Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gewerbesteuer. 
Wanderlager= und die Warenhaussteuer. Vgl. 
Hausiergewerbe Gesteuerung), Eisen- 
bahnabgabe, Wanderlagersteuer, 
Warenhaussteuer. Im engeren, von der 
preuß. Gesetzgebung aßkzeptierten Sinne, in 
dem sich dieser Artikel mit der G. befaßt, 
versteht man hierunter nur die allgemeine G. 
von den stehenden Gewerben. 
II. Geschichte. In Preußen führte das 
Edikt über Einführung einer allge- 
meinen G. vom 2. Nov. 1810 (GS. 79) eine 
in Form der Einlösung eines Gewerbescheins 
zu entrichtende G. ein, der aber nicht nur die 
Gewerbetreibenden, sondern auch Pähchter, 
landwirtschaftliche und gewerbliche Beamte, 
Hausoffizianten und die sog. liberalen Berufe 
unterlagen. Umgekehrt beschränkte sich die an 
deren Stelle tretende G. nach dem G. vom 
30. Mai 1820 (G. 147) auf gewisse Gewerbs- 
arten, die „für vorzüglich gewinnreich geachtet 
wurden“, oder zu denen „verhältnismäßig gegen 
den Bedarf ein besonders starker Andrang 
besteht“ (Hoffmann, Lehre von den Steuern, 
S. 189). Die Besteuerung erfolgte in nach der 
Art des Gewerbes unterschiedenen, mit Buch- 
stabeen bezeichneten Klassen: A. Handel mit 
RKaufmännischen Rechten, B. Handel ohne solche, 
C. Gast-, Schank= und Speisewirtschaft sowie 
gewerbemäßiges Vermieten möblierter Zimmer, 
u Bächerei, E. Fleischerei, F. Brauerei, 
Brennerei, H. Handwerk, I. Müllerei, K. Schiff- 
fahrt, Fuhrwerks= und Pferdeverleihgewerbe, 
L. Hausiergewerbe. In den Klassen A—E ist 
die Steuer ceteris paribus verschieden hoch je 
nach dem Betriebsort: die Betriebsorte 
werden nämlich nach ihrer Wohlhabenheit 
und Gewerbsamkeit in vier Abteilungen 
eingeteilt. In den Klassen A—C, H und bei 
ßD und E in den beiden untersten dieser Ab- 
teilungen (III und IV) haben in jeder Klasse 
die Gewerbetreibenden eines Orts, in Ab- 
teilung IV jedes Kreises soviel Mal einen ge- 
setzlich bestimmten Mittelsatz aufzubringen, 
als ihre Zahl beträgt; diese „Steuersumme“ 
wird — in den Klassen A, C, D und E, nach 
Anordnung der Regierung auch in B und lH, 
unter Mitwirktung von Abgeordneten den 
Steuerpflichtigen — nach dem Gewerbs- 
umfang unter Innehaltung bestimmter Mini- 
malsätze und Abstufungen auf die einzelnen 
Pflichtigen verteilt. In Orten der beiden ersten 
Abteilungen haben die Steuerpflichtigen der 
Klassen D und E als Steuersumme einen ge- 
wissen Pfennigbetrag, multipliziert mit der 
Bevölkerungszahl, aufzubringen und diese 
Summe wird nach dem Geschäftsumfang ver- 
teilt. Bei Fuund 6 bildet der Malz= bzw. 
Schrotverbrauch das Merkmal der Besteuerung, 
bei 1 Bauart, Zahl der Mahlgänge, Stampfen 
und Sägegatter, bei K Tragfähigkeit der Schiffe 
und Zahl der Pferde. Das G. vom 30. Mai 
1820 hat, durch eine Reihe von Novellen ge- 
ändert, bis zum GewSto. vom 24. Juni 1891 
die Grundlage der Gewerbebesteuerung ge- 
bildet. Die Novellen, die sich überwiegend in 
der Richtung einer Zurückdrängung der Ge- 
werbsarten als Merhmal der Klasseneinteilung 
ugunsten des Gewerbsumfangs und einer 
inderung des Einflusses des Betriebsorts 
  
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auf die Höhe der Steuer bewegten, waren 
folgende: 1. KabO. vom 9. Jan. 1823 (GS. 16) 
befreit den Bergbau-, Hütten= und Hammer- 
werksbetrieb von der G.; 2. KabO. vom 
10. Jan. 1824 (v. Kamptz 8, 48) befreit mit 
Rüchsicht auf die Maischraumsteuer die Brennerei 
von der G.; 3. KabO. vom 1. Mai 1824 
(G. 121) ermäßigt die Steuer der Kahn= und 
Lichterschiffer; 4. Kab O. vom 11. Juni 1826 
(6S. 61) und 3. Mai 1828 (GS. 64) unter- 
werfen Apotheken, Kommissions= und Leih- 
geschäfte, Versicherungs= und andere Erwerbs- 
gesellschaften der G. vom Handel; 5. G. vom 
19. Juli 1861 (GS. 697) ersetzt neben un- 
erheblichen Anderungen die Klassen A und B 
durch die drei nach dem Geschäftsumfang unter- 
schiedenen Klassen A I, All und B und für Al 
die Einteilung der Betriebsorte in vier Ab- 
teilungen durch eine solche der Reg.-Bez. in 
zwei Abteilungen sowie in dieser Klasse die 
Kontingentierung nach Mitttelsätzen für den 
einzelnen Ort bzw. Kreis durch eine solche für 
den ganzen Reg.-Bez.; 6. G. vom 20. März 
1872 (GS. 285) verweist unter Auflassung der 
Klasse 1 die Müllerei je nach dem Betriebs- 
umfang in die Klassen Al, All oder H; 7. G. 
vom 5. Juni 1874 (GS. 219) hebt die Klassen 
D, E und F auf und verweist je nach dem 
Betriebsumfang die Bächer, Fleischer und 
G. Brauer in die drei Handelsklassen Al, A ll 
und B; 8. G. vom 3. Juli 1876 (GS. 427) 
löst die Hausiersteuer aus der Verbindung mit 
der Besteuerung des stehenden Gewerbes und 
regelt das Strafverfahren neu. So bestanden 
nach dem Erlaß des letztgenannten Gesetzes 
nur noch die Klassen Al, All,. B, C, H und K. 
Von diesen brachten im letzten Jahre (1892/93) 
vor Inkrafttreten des GewoSt G. vom 24. Juni 
1891 auf A12027790, All 6007137, B5014950, 
C 3273738, H 2059377 und K 539206 M. 
Die G. nach dem G. vom 30. Mai 1820 und 
seinen Novellen genügte je länger um so weniger 
den an eine gerechte Steuer zu stellenden An- 
forderungen. Die Vielgestaltigkeit der Gewerbe 
infolge der Entwicklung des gewerblichen Lebens 
führte zu immer größerer Verschwommenheit 
und Unklarheit der Klassengrenzen, infolge der 
Berkehrsentwicklung wirkte die Einteilung 
der Betriebsorte in Abteilungen ungerecht, die 
Kontingentierung nach Mittelsätzen hinderte 
eine dersenigen der kleineren entsprechende 
Besteuerung der Großbetriebe und machte die 
Höhe der ganzen Besteuerung von den zufälligen 
Mischungsverhältnissen von größern, mittlern 
und kleinern Betrieben in den einzelnen 
Veranlagungebezirken der nach Miittelsätzen 
steuernden Klassen abhängig. Daher wurde, 
obwohl der FM. Miquel von vornherein die 
tunlichst baldige Ausscheidung wie der Grund- 
und Gebäude-, so auch der Gewerbesteuer aus 
dem Staatssteuersystem ins Auge gefaßt hatte, 
trotzdem die Reform der G. gleichzeitig mit 
der der Einkommensteuer in Angriff genommen 
und gleichzeitig mit dem Eink StG. das Gew- 
St G. vom 24. Juni 1891 (G. 205) er- 
lassen, das zuerst für 1893/94 zur Anwendung 
kam. Demnächst ist die G. mit der GErund- 
und Gebäudesteuer durch das G. wegen Auf- 
hebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli
	        
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