Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gewerbekrankheiten 
Die Mittel sollten von den Provinzialland— 
tagen bewilligt werden, die auch die Vertreter 
wählten. Die Einrichtung ist entweder in ein— 
zelnen Provinzen nicht zustande gekommen oder 
mit der Zeit eingegangen, weil die Provinzial- 
landtage Mittel nicht bewilligten und sich auch 
die Beratungen als wenig nutzbringend er- 
wiesen. Die in mehreren außerpreußischen 
Staaten (z. B. Hansestädte, Königr. Sachsen) 
beim Inkrafttreten der Nov. z. GewO. vom 
26. Juli 1897 (Röl. 663) bestehenden G. haben 
sich durchweg auf Grund der Gew. 8 1030 
in Handwerkskammern (s. d.) umgewandelt. 
Gewerbekrankheiten sind körperliche Schä- 
den, die unter dem Einfluß ungesunder Be- 
triebsstätten oder ungesunder Betriebsarten 
allmählich entstehen. Sie begründen heinen 
Anspruch auf Unfallrente (Handbuch für Unfall- 
versicherung S. 28 ff.; RGZ. 21, 77; 44, 253). 
Zur Bekämpfung der G. durch Gesundung 
der Betriebsverhältnisse bieten die Vorschriften 
der GewO. §§ 120a— 120e die erforderlichen 
Handhaben. 
Gewerbelegitimationskarte (GewO. § 44a 
Abs. 6). Einer Legitimationskarte (s. d.) be- 
dürfen diejenigen Gewerbetreibenden nicht, 
welche durch eine G., wie sie in den Handels- 
verträgen regelmäßig für die Handlungsreisen= 
den der vertragschließenden Staaten vereinbart 
wird, legitimiert sind. Das Formular der in 
den Handelsverträgen vorgesehenen G. wird 
unter Berücksichtigung der in den Verträgen 
vereinbarten Formulare alljährlich vom Reichs- 
amte des Innern festgesetzt. Diese Karten 
elten zurzeit in Deutschland, Luxemburg, 
elgien, Italien, Osterreich-Ungarn, Rumänien, 
Rußland, Schweiz, Serbien, Spanien und 
Portugal. Das Formular der G. für aus- 
ländische Handlungsreisende, die Staaten an- 
gehören, denen das Recht der Meistbegünsti- 
gung zugestanden ist, ist durch Beschluß des 
BR. feftgesetzt (R#ek. vom 27. NAov. 1896, 
IIB Ar. 2 — BEBl. 745). Mit Frankreich 
sind besondere Formulare für G. vereinbart 
(L. Vereinbarung zwischen dem Deutschen Reich 
und Frankreich über die gegenseitige Behand- 
lung der Handlungsreisenden vom 2. Juli 1902 
— REil. 1903, 47 — mit Erl. vom 9. Mai und 
5. Aug. 1903 — HMHBl. S. 198, 275). Dänische 
Handlungsreisende haben Anspruch auf eine 
G., die in Preußen, Oldenburg und Mecklen- 
burg-Schwerin gültig ist (Erl. vom 5. April 
1905 — HMl. 92); für die übrigen Staaten 
bedürfen sie eines Wandergewerbescheins (Erl. 
vom 15. Jan. 1906 — HM.Bl. 78). Die Aus- 
stellung der G. erfolgt durch die Behörden, die 
ur Ausstellung von Paßtarten (s. d.) befugt sind 
UAuefünw. 3z. GewO. vom 1. Mai 1904 — HMBl. 
123 — Ziff. 37). Ein Verzeichnis der hiernach 
zuständigen Behörden ist durch Erl. vom 16. März 
1906 sn# 154) mitgeteilt. Für das Ver- 
fahren bei der Ausstellung, die Rechtsmittel 
und die Bestrafung gelten, soweit es sich 
um Inländer handelt, die für Legitimations= 
karten maßgebenden Bestimmungen. Für die 
ausländischen Handlungsreisenden, die Ver- 
tragsstaaten angehören, gelten in dieser Be- 
ziehung die Vorschriften der Handelsverträge, 
während für diejenigen ausländischen Hand- 
  
  
— Gewerbeordnung. 
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lungsreisenden, die auf Grund eines Meistbe- 
günstigungsvertrags zur Führung einer G. 
berechtigt sind, hinsichtlich der Erteilung, Ver- 
sagung und Zurüchnahme der G. die Vor- 
schriften über den Gewerbebetrieb im Umher- 
ziehen der Inländer mit der Maßgabe An- 
wendung finden, daß der Mangel eines in- 
ländischen Wohnsitzes als Versagungsgrund 
fortfällt und daß die Anordnungen der Be- 
hörden bei Ausstellung der G. sowie bei Aus- 
übung des Gewerbebetriebes nur mittels Be- 
schwerde an die unmittelbar vorgesetzte Auf- 
ichtsbehörde angefochten werden können (Ret- 
ek. vom 27. Aov. 1896 IIB). G. unterliegen 
einem Stempel von 1 Ml (Töt. 26 LSt). 
Gewerbemuseum (Kunstgewerbe) s. Mu- 
seen I 4. 
Gewerbeordnung. I. Preußische Gesetz- 
gebung. Bis zum Anfange des 19. Jahrh. 
beschränkte sich die Gesetzgebung darauf, die 
Mißbräuche, die sich in den Zünften und durch 
die Beschränkung des Gewerbebetriebes auf 
die Städte herausgebildet hatten, zu bekämpfen. 
Insbesondere erfolgte im Anschluß an den 
Reichsbeschluß über Abstellung von Zwangs- 
mißbräuchen vom 4. Sept. 1731 eine voll- 
ständige Revision aller Zunft= und Innungs- 
statuten. Die erste grundlegende Reform wurde 
durch das Edikt über die allgemeine Einfüh- 
rung einer Gewerbesteuer vom 2. Nov. 1810 
(GS. 79) eingeleitet, das den Grundsatz der 
Gewerbefreiheit aufstellte und eine Beschrän- 
kung des Betriebes einzelner Gewerbe nur aus 
gesundheits= oder sicherheitspolizeilichen Grün- 
den zuließ. Diese Einschränkungen wurden 
durch das G. über die polizeilichen Verhält- 
nisse der Gewerbe vom 7. Sept. 1811 (GS. 
263) näher bestimmt und zum Teil weiter aus- 
gedehnt. In den im Jahre 1815 neu= und 
wiedererworbenen Landesteilen wurden die 
gewerbepolizeilichen Bestimmungen des Edikts 
vom 2. Aov. 1810 und das G. vom 7. Sept. 
1811 nicht eingeführt, vielmehr blieb der 
gesetzliche Zustand unberührt erhalten. Uber 
die Regelung des Gewerbebetriebes ergin- 
gen demnächst einige Bestimmungen, die den 
dringendsten Bedürfnissen auf gewerbepolizei- 
lichem Gebiet entsprachen, und zwar das 
Regul. über den Gewerbebetrieb im Um- 
herziehen vom 28. April 1824 (GS. 127), 
das Regul. über die Beschäftigung jugendlicher 
Arbeiter in Fabriken vom 9. Aärz 1839 (GS. 
156). Die KabO. über den Kleinhandel mit 
Getränken und den Betrieb des Gast= und 
Schankwirtschaftsgewerbes vom 28. Okt. 1827 
(GS. 174), vom 7. Febr. 1835 (GS. 18) und 
vom 21. Juni 1844 (G S. 214). Erst die Gew). 
vom 17. Jan. 1845 (GES. 41) dehnte die 
Grundsätze des Edikts vom 2. Nov. 1810 und 
des G. vom 7. Sept. 1811 auf das ganze 
Staatsgebiet aus und beseitigte zugleich in der 
Hauptsache die ausschließlichen Gewerbeberechti- 
gungen (s. d.) und die Zwangs= und Bann- 
rechte (s. d.) mit Ausnahme der Abdeckereibe- 
rechtigungen (s. Abdecker). Die Entschädi- 
gungsfrage wurde durch das G. vom 17. Jan. 
1845 (GS. 79) geregelt. Der mit der Allerh V. 
vom 7. Febr. 1849 (GS. 98) über die Errichtung 
von Gewerberäten und verschiedene Abände-
	        
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