Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

liegen. Unter dem Besitzer des Guts im Sinne 
der LGO. ist stets der Gutsherr im äöffentlich— 
rechtlichen Sinne zu verstehen (s. Gutsherr- 
schaften). Dies ist der Eigentümer des Guts, 
wenn dessen Grenzen mit denen des Guts- 
bezirus zusammenfallen, jedoch der Eigentümer 
des Hauptgutes (Restgutes), wenn das Gut 
durch Abverkäufe zerstückelt ist (OV. 7, 203; 
16, 249). Der Bestand des Gutsbezirks wird 
durch solche Abverkäufe nicht berührt, die 
Trennstüche verbleiben vielmehr Teile des 
Gutsbezirks so lange, bis sie durch die zuständige 
Behörde von ihm losgelöst worden sind (s. Ge- 
meindebezirke III). Die Feststellung des 
Grundstücks, mit dessen Besitz die Gutsherrlich- 
keit verknüpft ist, Kann nach Zerstückelung des 
Guts schwierig sein und muß sich nach den Um- 
ständen jedes einzelnen Falles richten. Sofern 
die Zerstüchelung nicht unter Vorbehalt der 
gutsherrlichen Rechte für die Person des Ver- 
äußerers oder für einen bestimmten Teil des 
Gutsbezirks erfolgt ist, wird in der Regel der 
ursprüngliche Rittersitz (der Gutshof, das 
Castrum) als das Hauptgut (Restgut) angesehen 
werden können (ogl. OVG. im Pr VBl. 12, 242; 
22, 217 und für Schleswig-Holstein 21, 180). 
I#t ein Gutsbezirk durch eine Anordnung des 
önigs aufgelöst worden, so fällt hiermit 
auch die Gutsherrlichkeit des letzten Besitzers 
fort. In einem an die Bezirksveränderung 
sich anschließenden Auseinandersetzungsverfah= 
ren kann aber der letzte Gutsherr als Be- 
teiligter in Anspruch genommen werden (O. 
33, 168). Steht das Gut im ideellen Miteigen- 
tum mehrerer Personen, so ist jeder Miteigen- 
tümer auch Gutsherr (O##. 37, 203), steht es 
im Eigentum einer Ehefrau, so ist diese, nicht ihr 
Ehewann, Gutsherr (OV. 32, 181). Auch juristi- 
sche Personen (Fishus, Stadtgemeinden, Stif- 
ter) Können Gutsherren eines Gutsbezirks sein 
und es auch bleiben, nachdem sie im Wege 
einer fortschreitenden Zerstückelung des Guts- 
bezirks in ihm allen Grundbesitz veräußert 
haben (vgl. OV. 1, 109). Die Lasten des 
Gutsbezirks ruhen weder auf dessen Bewoh- 
nern als einer Korporation, noch auf dem 
Grund und Boden als Reallast, sondern auf 
der Person des Gutsherrn, der für sie mit 
seinem gesamten Vermögen haftet. Durch den 
Besitz des Gutes wird nur der jeweilige Trä- 
ger der Last bestimmt. Der G. (Gutsherr) 
kann ebenso wie die Gemeinden außer sei- 
nen gesetzlichen Pflichten auch freiwillig inner- 
halb des Bereichs der ihm gesetzlich ob- 
liegenden Aufgaben öffentlichrechtliche Ver- 
pflichtungen (z. B. Schullasten, Wegebaulasten) 
mit verbindlicher Kraft für seine Bechtsnach- 
folger in der Gutsherrschaft übernehmen, und 
ist hieran auch nicht durch die Fideikommiß- 
eigenschaft seines Gutes gehindert (OWl. 36, 
204). Auf Beschwerden und Einsprüche, be- 
treffend die Heranziehung oder Veranlagung 
von Grundbesitzern und Einwohnern des Guts- 
bezirks zu dessen öffentlichen Lasten, hat der 
Gutsvorsteher Beschluß zu fassen. Gegen diesen 
Beschluß findet innerhalb zwei Wochen die 
Klage bei dem KrA. statt (&A. 88 69, 70; 
wegen der Armenpflegekosten 3. § 44 und 
O. 16, 243). 
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 
  
  
Gutsbezirke. I. Als „selbständiger Guts- 
bezirt“ wird in der neuen Gemeindegesetz- 
gebung ein bestimmt abgegrenztes Landgebiet 
verstanden, das mit seinen Bewohnern der 
obrigkeitlichen Gewalt eines Gutsherrn (s. Guts- 
herrschaften) unterstellt ist. Dieser ist der 
Träger aller Kkommunalen Rechte und Pflichten 
in seinem G., die in den Gemeindebezirken den 
Gemeinden zukommen. Insbesondere ist er 
auch innerhalb der Grenzen des G. Träger 
der Wegebaulast, soweit letztere Kommunallast 
ist (OVG. 36, 251; 37, 242). Der G. ist kein 
Kkorporativer Verband. Sein Umfang hängt 
nicht von den Grenzen des privatrechtlichen 
Eigentums des Gutsherrn ab. Auch Grund- 
stüche, die im fremden Eigentum stehen, Bön- 
nen zu dem G. gehören. Durch Veräußerung 
einzelner Grundstücke oder andere privatrecht- 
liche Verfügungen über solche wird sein Be- 
stand nicht verändert. Ebensowenig kann der 
Gutsherr sich hierdurch seiner gutsherrlichen 
Pflichten entäußern, die auf dem BRestgute 
ruhen bleiben (s. Gutsbesitzer). Die Eigen- 
schaft als G. Kommt einem Landgebiet ent- 
weder auf Grund der rechtsgeschichtlichen Ent- 
wicklung der obrigkeitlichen Verwaltung auf 
dem platten Lande zu (G. älteren BRechts) oder 
auf Grund eines besonderen Aktes der Staats- 
hoheit (G. neueren Rechts). 
In den sieben östlichen Provinzen ist 
eine Bezeichnung der Güter, welche die Eigen- 
schaft eines selbständigen G. auf Grund 
der geschichtlichen Entwicklung besitzen, ab- 
gesehen von den Rittergütern, weder durch 
die Gesetzgebung noch durch die Staatsver- 
waltung erfolgt. Diese Eigenschaft muß daher 
bei jedem einzelnen Gut dieser Art auf Grund 
seiner geschichtlichen Bergangenheit ermittelt 
werden. Die G. haben sich aus dem Gegen- 
satze entwichelt, in welchen nach der Regulie- 
rung der gutsherrlichen und bäuerlichen Ver- 
hältnisse das gutsherrliche Vorwerksland zu 
der bäuerlichen Feldmark trat. Das gdt 
(II, 7) hatte sich auf die Regelung der Rechts— 
verhältnisse der Gutsuntertanen zu ihren Guts- 
herren beschränkt. Die gutsherrliche Gewalt 
hatte sich in früherer Zeit sowohl auf das 
herrschaftliche Vorwerk als auch auf die zu 
ihm gehörigen Bauerndörfer erstrecht. Die 
Entwicklung des ersteren zu einem selbständi- 
gen, der Landgemeinde gleichstehenden Kom- 
munalverbande mit kommunalen Aufgaben 
nahm nach der erwähnten gutsherrlich-bäuer- 
lichen Regulierung ihren Ausgang von der 
Sonderung der beiderseitigen Armenlasten 
durch die Erl. vom 4. Dez. 1811 und 16. Juni 
1815 (v. Kamptz, Jahrbücher 34, 354) und fand 
ihren Abschluß durch §§ 5—8 des Armen- 
pflegegesetzes vom 31. Dez. 1842 (GS. 1843, 8) 
und 8§ 21, 31 der KrO. vom 13. Dez. 1872 
(OV. 1, 109; 3, 16; 14, 231; 37, 164). Das 
Gemeindeverfassungsgesetz vom 14. April 1856 
(GS. 359) hat ebenso wie die LöO. vom 
3. Juli 1891 nur die zur Zeit ihres Inkraft- 
tretens rechtlich bestehenden G. aufrechterhalten. 
G. älteren Rechts sind hiernach nur die Güter 
der ehemaligen Gutsherrschaften, also die 
Güter, mit deren Besitz ehemals obrigkettliche 
Rechte gegenüber Untertanen (Hintersassen) ver- 
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