Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gewerbegerichte. 
nate nach der Wahl zulässig; die Entscheidung 
erfolgt durch den BezA. (in Berlin durch 
den Overpräsidenten) bei G., die vom Pro- 
vinzialverband oder von dem kommunalstän- 
dischen Verbande der Reg.-Bez. Wiesbaden 
und Kassel errichtet sind, durch den Provinzial- 
rat (in den Hohenzollernschen Landen durch 
den Md J.). Sind Wahlen nicht zustande ge- 
kommen oder wiederholt für ungültig erklärt, 
so kann die für die Entscheidung über die Be- 
schwerden zuständige höhere Verwaltungsbe- 
hörde die Wahlen durch die zur Ernennung 
der Vorsitzenden zuständigen Stellen vornehmen 
lassen, und soweit die Wahlen von dieser Stelle 
vorzunehmen waren, die Mitglieder selbst er- 
nennen ((18). Das Amt der Beisitzer istein Ehren- 
amt und kann nur aus Gründen abgelehnt wer- 
den, aus denen die Ubernahme eines unbesolde- 
ten Gemeindeamts (s. Hemeinde-[Kommmu-= 
mal-lämter) verweigert werden kann. Wer das 
Amt sechs Jahre innehatte, kann es für die näch- 
sten sechs Jahre ablehnen. Ablehnungsgründe 
müssen schriftlich geltend gemacht werden (8§ 20). 
Ein Mitglied des G., hinsichtlich dessen Umstände 
eintreten oder bekannt werden, die die Wählbar- 
keit ausschließen, wird durch die zur Entschei- 
dung über Wahlbeschwerden zuständige höhere 
Verwaltungsbehörde des Amtes enthoben. Ein 
Mitglied, welches sich eine grobe Verletzung 
seiner Amtspflicht schuldig macht (rgl. REt. 
29, 171), Kann seines Amts durch das Land- 
gericht, in dessen Bezirk das G. seinen Sitz 
hat, enthoben werden. Die Klage wird von 
der Staatsanwaltschaft auf Antrag des Re— 
gierungspräsidenten (Oberpräsidenten) erhoben 
21; vgl. auch Erl. vom 11. März 1901 — 
5MVBl. 20). Der Vorsitzende, seine Stellver- 
treter und die Beisitzer werden nach Maßgabe 
der Bek. vom 17. Febr. 1891 (MBl. 26) ver- 
eidigt (§ 22). Das G. entscheidet in der Regel 
in einer Zusammensetzung von drei Mitgliedern, 
soweit nicht durch Statut eine Besetzung mit 
mehr Beisitzern vorgeschrieben ist. Labei 
müssen Arbeitgeber und Arbeiter stets in glei- 
cher Zahl mitwirken (8§ 24). 
Bei jedem G. besteht eine Gerichtsschreiberei. 
An Stelle des Gerichtsvollziehers können für 
die Zustellung Gemeindebeamte verwendet 
werden (§ 25). Wegen Vernichtung der Akten 
s. Erl. vom 8. Jan. 1902 (HMBl. 36). Für 
die Dienstverhältnisse der Gerichtsschreiber 
gelten lediglich die statutarischen Bestimmungen 
der Kommunalverbände (Erl. vom 11. Nçov. 
1904 — SWMBl. 472). 
V. Verfahren. Für das Verfahren sind 
im allgemeinen die Vorschriften der ZPO. 
maßgebend (§ 26). Es bestehen jedoch einige 
wichtige Abweichungen. Zuständig ist das- 
senige G., in dessen Bezirke die streitige Ver- 
pflichtung zu erfüllen ist oder sich die gewerb- 
liche Niederlassung befindet oder beide Parteien 
ihren Wohnsitz haben. Unter mehreren G. hat 
der Kläger die Wahl (8 26). Uber Gesuche 
wegen Ablehnung von Gerichtspersonen ent- 
scheidet das G. (§ 29). Bechtsanwälte und 
ersonen, die das Verhandeln vor Gericht ge- 
werbsmäßig betreiben, werden als Prozeßbe- 
vollmächtigte oder Beistände nicht zugelassen 
(§ 31). Die Zustellungen erfolgen von Amts 
  
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wegen gemäß §§ 32—34. Die zur Erledigung 
des Rechtsstreits erforderlichen Verhandlungs- 
termine werden von dem Vorsitzenden von 
Amts wegen festgesetzt. Ladungen durch die 
Parteien finden nicht statt (S 35). Nach Ein- 
gang der Klage hat der Vorsitzende einen 
möglichst nahen Termin zur Verhandlung an- 
zusetzen (§ 36). Die Verhandlungen sind öffent- 
lich, GVG. 8§8 173—179 über den Ausschluß 
der Offentlichleit und §8 176—193 a. a. O. 
über die Aufrechterhaltung der Ordnung in 
den Sitzungen — über Vollstreckung der Haft- 
strafen s. Erl. vom 14. Febr. 1898 (MIBl. 42) — 
und die Gerichtssprache finden Anwendung. 
Der Erlaß eines Versäumnisurteils erfolgt 
nach den Bestimmungen in den 8§8 39, 40. 
Erscheinen beide Parteien im Termine, so ist 
auf gütliche Erledigung des Rechtsstreits hin- 
zuwirken (§ 41). Rommt ein Vergleich nicht 
zustande, so ist über den BRechtsstreit zu ver- 
handeln. Der Vorsitzende hat dahin zu wirken, 
daß die Parteien über alle gesetzlichen Tatsachen 
sich vollständig erklären, die Beweismittel für 
ihre Behauptungen bezeichnen und sachdien- 
liche Anträge stellen. Derselbe kann das per- 
sönliche Erscheinen unter Androhung von Geld- 
strafe bis zu 100 Ml anordnen 42). Die 
Beweisaufnahme erfolgt in der Regel vor dem 
G. (6§ 43, 44). Wegen der Zeugenvernehmung 
im Auslande s. Erl. vom 13. Juli 1905 (JM- 
Bl. 154). Darüber, ob die Leistung eines zu- 
geschobenen oder zurückgeschobenen Eids durch 
bedingtes Urteil oder durch Beweisbeschluß 
anzuordnen sei, bestimmt das ericht nach 
freiem Ermessen (§ 45). Uber die Verhandlung 
vor dem G. ist ein Protokoll aufzunehmen, 
das von dem Vorsitzenden und dem Gerichts- 
schreiber zu unterschreiben ist (§ 47). Das 
Urteil ist tunlichst in dem Termin, in dem die 
Verhandlung geschlossen wird, zu verkünden 
E 48). Es muß den im § 49 bezeichneten In- 
halt haben. Die Verpflichtung zur Tragung 
der Kosten des Rechtsstreites umfaßt die Ver- 
pflichtung zur Erstattung der dem Gegner 
durch die Zuziehung eines Prozeßbevollmäch- 
tigten oder Beistandes entstandenen Auslagen 
nur unter der Gorauesebzung, daß die Hu- 
ziehung durch besondere Umstände gerechtfertigt 
war und nur in Ansehung des Betrags, wel- 
chen das Gericht für angemessen hält (§ 52). 
In dem ersten auf die Klage angesetzten Ter- 
mine kann die Zuziehung der Beisitzer unter- 
bleiben. Erscheinen beide Parteien, so hat der 
Vorsitzende einen Sühneversuch vorzunehmen. 
Bleibt die Sache streitig, so hat der Borsitzende 
die Entscheidung sofort zu erlassen, wenn dies 
angängig erscheint und beide Parteien es be- 
antragen. Andernfalls ist ein neuer Termin 
mit den Beisitzern sofort anzuberaumen (8 54). 
Gegen die Entscheidungen der G. sind die 
gleichen Rechtsmittel wie gegen Entscheidungen 
der Amtsgerichte zulässig, doch ist die Beru- 
fung an das Landgericht nur statthaft, wenn 
der Wert des Streitgegenstandes mehr als 
100 M. beträgt (§ 55). egen geschäftlicher 
Behandlung der Rechtsmittel f. Erl. vom 
11. April 1892 (JMBl. 146). Auf Mängel 
bei der Wahl der Beisitzer kann die Anfech- 
tung nicht gestützt werden, sofern nicht ein 
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