Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Jagd und Jagdrecht. 
Landesfauna und der Landessitte. Allgemein 
zerfällt es in die beiden großen Klassen der 
Säugetiere (Haarwild) und der Vögel 
(Federwild) und umfaßt diejenigen wilden 
Tiere, deren Fleisch, Gehörn, Balg, Eier ge- 
nutzt werden, sowie die Raubtiere (carnivora) 
und Raubvögel. icht zur Jagd gehören alle 
Fische, deren Aneignung Gegenstand des Fisch- 
fangs ist. Unter Jagd im engeren Sinne 
ist nur die auf Aneignung von jagdbaren Tieren 
((. Jagdbarkeic) gerichtete Tätigkeit zu ver- 
stehen. Das Wort „Jagdrecht“ hat eine doppelte 
Bedeutung, einmal das ausschließliche Recht, 
innerhalb eines bestimmten Gebiets die Jagd 
im engeren Sinne auszuüben (Jagdrecht im 
subsektiven Sinne — Befugnis oder Berechti- 
gung), sodann den Inbegriff aller Bechts- 
normen, die sich auf die Jagd beziehen (Jagd- 
recht im objektiven Sinne). 
II. Das Jagdrecht hat sich in den einzel- 
nen Ländern verschieden entwichelt. 
Bach römischem Recht ist bestritten, ob dem 
Grundeigentümer ein ausschliehliches Jagd- 
recht zustand. Die herrschende Meinung geht 
dahin, daß die jagdbaren Tiere, die sich ihrer 
Rechtsstellung nach von sonstigen wilden Tieren 
nicht unterschieden und res nullius waren, von 
jedermann überall okkupiert werden konnten, 
mit der Einschränkung, daß der Eigentümer 
des Grund und Bodens das Betreten des 
letzteren verbieten durfte, also die Jagdaus- 
übung tatsächlich zu hindern in der Lage war. 
Andere BRechtslehrer wollen diese Möglichkeit, 
die Jagdausübung Dritter auszuschließen, zu 
einem Recht des Grundeigentümers auf 
alleinige Jagdausübung auf seinen Grund- 
stücken erweitern und sehen in der Jagdaus- 
übung eine aus dem Eigentum fließende 
Autzung des Grundstücks, wenn sie auch nicht 
so weit gehen, ein ausschließliches Recht des 
Eigentümers auf das auf seinem Lande sich 
aufhaltende Wild anzuerkennen. Der Okku- 
pant wird deshalb in jedem Fall Eigentümer 
des Wildes. Nach ältester deutscher Rechts- 
auffassung stand allen Moarkgenossen das 
Jagdrecht auf der gemeinsamen Feldmark zu 
und war ein ausschließliches Recht der betei- 
ligten Markgenossen; da zu den Markgenossen 
nur gemeinfreie Leute gehörten, war das Jagd- 
recht ein Recht der Freien. Nach Entstehung 
des Sondereigentums an einem Teil der Feld- 
mark galt das Jagdrecht auf diesem als ein 
Individualrecht des gemeinfreien Grundeigen- 
tümers an seinem Grand und Boden und war 
ein Bestandteil des dem Gemeinfreien zu- 
stehenden echten Eigentumso. Dieses Becht 
wurde jedoch schon frühzeitig manchen Grund- 
besitzern gegenüber beschränkt, womit eine Tren- 
nung des Jagdrechts vom Eigentumsrecht an- 
ebahnt wurde, und zwar wirkten verschiedene 
Amstände auf dieses Ziel hin. Bezüglich der 
roßen Waldungen erfolgte die Entziehung des 
Fachrechts durch die Inforestierung. Schon die 
fränkischen Könige hatten damit angefangen, 
einen Teil der Wälder, zunächst wohl nur die 
noch nicht von den Markgenossenschaften in 
Besitz genommenen, für sich oder zur Ver- 
leihung an geistliche und weltliche Große mit 
Beschlag (mit dem Forst= und Wildbann) zu 
  
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belegen. derart, daß ihnen oder den Beliehenen 
die Hauptnutzungen (Holz= und Jagdnutzung), 
Dritten aber nur die A-ebennutzungen zustan- 
den (Schließung für den gemeinfamen Ge- 
brauch — Einforstung, Inforestierung). Diesem 
Beispiel folgten bald die Großen aus eigenem 
Recht und dehnten das Bannrecht auch auf 
die Markenwaldungen der Markgenossen- 
schaften oder auf die Waldungen einzelner 
Personen aus, so daß den Markgenossen oder 
den Einzelbesitzern dort das ihnen früher zu- 
stehende JFagdrecht genommen wurde. Eine 
weitere Entziehung des Jagdrechts erfolgte 
dadurch, daß ein immer größerer Teil der 
ländlichen Bevölkerung in Abhängigkeit von 
Personen privilegierten Standes kam. Schon 
in früheren Zeiten war den Unfreien ein ge- 
wisses Eigentumsrecht an den ihnen vom Hof- 
herrn überlassenen Grund und Boden einge- 
räumt gewesen, das sog. unvollkommene 
Eigentum; mit diesem waren jedoch nicht alle 
Rechte, die zum echten Eigentum des gemein- 
freien Eigentümers gehörten, insbesondere 
nicht das Jagdrecht, verbunden, sondern dem 
Hofherrn vorbehalten gewesen. Je drücken- 
der später die den Gemeinfreien obliegenden 
öffentlichrechtlichen Lasten, insbesondere die 
Heerbannpflicht, wurden, in um so größerem 
Umfang hielten zahlreiche Gemeinfreie es, zu- 
mal seit der Zeit der Karolinger, für geraten, 
in ein Abhängigkeits= und Schutzverhältnis 
um Adel und zur Kirche zu treten, in der 
rt, daß sie diesen ihren zu echtem Eigentum 
besessenen Grundbesitz übertrugen und zu un- 
vollkommenem Eigentum, aber frei von jenen 
Lasten, zurüchnahmen. Das so geschaffene Ab- 
hängigkeitsverhältnis gestaltete sich verschieden. 
Wo eine wirtliche Untertänigkeit hergestellt 
wurde, war stets der Verlust des Jagdrechts 
damit verbunden. Bei der späterhin sich mehr 
entwickelnden Institution des Lehnswesens ver- 
lor der bäuerliche Vasall gemeinhin das Jagd- 
recht, während es dem ritterlichen Vasall ganz 
oder wenigstens im beschränüten Umfang neben 
dem Lehnsherrn (sog. Alitjagd oder als Jagd- 
recht nur auf gewisse Wildarten) belassen 
wurde. Soweit dem bäuerlichen Besitzer nach 
dieser Entwichlung noch ein Jagdrecht ge- 
blieben war, schwand es im Laufe der Zeit 
immer mehr dahin, mehr es gegen Ende 
des Mittelalters dem Adel gelang, den Bauern 
die Untertänigkeit auch dann aufzuzwingen, 
wenn diese sich nicht freiwillig in ein Ab- 
hängigkeitsverhältnis zu ihm begeben hatten, 
jedoch war die Ausgestaltung des Rechtsver- 
hältntsses bezüglich der Jagd in den einzelnen 
andesteilen verschieden. Das so entstandene 
Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden be- 
zog sich nicht auf alle wilden Tiere, sondern 
nur auf diejenigen, die nach Herkommen und 
Landessitte jagdbar waren; die übrigen durfte 
der Grundbesitzer selbst erlegen. Wo es nicht 
gelang, das Jagdrecht den Bauern ganz zu 
nehmen, oder wo, wie bei den ritterbürtigen 
Vasallen, ein Teil des Jagdrechts belassen 
wurde, erfolgte oft eine verschiedene Ein- 
teilung der jagdbaren Tiere in solche der hohen 
und niederen oder auch, unter Einschiebung 
einer Zwischenstufe, der hohen, mittleren und 
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