Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Beisitzer mitgewirkt hat, der zum Amt eines 
Schöffen unfähig ist (§ 56). Für die Verhand- 
lung werden Gebühren in mäßiger Höhe nach 
dem im § 58 festgesetzten Tarif erhoben. Die 
ordentlichen Gerichte haben BRechtshilfe zu 
leisten. Eine Beschlagnahme des Lohns ((. 
Lohn) wegen der Gerichtskosten ist unzulässig 
(Erl. vom 9. Nov. 1904 — HM.l. 473). 
VI. Einigungsamt. Bei Streitigkeiten 
zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über die 
Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederauf- 
nahme des Arbeitsverhältnisses kann das G. 
als Einigungsamt angerufen werden (8 62). 
Der Anrufung muß Folge gegeben werden, 
wenn sie von beiden Teilen erfolgt und von 
den Beteiligten — von den Arbeitgebern, wenn 
ihrer mehr als drei sind — Vertreter bestellt 
werden. Diese müssen beteiligt, 25 Jahre alt, 
im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte sein 
und über ihr Vermögen verfügen hönnen. 
Wird das G. nur von einer Seite angerufen, 
so soll der Vorsitzende dahin wirken, daß auch 
der andere Teil sich zur Anrufung bereit findet. 
Auch sonst soll der Vorsitzende auf die An- 
rufung hinzuwirken suchen (§§ 63—65). Der 
Vorsitzende kann, wenn die Anrufung erfolgt 
ist, am Streite beteiligte Personen unter An- 
drohung einer Geldstrafe bis zu 100 M. vor- 
laden und vernehmen. Diese können sich durch 
Stellvertreter (s. d.), Prokuristen oder Betriebs- 
leiter (s. d.) vertreten lassen (§ 66). Das Eini- 
gungsamt besteht neben dem Vorsitzenden aus 
Vertrauensmännern der Arbeitgeber und Ar- 
beiter in gleicher Zahl, die von den Beteilig- 
ten zu bezeichnen sind oder, wenn dies nicht 
geschieht, vom Vorsitzenden ernannt werden; 
sie dürfen nicht zu den Beteiligten gehören. 
Von jeder Seite müssen mindestens zwei Ver- 
trauensmänner bestimmt werden (§ 67). Das 
Einigungsamt hat durch Vernehmung der Ver- 
treter beider Teile und von Auskunftspersonen 
das Streitverhältnis aufzuklären (8§ 68) und, 
nachdem sich die Vertreter in gemeinsamer 
Sitzung ausgesprochen haben, einen Einigungs- 
versuch zu machen (8 69). Kommt eine Ver- 
einbarung zustande, so ist ihr Inhalt von allen 
Mitgliedern des Einigungsamts und von den 
Vertretern beider Teile zu unterzeichnen und 
bekanntzumachen (§ 70). Gelingt die Einigung 
nicht, so hat das Einigungsamt einen Schieds- 
spruch abzugeben; die Beschlußfassung hierüber 
erfolgt durch Stimmenmehrheit. Stehen sich 
die Stimmen der Arbeitgeber und Arbeiter 
egenüber, so gibt der Vorsitzende den Ausschlag. 
ie Vertreter haben sich über den Schiedsspruch 
zu erklären, erfolgt binnen der bestimmten Frist 
keine Antwort, so gilt die Unterwerfung unter 
den Spruch als abgelehnt (88 71, 72). 
VII. Gutachten und Anträge. Das Ce ist 
verpflichtet, auf Ansuchen der Staatsbehörden 
oder des Vorstands des Kommunalverbandes, 
für den es errichtet ist, Gutachten über gewerb- 
liche Fragen abzugeben; es ist berechtigt, An- 
träge und gewerbliche Fragen an Behörden, an 
Vertretungen von Kommunalverbänden und an 
die gesetzgebenden Körperschaften der Bundes- 
staaten und des Reichs zu richten (8 75). 
VII. Besondere Arten der G. 1. Innun- 
gen (Organe zur Entscheidung von Lehrlings- 
  
  
Gewerbeinspektoren — Gewerbekammern. 
streitigkeiten) s. freie Innungen VI. 2. Iu- 
nungsschiedsgerichte (s. d.). 3. Berggewerbe- 
Kerichte. Sie sind durch den HMl. in Beuthen 
berschl., Waldenburg i. Schl., Dortmund, Saar- 
brüchen und Aachen für die Entscheidungen 
von Streitigkeiten der in Bergwerken, Salinen, 
Aufbereitungsanstalten und unterirdisch be- 
triebenen Brüchen und Gruben beschäftigten 
Arbeiter mit ihren Arbeitgebern errichtet. Die 
Berggewerbegerichte verfahren nach den Vor- 
schriften des GewEb G. In ihrer Zusammen- 
setzung besteht insofern eine Abweichung, als 
der Vorsitzende und seine Stellvertreter vom 
HM. ernannt werden. Die Kosten trägt der 
Staat, soweit die Einnahmen nicht ausreichen 
(HGewo##. 8§ 82). 4. Kgl. G. in der Rheinpro= 
vinz. Sie sind nach Maßgabe des G. vom 
11. Juli 1891 (GS. 311) umgestaltet. Ihre Or- 
ganisation und ihr Verfahren weicht in eini- 
en Punkten von der Organisation und dem 
erfahren der G. ab. Den Vorsitzenden und 
seine Stellvertreter ernennt der Regierungs- 
präsident. Uber die Rechtsgültigkeit der 
Wahlen entscheidet der Bez A., der auch ord- 
nungswidrige Wahlen für ungültig zu erklären 
hat. Sind Wahlen wiederholt für ungültig 
erklärt oder nicht zustande gekommen, so er- 
nennt der Regierungspräsident die Beisitzer. 
Uber die Ablehnung des Amtes entscheidet der 
BezA. Die Gewährung von Reisekosten und 
einer Entschädigung für Zeitversäumnis wird 
durch das Regulativ geregelt, das vom HÖM. und 
JM. erlassen wird. Uber die Enthebung eines 
Beisitzers aus dem Amt entscheidet der Bez. 
auf Klage des Regierungspräsidenten. er 
Vorsteher der Gerichtsschreiberei wird vom G. 
mit absoluter Majorität gewählt, seine Ent- 
lassung kann nur auf Grund eines mit Zwei— 
drittelmajorität gefaßten Beschlusses erfolgen. 
Wahl und Entlassung bedürfen der Genehmi- 
gung des Regierungspräsidenten. Der Klage 
muß der Versuch einer gütlichen Einigung vor 
der Vergleichskammer, die aus einem Arbeit- 
geber und Arbeiter besteht, vorausgehen. Die 
osten für die Geschäftsräume und ihre In- 
standhaltung haben die Gemeinden aufzubrin- 
gen, in deren Bezirke das G. seinen Sitz hat. 
Die übrigen Kosten werden durch Zuschläge 
zur Gewerbesteuer der wahlberechtigten und 
gewerbesteuerpflichtigen Gewerbetreibenden des 
Bezirkes aufgebracht. Die Umlage erfolgt durch 
das G. und bedarf der Genehmigung des Re- 
gierungspräsidenten. 
IX. Statistik. AUber die Tätigkeit der G. 
haben die Regierungspräsidenten nach Maßgabe 
der Erl. vom 1. Juli 1902 (5PM l. 274) und vom 
23. Sept. 1905 (HMl. 300) alljährlich Uber- 
sichten ein zureichen. 
S. auch Gemeindevorsteher (Mitwir- 
kung bei Entscheidung gewerblicher 
Streitigkeiten). 
Gewerbeinspektoren s. Gewerbeaufsicht, 
Gewerbeaufsichtsbeamte. 
Gewerbekammern. Die Errichtung von G., 
die aus Vertretern der Landwirtschaft, des 
Handwerks, der Industrie und des Handels 
zusammengesetzt waren, wurde durch Erl. vom 
24. Juli 1884 für Preußen angeregt. Es sollte 
für seden Regierungsbezirk eine G. bestehen.
	        
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