden, der einen recht- 
lichen Lebenswandel nachweisen konnte; nur 
bei Gewerben, mit deren ungeschichtem Be- 
trieb eine gemeine Gefahr verbunden war, 
oder die eine öffentliche Beglaubigung oder 
Unbescholtenheit erforderten, war der Aachweis 
der erforderlichen Eigenschaften vorgeschrie- 
ben). Das G. vom 7. Sept. 1811 (GS. 263) 
beschränkte sich darauf, die Einschränkungen 
der G. näher zu bestimmen und teilweise 
weiter auszudehnen. In den im Jahre 1815 
wieder= oder neuerworbenen Landesteilen 
wurde das Edikt vom 2. NAov. 1810 nur nach 
seiner finanziellen Seite und das G. vom 
  
719 
7. Sept. 1811 überhaupt nicht eingeführt; die 
gewerbepolizeilichen Verhältnisse blieben dort 
unverändert bestehen, so daß in einigen Teilen 
des preuß. Staatsgebiets (z. B. in dem Ge- 
biete des früheren Königr. Westfalen und 
im Großherzogtume Berg) schrankenlose G. 
herrschte, in anderen dagegen (z. B. Herzog- 
tum Sachsen, Ober= und Niederlausitz, Neu- 
vorpommern und Rügen) die alten Zunft- 
verfassungen in der schroffsten Form fort- 
bestanden. Die PrGewO. vom 17. Jan. 1845 
(G. 41) brachte nach dem Vorbilde des Edikts 
vom 2. Nov. 1810 den Grundsatz der G. im 
ganzen Staatsgebiete zur Geltung und regelte 
insbesondere auch die Aufhebung und Ab- 
lösung der Gewerbeberechtigungen (s. Ablösung 
von gewerblichen Berechtigungen) und 
der Zwangs= und Bannrechte (s. d.). Wäh- 
rend die GewO. den freien Betrieb nur im 
öffentlichen Interesse, z. B. hinsichtlich gefähr. 
licher Anlagen und nur hinsichtlich solcher Ge- 
werbe, für deren Ausübung im Interesse des 
Publikums der Nachweis der Befähigung er- 
forderlich erschien, beschränkte, wurden durch 
die V., betr. die Errichtung von Gewerbe- 
räten und verschiedene Abänderungen der 
Gem O., vom 9. Febr. 1849 (GS. 93) der 
Beginn des selbständigen Betriebs bei den 
wichtigsten und zahlreichsten Gewerben ent- 
weder von der Aufnahme in eine Innung 
nach vorgängiger Nachweisung der Befähi- 
gung oder von der Prüfung vor einer beson- 
deren Kommission abhängig gemacht, die 
Lehrlings= und Gesellenzeit sowie die Ge- 
sellenprüfung obligatorisch vorgeschrieben, die 
Arbeitsbefugnisse und Beschäftigungsgebiete 
der wichtigeren Handwerke mit Rüchksicht auf 
die Ortsgewohnheiten abgegrenzt, das Verbot 
des gleichzeitigen Betriebs mehrerer Hand- 
werke und die Beschränkung des Verkaufs, 
von Handwerkswaren durch Nichthandwerker 
durch Ortsstatut für zulässig erklärt. Durch 
das G. vom 22. Juni 1861 (GE. 441) wurde 
der Kreis der konzessionspflichtigen Gewerbe 
eändert, und durch das G. vom 1. Juli 1861 
e. 749) die Genehmigung gewerblicher An- 
lagen neu geregelt. In den im Jahre 1866 
neu erworbenen Landesteilen wurde zunächst 
nur die Aufhebung und Ablösung der Ge- 
werbeberechtigungen nach dem Vorbilde der 
GewpO. vom 17. Jan. 1845 geregelt, die G. 
im vollen Umfange aber erst durch das G. 
vom 8. Juli 1868 (BEBl. 406) eingeführt. 
Die GewO. vom 21. Juni 1869 (BGBl. 245) 
gewährleistete die G. ursprünglich im weitesten 
Maße, indem die Zahl der konzessionspflich- 
tigen Gewerbe auf das geringste Alaß ein- 
geschränkt wurde. Die Wahrnehmung sedoch, 
daß diese weitgehenden Freiheiten im Ge- 
werbebetriebe für das Publikum schwere Mach- 
teile im Gefolge habe, gab den Anlaß, daß 
allmählich sowohl für den stehenden Gewerbe- 
betrieb (s. d.) als auch für den Gewerbebetrieb 
im Umherziehen (s. d.) die Zulassung zum Ge- 
werbe wesentlich beschränkt wurde. Außerdem 
wurde die Ausübung des Gewerbebetriebs, 
namentlich im Interesse des Schutzes der Ar- 
beiter, liefeingreifenden Beschränkungen unter- 
worfen. Die GewO. gewährleistet nur die
	        
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