Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Hebammen und 
alle Schäden, welche einem Schiff oder der 
Ladung desselben oder beiden zum Zwecke 
der Errettung beider aus einer gemeinsamen 
Gefahr von dem Schiffer oder auf dessen Ge- 
heiß vorsätzlich zugesügt werden, sowie auch 
die durch solche Maßregeln ferner verursachten 
Schäden, ingleichen die Kosten, die zu dem- 
selben Zweck aufgewendet werden. Sie wird 
von Schiff, Fracht und Ladung gemeinschaft- 
lich getragen (PGB. 8 700; Binnenschiffahrts- 
gesetz § 78 Abs. 1, 2). Alle übrigen durch 
einen Unfall verursachten Schäden und Kosten 
sind besondere H. und werden von dem Eigen= (5 
tümer des Schiffes und der Ladung, von sedem 
für sich allein, getragen (SGO B. § 701; Binnen- 
schiffahrtsgesetz § 78 Abs. 30. Die Feststellung 
und Verteilung der Schäden (Dispache) er- 
folgt an dem Ort, wo die Reise endet. Der 
Schiffer ist verpflichtet, die Dispache ohne 
Verzug aufzumachen. Bei Seeschiffen erfolgt 
sie durch Dispacheure (s. d.), bei Binnenschiffen 
muß der Schiffer sie selbst aufstellen. Doch ist 
er berechtigt und auf Verlangen eines Be- 
teiligten verpflichtet, die Aufstellung einem 
Dispacheur zu übertragen. Im übrigen sind 
für die Rechtsverhältnisse der H. die Vor- 
schriften des HSOB. 88 700—733 und des 
Binnenschiffahrtsgesetzes 88 78—91 maßgebend. 
Hebammen und Hebammenwesen. Die 
Tätigkeit der Hebamme bildet einen Teil der 
Ausübung der Heilkunde; infolgedessen findet 
die Gew O. auf sie nur insoweit Anwendung, 
als sie ausdrüchliche Bestimmungen darüber 
enthält (GewO. § 6). Dies ist nur der Fall 
im § 30 Abs. 3 das., wonach Hebammen eines 
Prüfungszeugnisses der nach den Landes- 
gesetzen zuständigen Behörde bedürfen. Da- 
mit ist die Bestimmung über die Vorbedin- 
gungen für Erteilung des Prüfungszeugnisses, 
über Art und Umfang der Prüfungen sowie 
die sonstige Regelung des Hebammenwesens 
der Landesgesetzgebung überlassen (OV. 3, 
265; 11, 302 und 17, 365). Für Preußen ist 
diese Regelung erfolgt durch die Allg Bf. vom 
6. Aug. 1883, betr. das Hebammenwesen (MBl. 
211), ergänzt durch Erl. vom 16. Mai 1884 
(Ml. 124) und abgeändert durch Erl. vom 
24. Febr. 1900, betr. Vereidigung (MWl. 100). 
Danach steht die gewerbliche Ausübung der 
geburtshilflichen Tätigkeit durch Frauen inner- 
halb des preuß. Staats nur den Hebammen 
zu, welche ein Prüfungszeugnis einer preuß. 
Behörde erhalten haben, unbeschadet der für 
Grenzbezirke durch Staatsverträge getroffenen 
anderweiten Festsetzungen. Die Zulassung zur 
Prüfung setzt voraus die Absolvierung eines 
vollständigen, in der Regel mindestens sechs- 
monatlichen Kursus an einer preuß. Hebammen- 
lehranstalt; die Prüfung erfolgt unter Vorsitz 
des Regierungs= und Miedizinalrats nach Maß= 
abe der §§ 82—85 des Regl. vom 1. Dez. 1825 
v. Kamptz, 1826, 195). Anträge auf Zulas- 
sung zu dem Hebammenlehrkursus sind für 
die staatlichen Lehranstalten an den Regie- 
rungspräsidenten, für die provinziellen und 
Rkommunalständischen Anstalten an die in ihren 
Reglements bezeichneten Stellen zu richten. 
Vorzugsweise aufgenommen werden Schüle- 
rinnen, welche von Gemeinden, Ortsarmen- 
Hebammenwesen. 
  
  
  
  
  
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verbänden oder Hebammenbezirken vorgeschla- 
gen sind. Voraussetzung zur Aufnahme ist in 
jedem Falle Rörperliche und geistige Befähi- 
gung, insbesondere Kenntnis des Lesens und 
Schreibens, ferner Zuverlässigkeit und un- 
bescholtener Ruf, insbesondere dürfen die Be- 
werberinnen nicht außerehelich geboren haben, 
endlich ein Alter zwischen 20 und 30 Jahren. 
(In den beiden letzten Fällen ist indes Dis- 
pensation zulässig — Erl. vom 16. Mai 1884; 
s. o.) Die körperliche und geistige Befähigung 
ist durch Attest des Kreisarztes nachzuweisen 
ienstanw. für die Kreisärzte vom 23. März 1901 
— MMB#l. 2 — § 60), die übrigen Erfor- 
dernisse durch Bescheinigung der Ortspolizei- 
behörde, das Alter durch Geburtsschein. Schüle- 
rinnen, welche kostenfreie Ausbildung im In- 
stitut genossen haben, sind bei Vermeidung 
der Erstattung der Rosten verpflichtet, eine 
ihnen vom Regierungspräsidenten angewiesene 
Stelle als Bezirkshebamme mindestens drei 
Jahre lang zu verwalten. Aach bestandener 
Prüfung erfolgt die Aushändigung des 
Prüfungszeugnisses — wegen der Stempel- 
pflicht s. TSt. 77 zum LStG. und Erl. vom 
12. Juni 1902 (M Ml. 211) — unter gleich- 
zeitiger Vereidigung der Hebamme nach der 
im Hebammenlehrbuch vorgesehenen Eides- 
norm durch den Vorsitzenden der Prüfungs- 
kommission (Erl. vom 24. Febr. 1900 s. o.). Die 
besonderen Berufspflichten der Hebammen s. 
in §§ 5, 6 Allg Bf. vom 6. Aug. 1883; danach 
hat u. a. jede Hebamme bei Beginn ihres Ge- 
werbes sich beim Kreisarzt persönlich zu melden, 
bei Ausübung ihres Gewerbes die Vorschriften 
des Hebammenlehrbuchs — Ausgabe 1904 im 
Verlage von Jul. Springer, Berlin; s. Erl. 
vom 30. Sept. 1904 (MMIBl. 350) — zu be- 
achten und sich alle drei Jahre einer Nach- 
prüfung vor dem Kreisarzt zu unterziehen, 
der auch die medizinalpolizeiliche Aufsicht über 
ihre Berufstätigkeit führt; s. Dienstanweisung 
für die Kreisärzte §§ 57 ff. In verschiedenen 
Provinzen, z. B. in Ostpreußen, Hannover, 
Westfalen, Sachsen, Schlesien, Rheinprovinz, 
finden alljährlich an den Hebammenlehranstal- 
ten unentgeltliche Wiederholungskurse für 
Hebammen statt, um diese in ihren Kennt- 
nissen zu befestigen und über den Stand der 
geburtshilflichen Praxis auf dem laufenden 
zu erhalten. Die Wahrung des Berufs- 
eheimnisses liegt den Hebammen in gleicher 
Wese ob, wie den Arzten (St B. § 300), auch 
haben sie zu diesem Zweck dieselben Rechte 
bezüglich Ablehnung des gerichtlichen Zeug- 
nisses und Sachverständigengutachtens wie 
jene; s. die betreffenden Vorschriften unter 
Arzte IV. Die Vergütung für die Hilfsleistun- 
gen der Hebammen unterliegt der freien Ver- 
einbarung; für Bezirkshebammen gelten 
die von den Regierungspräsidenten festgestell- 
ten Taxen; s. Erl. vom 2. Juni 1870 — 
AM#l.# 186; vom 11. Okt. 1871 — MBl. 305; 
vom 6. Aug. 1883 ls. o.]; auch für Schleswig- 
Holstein G. vom 23. April 1875 — GS. 201. 
Die Gebührenforderungen der Hebammen ver- 
jähren in zwei Fahren (BE. § 196 Ziff. 14); 
sie genießen ein Vorrecht im Konkurse des 
Schuldners (KO. vom 17. Mai 1898 § 61 Ziff. 4); 
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