Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Gewerbesteuer. 
G., weil eine praesumtio juris et de jure dafür 
besteht, daß in solchen Fällen der Bedingung 
zu à nicht genügt wird. Molkereigenossen- 
schaften, Winzervereine und andere Vereini- 
gungen zur Bearbeitung und Verwertung der 
selbstgewonnenen Erzeugnisse der Teilnehmer 
sind unter denselben Voraussetzungen gewerbe- 
steuerpflichtig, unter denen auch der gleiche Be- 
trieb des einzelnen Mitgliedes hinsichtlich seiner 
selbstgewonnenen Erzeugnisse steuerpflichtig sein 
würde(chewSt G. 3—5; AusfAnw. Art. 4—119. 
Die Gewerbesteuerfreiheit des preuß. Staats, 
der Beichsbank, der landwirtschaftlichen 
Branntweinbrennereien, des Bergbaus und 
der Ausbeutung von Torfstichen, Sand= usw. 
Gruben und Stein= usw. Brüchen (GewStG. 
§ 3 Ziff. 1, 2; § 4 Ziff. 2—4) ist den Gemein- 
den gegenüber durch § 28 Ziff. 2 KAG. auf- 
gehoben, besteht aber gegenüber den RKreisen 
und Provinzen bis zum Inkrafttreten des 
neuen Kreis= und Provinzialabgabengesetzes 
vom 23. April 1906 (s. Kreisabgaben) fort 
(OV. 35, 15; 40, 7). 
BZ. Steuerklassen und Steuergesell- 
schaften. Die Besteuerung erfolgt in vier 
Gewerbesteuerklassen: es sind zu besteuern Be- 
triebe mit Ertrag von mindestens 50 000 Ml. 
oder Anlage= und Betriebskapital von min- 
destens 1 000 000 M. in Klasse 1, mit Ertrag 
von 20 000 bis ausschl. 50000 M. oder An- 
lage= und Betriebskapital von 150000 bis 
ausschl. 1000000 M. in Klasse II, mit Ertrag 
von 4000 bis ausschl. 20 000 M. oder Anlage- 
und Betriebskapital von 30 000 bis aus,schl. 
150 000 M. in Klasse III, mit Ertrag von 1500 
bis ausschl. 4000 M. oder Anlage= und Betriebs- 
kapital von 3000 bis ausschl. 30 000 Al. in 
Klasse IV. Jedoch werden, sofern es sich nicht 
um steuerpflichtige Konsumvereine und Konsum- 
anstalten handelt, Betriebe, deren Zugehörig- 
Reit zu einer der Klassen I—III lediglich durch 
die Höhe ihres Anlage= und Betriebskapitals 
bedingt ist, ohne Rücksicht auf diese auf ihren 
Antrag in die ihrem Ertrage entsprechende 
Klasse versetzt, wenn der Ertrag zwei Jahre 
lang die Grenze der Klasse, in die sie nach dem 
Anlage= und Betriebskapital gehören, nicht 
erreicht hat (G. §8§ 6, 8; AusfAnw. Art. 15). 
Die Bildung von Steuergesellschaften 
erfolgt nur in den Klassen IIIIV, und zwar 
für seden Veranlagungsbezirk (s. u. unter E). 
Für jede Steuergesellschaft wird das Veran- 
lagungssoll (die „Steuersumme“) gebildet durch 
das Produkt aus dem gesetzlichen Mittelsatz 
([s. unter D) und der Zahl ihrer Mitglieder, 
abzüglich bzw. zusätzlich des durch die Bechts- 
mittelentscheidungen verursachten Zu= bzw. Ab- 
gangs gegen die vorjährige Steuersumme und 
abgerundet auf den nächsten durch die zulässi- 
gen Steuersätze darstellbaren Betrag. Kann 
sedoch diese Steuersumme nicht verteilt wer- 
den, ohne die Mitglieder mit Steuoersätzen 
über 15% des Ertrages zu belegen, so hat sie 
der FM. für das betreffende Steuerjahr ent- 
sprechend herabzuetzen (G. 88§ 13, 15 Ziff. 3; 
AusfAnw. Art. 15). 
C. Maßstab der Besteuerung. Den 
Maßstab der Einreihung in die Steuerklassen 
bilden, wie erwähnt, Ertrag und Anlage= und 
  
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Betriebskapital, den der Steuerverteilung inner- 
halb der Klasse nur der Ertrag mit der Maß- 
abe, daß Steuerpflichtige, deren Ertrag die 
lassengrenze überhaupt nicht erreicht, mit dem 
niedrigsten für die Klasse zulässigen Steuersatz 
zu belegen sind. Ertrag ist der Inbegriff 
der durch den Gewerbebetrieb hervorgebrachten 
Geldwerte abzüglich der zur Erzielung tat- 
sächlich ausgewendeten Betriebskosten und der 
einer angemessenen Berücksichtigung der Werts- 
verminderung entsprechenden Abschreibungen 
(ogl. Abschreibungen). Aus den Betriebs- 
einnahmen bestrittene Ausgaben zu Verbesse- 
rungen und Geschäftserweiterungen sowie für 
den Unterhalt des Gewerbetreibenden und 
seiner Angehörigen sind dem Ertrage zuzurech- 
nen; Zinsen für das Anlage= und Betriebs- 
kapital und für Schulden zur Anlage, Erwei- 
terung oder Verbesserung des Geschäfts oder 
zur Verstärkung des Betriebskapitals sind 
nicht abzugsfähig. Das Anlage= und Be- 
triebskapital umfaßt sämtliche dem Ge— 
werbebetriebe dauernd — nicht auch wie nach 
Erg StGS. nur vorübergehend — unmittelbar 
oder mittelbar gewidmeten Werte, mögen sie 
dem Gewerbetreibenden oder einem Dritten 
gehören; nicht zu ihm gehören daher der 
Regel nach Geldmittel aus Kontokorrent und 
Depositen, ausgenommene Darlehen nur, wenn 
die Kontrahenten beabsichtigen, hierdurch das 
Anlage= und Betriebskapital dauernd zu ver- 
stärken. Alaßgebend ist der Ertrag des letzten 
Vorjahrs und der mittlere Stand des Anlage- 
und Betriebskapitals in diesem Jahre; besteht 
der Betrieb noch nicht ein Jahr lang in wesent- 
licher Gleichartigkeit, so ist Ertrag und Be- 
triebskapital nach dem Anhalt zur Zeit der 
Veranlagung zu schätzen. Der „Wert“ des 
Anlage= und Betriebskapitals ist der „ge- 
meine“ im Sinne des ErgSt S. (88 22—24 
des G.; AusfAnw. Art. 16—18; OSt. 3 
S. 234, 411; 4, 359; 7, 107 ff.; 3, 316 ff.; 9, 
431; 8, 420). 
D. Höhe der Steuer. In Klasse I beträgt 
die Steuer 1% des Ertrages mit der Maß- 
gabe, daß sie bei einem Ertrage von 50000 
bis 54800 M. (ausschließlich) 524 M. beträgt, 
für höhere, in Stufen von je 4800 M. steigende 
Erträge um je 48 Ml. steigt, für Erträge unter 
50000 M. aber niedrigere Steuersätze bis herab 
u 300 Ml. anzuwenden sind (§9 des G.; Ausf- 
Unw. Art. 15). In den Klassen II, III u. IV 
sind die Mittelsätze beziehentlich 300, 80 und 
16 Ml., das sind von dem mittlern in die 
Klasse fallenden Ertrage (35000, 12000 und 
2750 M.) beziehentlich 0,86, 0,67 und 0,58%. 
Die zulässigen Steuersätze bewegen sich in 
Klasse II zwischen 156 und 480 M., und zwar 
von 156 — 192 M. in Abstufungen von je 12, 
dann in solchen von je 36 M., in III zwischen 
32 und 192 M., und zwar von 32—40 Ml. in 
Abstufungen von je 4, dann bis 96 Al. in 
solchen von je 8, und von 96—192 M in solchen 
von je 12 M., in IV zwischen 4 und 36 Al. in 
Abstufungen von je 4 M. Von den hiernach 
zulässigen Steuersätzen ist, sofern nicht die 
Steuersumme auch mit niedrigeren Sätzen zu 
decken ist, auf jeden Steuerpflichtigen der- 
jenige zu veranlagen, der 1% des Ertrages
	        
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