Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Grundsteuer. 
1. Jan. 1865, in Hannover, Hessen-Aassau und 
Meisenheim vom 1. Jan. 1876, in Schleswig- 
Holstein vom 1. Jan. 1878, in Lauenburg vom 
1. Jan. 1879 ab. Durch das St A G. vom 
14. Juli 1893 ist die G. mit der Gebäude- 
und Gewerbesteuer der Staatskasse gegenüber 
außer Hebung gesetzt; es wird aber ihre Ver- 
anlagung für die Zwecke der Kommunal-= 
besteuerung fortgeführt (s. Aufhebung di- 
rekter Staatssteuern). 
III. Die Grundsteuer nach dem G. vom 
21. Mai 1861 (bzw. § 24 KAEG.). A. Gegen- 
stand der Besteuerung. Steuerpflichtig sind 
alle ertragsfähigen Grundstücke (Liegenschaften), 
soweit sie nicht der Gebäudesteuer unterliegen 
(s. Gebäudesteuer) mit Ausnahme a) der zu 
kigl. Schlössern gehörigen Gärten; b) der dem 
Staate, den Provinzen, Kreisen, Gemeinden und 
sonstigen kommunalen Verbänden gehörigen 
Grundstücke, sofern sie zu einem öffentlichen 
Dienst oder Gebrauch bestimmt sind; c) der 
Kunststraßen, Schienenwege der Eisenbahnen 
und der mit Genehmigung des Staats zum 
öffentlichen Gebrauch angelegten schiffbaren Ka- 
näle; d) der Deichanlagen der Deichverbände 
und der im öffentlichen Interesse staatlich unter 
Schau gestellten Privatdeiche, sowie der im 
öffentlichen Interesse unterhaltenen Anlagen 
der Ent= und Bewässerungsverbände; e) der 
unmittelbar für die Institutszwecke benutzten 
Grundstüche der Universitäten und anderen 
öffentlichen Unterrichtsanstalten, der mit Kor- 
porationsrechten versehenen Religionsgesell- 
schaften, der Armen-, Waisen-, öffentlichen Kran- 
ken-, der Gefängnis-, Besserungs-, Bewahr- 
und solcher Wohltätigkeitsanstalten, welche die 
Bewahrung vor Schutzlosigkeit oder sittlicher 
Gefahr bezwecken; f) der Dienstgrundstücke der 
Geistlichen, Kirchendiener und Volksschullehrer, 
soweit ihnen vor Erlaß des RA. Steuerfrei- 
heit der Gemeinde gegenüber zustand. Micht 
zu einem öffentlichen Dienst oder Gebrauch 
bestimmte Grundstüche des Staats und kom- 
munaler Verbände, insbesondere Dienstgrund- 
stücke der Beamten und Lehrer an höheren 
Schulen, sind zwar nach dem Grundsteuergesetz 
ebenfalls steuerfrei; sie werden aber jetzt, da 
sie es nach dem &A#l# den Gemeinden gegen- 
über nicht sind, zur G. veranlagt; steuerfrei 
sind sie, nicht aber die Domänen und Forsten, 
noch heute bis zum Inkrafttreten des neuen 
Kreis= und Provinzialabgabengesetzes vom 
23. April 1906 (s. Kreisabgaben) den Kreisen 
gegenüber (Grundsteuergesetz § 4; KA-. 8§ 24; 
* 35, 15; 40, 7). 
B. Maßstab der Besteuerung ist der 
Reinertrag jeder einzelnen Parzelle, d. i. der 
nach Abzug der Bewirtschaftungskosten vom 
Bohertrage verbleibende Uberschuß, welcher von 
der Parzelle bei mittlerem (gemeingewöhnlichem) 
Kulturzustand ohne Rüchsicht auf den wirt- 
schaftlichen Zusammenhang mit anderen Grund- 
stüchen oder gewerblichen Anlagen sowie ohne 
Bücksicht auf mit der Parzelle verbundene 
Bealgerechtigkeiten und auf ihr haftende 
Reallasten und Servituten nachhaltig zu er- 
zielen ist. Dieser Reinertrag ist aber nicht in- 
dividuell zu ermitteln, sondern es sind für jede 
der Kulturarten Acherland, Gärten, Wiesen, 
  
  
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Weiden, Holzungen, Wasserstücke und Odland 
innerhalb jedes Kreises oder bei wesentlichen 
Berschiedenheiten innerhalb jedes nur einen 
Teil desselben umfassenden Klassifikations- 
distrikts eine gewisse Zahl, höchstens acht, Boni- 
tätsklassen unterschieden; für jede derselben ist 
unter Zugrundelegung der Durchschnittspreise 
eines 24jährigen Zeitraums unter Weglassung 
der zwei teuersten und der zwei billigsten Jahre 
der Reinertag ermittelt und so ein „Klassifi- 
Rkationstarif“ aufgestellt, in den dann die ein- 
zelnen Grundstücke an der Hand von Muster- 
stücken jeder Klasse und Kulturart eingeschätzt 
sind. Diese Einschätzung ist ein für allemal 
erfolgt und wird nicht erneuert. In den bei- 
den alten westlichen Grovinzen wurde die 
bereits vorhandene rundsteuerregulierung 
(s. oben 1) benutzt (Grundsteuergesetz §8§ 5, 6; 
Anw. zur Ermittlung des Reinertrags §8 1—8, 
25—28, 34—41 und „Allg. Grundsätze“). 
C. Steuersatz. Die G. ist kontingentiert, 
d. h. ihr Sollaufkommen ist ein für allemal 
festgestellt, und zwar für die alten Provinzen 
auf 30, für die neuen auf 3,2 Mill. M., für 
Lauenburg und das Jadegebiet mit denjenigen 
Prozentsätzen des Reinertrags, der sich bei der 
Unterverteilung für Schleswig-Holstein bzw. 
Hannover ergab. Diese Kontingente wurden 
nach verhälte der Grundsteuerreinerträge 
auf die Provinzen bzw. einem besonderen 
Grundsteuersystem unterliegenden ständischen 
Verbände verteilt. Diese „Grundsteuerhaupt- 
summen“, die sich nur durch Zugang steuer- 
pflichtig und Abgang steuerfrei werdender 
Grundstücke ändern, wurden dann weiter nach 
demselben Alaßstab auf die Kreise, innerhalb 
dieser auf die Gemeinden und Gutsbezirke 
und innerhalb dieser auf die einzelnen Liegen- 
schaften unterverteilt. Die Unterverteilung er- 
folgte in den östlichen Provinzen zunächst pro- 
visorisch nach V. vom 12., Dez. 1864 und dann 
definitiv durch G. vom 8. Febr. 1867, in West- 
falen und der Rheinprovinz, wo die ganze 
Grundsteuerveranlagung auf den vorgefunde- 
nen Katastern (vgl. oben II) fußen konnte, so- 
gleich definitiv durch V. vom 12. Dez. 1864. 
Auch in den neuen Provinzen wurde die Unter- 
verteilung sogleich definitiv geordnet (s. oben I.). 
Bei der Ausführung stellte sich die G. infolge 
der Rechtsmittel usw. (s. u. D) in den einzelnen 
Provinzen auf einen um geringe Bruchteile 
eines Prozentes verschiedenen Prozentsatz des 
Reinertrags, durchschnittlich auf 9,570 
D. Veranlagungsverfahren und 
Rechtsmittel. Die Veranlagung ist, wie er- 
wähnt, ein für allemal erfolgt. Die Organe 
waren: 1. für jeden Kreis eine unter der Lei- 
tung eines Beranlagungskommissars aus 
gewählten und ernannten Mitgliedern zusam- 
mengesetzte Veranlagungskommission; 
2. für den Regierungsbezirk unter Leitung des 
Bezirkskommissars die analog zusammen- 
gesetzte Bezirkskommission; 3. die Zen- 
tralkommission, unter dem Vorsitz des V#Ml., 
bestehend aus vier von ihm ernannten Gene- 
ralkommissarien, vier von ihm berufenen 
Sachverständigen und je zwei Mitgliedern für 
jede Provinz, von denen je eins vom Herren= und 
vom Abgeordnetenhause zu wählen war; 4. die
	        
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