Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Handlungsfählguneit s. Kinder I, Min- 
derjährige II, Volljährigkeit und Zu- 
rechnungsfähigkeit. 
Handlungsgehilfen und HLehrlinge. I. 
Handlungsgehilfen sind Personen beider- 
lei Geschlechts, die in einem Handelsgewerbe 
(H##B. §§ 1 ff.) zur Leistung Rhaufmännischer 
Dienste gegen Entgelt angestellt sind. Aicht zu 
den Handlungsgehilfen gehören die Gewerbe- 
gehilfen, d. h. Personen, die zur Vornahme 
gewerblicher Arbeiten angestellt sind (Gesellen, 
Gehilfen, Werkmeister und Arbeiter in Fabriken 
usw.) und das Gesinde (Hausknechte, Packer 
usw.). Vglgl. HOB. 8 83. Der Handlungs- 
gehilfe hat in Ermangelung einer vertrags- 
mäßigen Verabredung die Verpflichtung zur 
Leistung ortsgebräuchlicher Dienste und An- 
spruch auf ortsgebräuchliche oder angemessene 
Vergütung (5GB. § 59). Das Gehalt muß 
unbedingt am Schlusse jeden Monats, eine 
etwa ausbedungene Vergütung für die Ab- 
schließung oder Bermittlung von Geschäften am 
Schluß eines jeden Kalenderjahrs, sofern hier- 
für nicht ein anderer Termin verabredet ist 
(H9B. 8#8 64, 65), gezahlt werden. Ist das Dienst- 
verhältnis zwischen Prinzipal und Handlungs- 
gehilfen auf unbestimmte Zeit eingegangen, so 
kann von beiden Seiten für den Schluß eines 
Kalendervierteljahrs unter Einhaltung einer 
Kündigungsfrist von sechs Wochen gekündigt 
werden. Wird eine kürzere oder längere 
Kündigungsfrist ausgemacht, so muß sie für 
beide Teile gleich und mindestens einen Monat 
betragen, auch darf die Kündigung nur für 
den Schluß eines Kalenderjahrs zugelassen 
werden. Dies gilt aber nicht für Handlungs- 
ehilfen mit einem Gehalt von über 5000 M. für 
Vandlungsgehiffen in außereuropätischen Nieder— 
lassungen, deren Rückreise der Prinzipal für 
den Fall, daß er kündigt, tragen muß, und 
für Handlungsgehilfen, die zur vorüber- 
gehenden Dienstleistung angenommen sind. 
Das Dienstverhältnis Kkann von beiden Teilen 
ohne Einhaltung der Kündigungsfrist ge- 
kündigt werden, wenn ein wichtiger Grund 
vorliegt; als solchen bezeichnet das HGB. 8 71 
insbesondere gegenüber dem Prinzipal: a) wenn 
der Handlungsgehilfe zur Fortsetzung seiner 
Dienste unfähig wird; b) wenn der Prinzipal 
den Gehalt oder den gebührenden Unterhalt 
nicht gewährt; c) wenn der Prinzipal der 
ihm nach § 62 obliegenden Verpflichtung zur 
sozialen Fürsorge nachzukommen verweigert; 
c) wenn sich der Prinzipal Tätlichkeiten, er- 
hebliche Ehrverletzungen oder unsittliche Zu- 
mutung gegen den Handlungsgehilfen zu- 
schulden kommen läßt oder es verweigert, 
den Handlungsgehilfen gegen solche Hand- 
lungen eines anderen Angestellten oder 
eines Familienangehörigen des Prinzipals 
zu schützen. Nach 5GB. § 72 sind gegenüber 
dem Handlungsgehilfen als wichtige Kündi- 
gungsgründe anzusehen: a) wenn der Hand- 
lungsgehilfe im Dienst ungetreu ist oder 
das Vertrauen mißbraucht oder ohne Ein- 
willigung des Prinzipals Geschäfte betreibt; 
b) wenn er seinen Dienst während einer den 
Umständen nach erheblichen Zeit unbefugt 
verläßt oder sich beharrlich weigert, seinen 
Handlungsfähigkeit — Handlungsgehilfen. 
Dienstverpflichtungen nachzukommen; c) wenn 
er durch anhaltende Krankheit, durch eine 
längere Freiheitsstrafe oder Abwesenheit oder 
durch eine die Zeit von acht Wochen über- 
steigende militärische Dienstleistung an der 
Verrichtung seiner Dienste verhindert wird; 
d) wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche 
Ehrverletzungen gegen den Prinzipal oder 
dessen Bertreter zuschulden Kkommen läsßt. 
II. Handlungslehrlinge dürfen nur von 
Personen gehalten und angeleitet werden, die 
sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte 
befinden. Die Entlassung der diesem Verbote 
zuwider gehaltenen Lehrlinge kann von der 
Polizeibehörde erzwungen werden (H##B. s§ 81), 
außerdem tritt Bestrafung ein (HS. 8 82 
Abs. 2). Aber die Verpflichtungen des Prin- 
zipals hinsichtlich der Ausbildung der Lehr- 
linge und über das Lehrzeugnis s. Lehrherr. 
Der Abschluß eines schriftlichen Lehrvertrags 
ist nicht vorgeschrieben, doch Können Ansprüche 
wegen unbefugten Austritts des Lehrlings 
nur geltend gemacht werden, wenn der Ver- 
trag schriftlich geschlossen ist (SOGO#B. § 79). Die 
Dauer der Lehrzeit bestimmt sich in Ermange- 
lung vertragemäßiger Festsetzung nach dem 
Ortsgebrauche. Es kann eine höchstens drei- 
monatige Probezeit verabredet werden. Ist 
eine solche nicht vereinbart, so kann das 
Lehrverhältnis während des ersten Monats 
nach Beginn der Lehrzeit ohne Einhaltung 
einer Kündigungsfrist gehündigt werden. Nach 
Ablauf der Probezeit darf eine Kündigung 
nur aus denselben Gründen erfolgen, aus 
denen das Dienstverhältnis zwischen Prinzi- 
palen und Handlungsgehilfen gelöst werden 
kann, doch gilt als weiterer wichtiger Grund, 
wenn der Lehrherr seine Verpflichtungen 
gegen den Lehrling in einer dessen Gesund- 
heit, Sittlichneit und Ausbildung gefährdenden 
Weise vernachlässigt. Im Falle des Todes 
des Lehrherrn kann das Lehrverhältnis inner- 
alb eines Monats ohne Einhaltung der 
ündigungsfrist gekündigt werden (HB. 
§§ 76, 77). 
Eine Zurückführung, des ent- 
laufenen Lehrlings durch die Ortspolizei- 
behörde findet nicht statt. Das Lehrverhält- 
amnis endigt spätestens nach Ablauf eines 
Monats, wenn der Lehrling oder sein gesetz- 
licher Vertreter schriftlich erklärt, daß der 
Lehrling zu einem anderen Gewerbe oder 
Beruf übergehen wolle. Tritt der Lehrling 
der abgegebenen Erklärung zuwider vor dem 
Ablaufe von neun Monaten nach der Be- 
endigung des Lehrverhältnisses in ein anderes 
Geschäft als Handlungslehrling oder als 
Handlungsgehilfe ein, so ist er dem Lehrherrn 
zum Ersatze des diesem durch die Beendigung 
des Lehrverhältnisses entstandenen Schadens 
verpflichtet. Mit ihm haftet als Gesamtschuld- 
ner der neue Lehrherr oder Prinzipal, sofern 
er von dem Sachverhalte Kenntnis hatte (H. 
§ 78). Durch den BR. oder den M. kann die 
Zahl der Lehrlinge, die in Betrieben des Han- 
delsgewerbes gehalten werden darf, festgesetzt 
werden. Die Polizeibehörde kann die Ent- 
lassung der Lehrlinge, die im Mißverhältnisse zu 
dem Umfange oder der Art des Betriebs ge- 
  
halten werden, erzwingen (GewO. §§ 128, 139).
	        
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