Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Goldwaren s. Feingehalt der Gold— 
und Silberwaren. 
Gothaer Vertrag. Aber die gegenseitige 
Verpflichtung zur Aufnahme auszuweisender 
Personen ist zwischen Preußen und mehreren 
deutschen Regierungen am 15. Juli 1851 zu 
Gotha ein Vertrag geschlossen worden (GS. 
711), dem später auch die übrigen deutschen 
Staaten beigetreten sind. Durch diesen 
Gothaer Vertrag sollte die Befugnis zur 
Ausweisung von Angehörigen eines der ver- 
tragschließenden Staaten beschränkt werden. 
Soweit es sich hierbei um die Ausweisung 
von hilfsbedürftigen Personen handelt (Armen- 
rechtliche Ausweisungen, Freizüg G. 88 4, 5), 
ist der Vertrag für die zum Geltungsge- 
biete des Unterstützungswohnsitzgeses (Ro#l. 
1894, 262) gehörigen Staaten aufgehoben 
((Ubernahme II). Er kommt daher nur 
noch Bayern und Elsaß-Lothringen gegenüber 
zur Geltung. Jedoch ist zwischen Preußen 
und Elsaß-Lothringen am 18. Dov. 1899 ein 
Abkommen getroffen worden, wonach Abschie- 
bungen aus armenrechtlichen Gründen nicht 
stattfinden sollen, wenn es sich um Unter- 
stützungsbedürftige handelt, die zuletzt wäh- 
rend mindestens fünf Jahren nach Zurück- 
legung des 18. Lebensjahres ihren gewöhn- 
lichen Aufenthalt in dem betreffenden Lande 
gehabt haben, oder um Familienangehörige 
dieser Personen (vgl. Vf. des Md J. vom 15. Dez. 
1899 — MI/Bl. 1900, 78). Die Vorschriften des 
Vertrages, welche das Verfahren bei den polizei- 
lichen Ausweisungen auf Grund des § 3 Abs. 2 
des Freizügigkeitsgesetzes (s. Frei3zügigkeit) 
betreffen, sind für alle vertragschließenden 
Staaten in Geltung geblieben (vgl. Zirk. des 
MId J. vom 28. Juli 1894 — MIl. 147 Ziff. 4). 
— Die wesentlichsten Bestimmungen des Ver- 
trages sind folgende: Jede der vertragschließen- 
den Regierungen verpflichtet sich, ihre Unter- 
tanen und ihre früheren Untertanen, die nicht 
Angehörige des anderen Staates geworden 
sind, auf Verlangen des anderen Staates 
wieder zu übernehmen. Ist die auszuweisende 
Person Untertan keines dieser Staaten gewesen, 
so ist derjenige von ihnen zur Ubernahme 
verpflichtet, in dessen Gebiet der Auszuweisende 
entweder nach zurüchgelegtem 21. Lebensjahre 
sich zuletzt fünf Jahre hindurch aufgehalten 
oder sich verheiratet und mit seiner Ehefrau 
unmittelbar nach der Eheschließung eine ge- 
meinschaftliche Wohnung mindestens sechs 
Wochen innegehabt hat, oder geboren ist. Die 
Geburt begründet eine Verpflichtung zur Uber- 
nahme aber nur dann, wenn beiner der beiden 
anderen Fälle vorliegt. Treffen diese zusammen, 
so ist das neuere Verhältnis entscheidend. 
Ehefrauen sind von dem Staat zu über- 
nehmen, dem der Ehemann zugehört. Das 
leiche gilt von ehelichen minderjährigen 
Kindern, während uneheliche Kinder hierin 
ihrer Mutter folgen. Ohne Zustimmung der 
Behörde des zur Ubernahme verpflichteten 
Staates darf diesem keine ausgewiesene Per- 
son zugeführt werden, es sei denn, daß sie 
sich im Besitze eines von der Behörde ihres 
Wohnortes ausgestellten Passes (Wanderbuches, 
Paßkarte) befindet, seit dessen Ablauf noch 
  
  
Goldwaren — Grenzangelegenheiten. 
nicht ein Jahr verstrichen ist, oder daß der 
Ausgewiesene einem in gerader Richtung rüch- 
wärts liegenden dritten Staate angehört, 
welchem er nicht anders als durch das Gebiet 
des anderen vertragschließenden Staates zu- 
geführt werden kann. AUber das Verfahren 
bei der Ausweisung (8 10) ist bestimmt, daß 
sie in der Regel mittels Transportes und 
Abgabe des Ausgewiesenen an die Polizei-- 
behörde dessjenigen Ortes, wo der Transport 
beendigt ist, oder mittels eines Zwangspasses 
erfolgen soll. Die Kosten der Ausweisung 
trägt innerhalb seines Gebietes der aus- 
weisende Staat (§ 11). Meinungsverschieden- 
heiten hinsichtlich der Verpflichtung zur Uber- 
nahme sollen in einem näher geregelten 
schiedsrichterlichen Berfahren entschieden wer- 
den (8 12). 
Gottesdienst. Die Einrichtung und Zeit sind 
zum Teil herkömmlich festgesetzt. Ihre Abände- 
rung bedarf in der ev. Kirche der Alitwirkung 
der Gemeindeorgane (s. für die altländi- 
schen Provinzen KRGSO. vom 10. Sept. 1873 
§ 15 Ziff. 2, ähnlich in den anderen Kirchen- 
gemeinde= und Synodalordnungen). Jür die 
ev.-luth. Kirche Hannovers s. Rirch G., betr. 
die Anordnung des Hauptgottesdienstes an 
Sonn= und Festtagen vom 20. Febr. 1889 
(GS 29, AusfBek. Kirchl. ABl. 45). Wegen 
des äußeren Schutzes des Gottesdienstes f(. 
§ 167 StEc B. und Sonntagsheiligung. 
Gräben und Gräbenräumung f. Ent- 
und Bewässerungen, Vorflut; Gräben 
an öffentlichen Wegen s. Zubehörungen 
und Wegebaulast I. 
Gräbereien s. Brüche und Gruben. 
Grafenverbände s. Herrenhaus und 
Grundbesitz (alter und befestigter). 
Granulose (Körnerkrankheit) gehört zu 
den übertragbaren Krankkhheiten des G. vom 
28. Aug. 1905 (GS. 373). Die Schutzmaßz- 
regeln sind im wesentlichen dieselben, wie bei 
anderen ansteckenden Krankheiten (s. Be- 
kämpfung gemeingefährlicher Krank- 
heiten II; Anzeigepflicht l und Aussest. 
vom 7. Okt. 1905 — MIMIBl. 389 — 8 8). 
Zur Sicherung einer einheitlichen Diagnose 
sind für die Beurteilung von Granulose- 
erkrankungen von der Miilitär= und Zivil- 
medizinalverwaltung einheitliche Direktiven 
aufgestellt, welche sowohl für die Militärärzte, 
wie für alle sonstigen beamteten Arzte und 
Zivilbehörden maßgebend sind; s. Erl. vom 
2. April 1906 (MMIBl. 177). Wegen der Be- 
handlung erkrankter Schulkinder s. Erl. vom 
20. Mai 1898 (AU##Bl. 1899, 372). 
Grenzangelegenheiten. I. Die Grenzen des 
preuß. Staatsgebietes können nur durch ein 
Gesetz verändert werden (Vl. Art. 2). Eine 
solche Gebietsveränderung liegt vor, wenn 
Gebietsteile, welche bis dahin unzweifelhaft 
nicht zu Preußen gehört haben, erworben 
oder, welche unzweifelhaft zu Preußen gehört 
haben, abgetreten werden. Es muß also die 
Absicht auf eine Gebietsveränderung gerichtet 
sein, und nicht etwa nur auf die Wiederher- 
stellung verdunkelter Grenzen. Die lange 
Zeit streitig gewesene Frage, in welcher Form 
die für Grenzveränderungen verfassungsmäßig
	        
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