Grenzaufseher — Grenzbezirk.
erforderliche Mitwirkung des Landtages zu
erfolgen hat, ob durch Vorlage eines beson-
deren Gesetzes oder durch Zustimmung zu
dem durch die Krone mit dem fremden Staate
abgeschlossenen Vertrage ist, nachdem das
Herrenhaus durch Beschluß vom 26. Febr.
1877 pro futuro den Erlaß eines besonderen,
in der sonst üblichen Form zu publizierenden
Gesetzes verlangt hat, von der Staatsregierung
in diesem Sinne bis in die neueste Zeit be-
handelt worden. Falls die Landesgrenzver-
änderung gleichzeitig eine Verschiebung der
Reichsgrenze bedingt, ist zu ihrer Legalisierung
außerdem noch ein Reichsgesetz erforderlich,
welches als Verfassungsänderung (RV. Art. 78)
zu behandeln ist.
II. Zur äußeren Renntlichmachung
und Kenntlicherhaltung der Landesgrenze
werden längs derselben topographische Merk-
geichen — Grenzsteine, Grenzpfähle, Erdhügel,
afeln usw. — errichtet. Dieselben sind fort-
laufend numeriert und vielfach mit Hoheits-
zeichen versehen. Die eigenmächtige Setzung,
Verrüchung oder Beschädigung derartiger
Grenzzeichen ist durch §8 135, 274 Ziff. 2
StGB. unter Strafe gestellt.
III. Der Schutz des Reichsgebietes gegen
kriegerische Angriffe ist Sache des Reiches
(ogl. RV. Art. 11). Im übrigen ist es die
Aufgabe der Einzelstaaten geblieben, das
Eingreifen einer fremden Staatsgewalt, die
Ausübung fremder Hoheitsrechte im Staats-
gebiete zu verhindern. Zuständig zur Wah-
rung der Landeshoheit gegen derartige Ein-
griffe sind in Preußen die Regierungs-
präsidenten als Landespolizeibehörde (Reg-
Instr. vom 23. Okt. 1817 § 2) und die ihnen
nachgeordneten Polizeiexekutivorgane. Zu den
letzteren gehören die kgl. Polizeibeamten
und die Gendarmen, ferner die dem M.
unterstellten Grenzaufsichtsbeamten, insoweit
ihnen landespolizeiliche Funktionen über-
tragen sind. Diesen Beamten liegt die Ver-
pflichtung ob, die diesseitigen Staatsangehö-
rigen gegen ungerechtfertigte Anforderungen
und Gewalttätigkeiten fremdländischer Grenz-
soldaten und Grenzbeamten innerhalb der
Landesgrenzen zu schützen, überhaupt jede
Ausübung obrigkeitlicher Funktionen seitens
fremdländischer Heamten usw. nötigenfalls mit
Waffengewalt zu verhindern. Grenzverletzun-
gen, welche an der russ. Grenze durch russ.
Grenzsoldaten usw. begangen wurden, haben
den MIdJ. veranlaßt, die nachgeordneten
Polizeibehörden auf diese Verpflichtungen
bolenders hin zuweisen (Erl. vom 21. Dez.
1895).
IV. A-eben dem Schutze der Grenzen gegen
die seitens fremder Staaten oder deren An-
gestellten begangenen Grenzverletzungen kommt
noch der Schutz gegen die von Privat-
personen verübten Verletzungen der
für den Grenzverkehr bestehenden Bestim-
mungen in Verracht. Auch dieser Schutz
liegt im allgemeinen den der Landespolizei-
behörde unterstellten Polizeiorganen ob. Da-
neben sind aber zur Feststellung und Er-
hebung der gesetzlichen Zölle besondere Zoll-
und Steuerämter errichtet. Die Aufsicht über
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den Warenein= und ausgang wird längs
der Grenze und im Grenzgebiet durch uni-
formierte und bewasere Grenzaufsichtsbe-
amte ausgeübt. In Preußen sind durch das
G. vom 28. Juni 1834 (GS. 83) die Be-
dingungen festgestellt, unter denen die Grenz-
aufsichtsbeamten von ihren Waffen Gebrauch
zu machen haben.
V. Die Natur des Grenzdienstes bringt es
mit sich, daß die Beamten häufig gezwungen
sind, im dienstlichen Auftrage die Grenze zu
überschreiten, so z. B. Eisenbahn= und Post-
beamte, die Polizeibeamten im Ubernahme-
verkehr oder zum Zwecke besonders verein-
barter dienstlicher Besprechungen. Grenzüber-
schreitungen in solchen Veranlassungen sind
nach völkerrechtlichen Grundsätzen nicht als
unerlaubt anzusehen. Diese Auffassung ist an-
läßlich des behannten Falles Schnäbele in
einer Aote des R. an den Botschafter der
franz. Republik vom 28. April 1887 aus-
drüchlich anerkannt. Es heißt daselbst: Aach
völkerrechtlicher Auffassung sind Grenzüber-
schreitungen, welche auf Grund dienstlicher
erabredungen zwischen Beamten benachbarter
Staaten erfolgen, jederzeit als unter der still-
schweigenden Zusicherung freien Geleits stehend
anzusehen.
Grenzaufseher s. Steuerbeamte und
= behörden der indirekten Steuerver-
waltung I, 3 und Zoll B K.
Erenzbehörden s. Gren zangelegen-
heiten.
Grenzbezirk ist nach § 16 Abs. 3 VB36.
der zunächst innerhalb der Zollinie be-
legene Raum, welcher von dem übrigen Zoll-
gebiet durch die besonders zu bezeichnende
Binnenlinie getrennt ist. Seine Ausdehnung
bestimmt sich nach der Ortlichkeit. In der
Regel zieht er sich als ein höchstens 15 km
breiter Streifen an der Zollinie hin, doch
kommt es auch vor, daß er tief in das
Binnenland hineinreicht; so gehört die Unter-
elbe, die Unterweser und der Kaiser Wilhelm-
kanal dem G. an. Die Befugnisse der mit
der Wahrung des Zollschutzes betrauten Be-
amten sind im G. weitergehende als im Bin-
nenlande (s. V-3G. 8§8§ 129, 132); das Recht
zum Waffengebrauch steht ihnen nur im G.
zu (G. vom 28. Juni 1834 — GS. 83). Für
den Verkehr im G. sind mehrfache Beschrän-
kungen vorgesehen. An den Ufern der Ge—
wässer im G. und auf den in diesen Gewässern
gelegenen Inseln dürfen zollfreie Gegenstände
in verpachtem Zustande und zollpflichtige
Gegenstände ohne besondere Erlaubnis nur
an solchen Stellen aus= und eingeladen wer-
den, welche zu Landungsplätzen (erlaubten
Lösch= und Ladeplätzen) bestimmt sind (VZ3.
§ 121); der Hausierhandel im G. bedarf der
besonderen Erlaubnis der Zollverwaltung
(V36. F 124 Abs. 2), der stehende Gewerbe-
betrieb Kann einer Buchkontrolle (VG. 5 124
Abs. 3), der Transport von Waren, welche
erfahrungsmäßig einen Gegenstand des Schleich-
handels bilden, einer Transportkontrolle (l. d.)
unterworfen werden (VZ36. 8 119). Anderer-
seits sind gewisse Vergünstigungen den Be-
wohnern des G. vorbehalten, so die der Frei-