Gewerbeordnung.
III. Anwendungsgebiet der Gewo).
Dieses fällt keineswegs mit dem Begriffe „Ge-
werbe“ (s. d.) zusammen, indem entweder Ver-
richtungen, die begrifflich eine gewerbsmäßige
Sätigh eit darstellen, von den Vorschriften der
GewO. nicht erfaßt oder nicht gewerbsmäßige
Verrichtungen der GewO. ausdrücklich unter-
stellt sind. Zunächst fallen nach allgemeiner
Anschauung nicht unter die GewO. die Land-
und Forstwirtschaft (Haupt= und Aebenbe-
triebe), der Garten= und Weinbau, die
freien Künste, mit Ausnahme der Schau-
spielunternehmer die als gewerbliche Unter-
nehmer anzusehen sind (GewO. § 32; RGg.
37, 66; 41, 55), die persönlichen Dienst-
leistungen höherer Art, sowie der Hof-,
Staats-, Gemeinde-, Kirchen= usw. Dienst
und der Gesindedienst. Die wissenschaftliche
Vorbildung schließt aber den Begriff des Ge-
werbetreibenden nicht aus; ein Architekt oder
Ingenieur wird insoweit zum Gewerbetreiben-
den, als es sich um Leistungen handelt, bei
denen ein höheres künstlerisches oder wissen-
schaftliches Interesse fehlt (OV. 25, 365).
Rechtsanwälte sind Reine Gewerbetreibende
(OVE. 15, 41 und B683. 39, 137; anders
RGZ. 55, 167). Gerichtsvollzieher sind
unmittelbare besoldete Staatsbeamte (OW.
18, 105); auch soweit sie gewerbsmäßig Auk-
tionen abhalten, finden die Bestimmungen
der GewO. auf sie keine Anwendung (8 l
18, 214; s. auch Mot. zur Nov. z. GewO.
vom 1. Juli 1883, RTDrucks. Nr. 5 S. 20).
Die beeidigten Auktionatoren in Ostfries-
land, Harlingerland und im Reg.-Bez. Osna-
brück sind Beamte (FGO###. vom 21. Sept.
1899 Art. 125 — GS. 249). Als landwirt-
schaftlich ist ein Betrieb dann anzusehen,
wenn die Landwirtschaft die ausschließliche oder
hauptsächliche ökonomische Grundlage bildet,
mit andern Worten wenn der Betrieb auf
Rechnung des Landwirts mit seinen selbstge-
wonnenen Rohstoffen stattfindet (R Z. 1, 265).
Landwirtschaftliche Aebenbetriebe,
welche ausschließlich selbstgewonnene oder nur
zeitweise geringe Mengen nicht selbsterzeugter
ohstoffe verarbeiten, fallen nicht unter die
GewO., selbst wenn die Verarbeitung fabrik-
mäßig erfolgt (Rö St. 18, 371; 22, 288; 36,
305; Erl. vom 14. Vov. 1894 — MBl. 218).
Eine Flachsschwingerei, welche in ge-
schlossenen Räumen unter Anwendung von
Maschinenkraft und Beschäftigung einer größe-
frren Zahl von Arbeitern in stetigem Betrieb
ist, aber nur den von dem Besitzer auf eigenem
Grund und Boden gebauten Flachs verarbeitet,
ist ein land wirtschaftlicher Mebenbetrieb (RSt.
18, 371). Dagegen ist eine Molkereige-
nossenschaft im Sinne des RG. vom 1. Mai
1889, in der die selbstgewonnene Milch der
Mitglieder der Genossenschaft verarbeitet wird,
eine Fabrik, da die Genossenschaft ein von den
einzelnen Mitgliedern verschiedenes BRechts-
subjekt ist (R St. 22, 288). Eingetragene
Genossenschaften, welche Landwirtschaft,
z. B. Obstzucht betreiben, sind als land-
wirtschaftliche Betriebe anzusehen. Gärtne-
reien, die sich in der Hauptsache auf die Pro-
duktion und den Verkauf selbstgezogener
727
Blumen, Sträucher oder sonstiger gärtnerischer
Erzeugnisse beschränken, sind als landwirt-
schaftliche Betriebe anzusehen und fallen nicht
unter die GewO. Sind aber die feilgebotenen
gärtnerischen Erzeugnisse nicht selbstgewonnen,
oder findet der Verkauf in einem offenen
Laden statt, oder werden die Produkte für
den Verkauf bearbeitet (Kranz= und Blumen-
bindereien), so liegt ein Gewerbebetrieb vor.
Bei den Kunst= und Handelsgärtnereien,
namentlich in Städten, spricht zumeist die Ver-
mutung dafür, daß eines der Merkmale des
gewerblichen Gewerbebetriebs vorliegt (Erl.
vom 20. Jan. 102 — HMhl. 44 — und vom
17. Mai 1893; K #J. 22 C 19).
Zu den Gewerben im Sinne der Gew)O. sind
ferner nicht zu rechnen die Fischerei, die Er-
richtung und Verlegung von Apotheken, die
Erziehung von Kindern gegen Entgelt (s.
Haltekinder), das Unterrichtswesen — dazu
gehört auch der Tanzunterricht (Erl. vom
10. Dez. 1880 — MhI. 24) —, die advokato-
rische und Notariatspraxis, der Gewerbebetrieb
der Auswanderungsunternehmer und Aus-
wanderungsagenten, der Versicherungsunter-
nehmer und der Eisenbahnunternehmungen,
die Befugnis zum Halten öffentlicher Fähren
und die Rechtsverhältnisse der Schiffsmann=
schaft auf Seeschiffen. Bestritten ist die Frage,
ob die Reparatur= und Maschinenwerkstätten
sowie die Hilfsgewerbe der Eisenbahn (Bahn-
hofsbuchhandel, Bahnhofsrestaurationen usw.)
als Gewerbe im Sinne der GewO. anzusehen
seien. N-euerdings neigt die Rechtsprechung
dazu, den gesamten Eisenbahnbetrieb mit Werk-
stätten und Hilfsgewerben der GewO. nicht zu
unterstellen (ogl. Erl. vom 18. Febr. 1905 —
HMI. 44). Der Bahnhofsbuchhandel und die
Schanbwirtschaft werden, soweit sie innerhalb
der Bahnsteigsperre betrieben werden, als nicht
unter die GewO. fallend angesehen (Erl. vom
25./27. Juli 1905 — A.Bl. 134, 136). Wegen
der Wme ob der Betrieb von Fähren unter
die GewO. fällt, s. Fähren II. Auf das Berg-
wesen, die Ausübung der Heilkunde, den Ver-
kauf von Arzneimitteln, den Vertrieb von Lot-
terielosen und die Viehzucht findet die GewO.
nach § 6 a. a. O. nur insoweit Anwendung, als
"t6 ausdrückliche Bestimmungen darüber enthält.
on den Bestimmungen der GewO. gelten
danach für das Bergwesen (s. Bergwerke)
die Vorschriften über Markscheider (s. d.), Sonn-
tagsruhe (s. d. im Gewerbebetriebe), Lohn-
zahlung (s. Lohn), Beschäftigung von jugend-
lichen Arbeitern (s. d.) und von Arbeiterinnen (s. d.)
und über die Koalitionsfreiheit. Für die Aus-
übung der Heilkunde sind maßgebend die Be-
stimmungen über die Approbation der Arzte
(68§ 29, 40, 53, 54), das Prüfungszeugnis der
Hebammen (88 30, 40, 53, 54), das Verbot der
Ausübung der Heilkunde im Umherziehen durch
nicht approbierte Personen (§ 56a Abs. 1 Ziff. 1),
und über Taxen (§ 80). Hinsichtlich des Ver-
kaufs von Arzneimitteln bestimmt die Gew).,
daß die Apothekerwaren, die dem freien Ver-
kehr überlassen sind, durch Kais. V. bezeichnet
werden (§ 6 Abs. 2), ferner regelt sie die Ap-
probation der Apotheker (8 29, 40, 53, 54),
das Verbot des Feilbietens von Arzneimitteln