Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Impfung von Tieren — Inanspruchnahme 
weis darüber, daß die Impfung erfolgt oder 
aus welchem Grunde sie unterblieben ist 
Reichsimpfgesetz § 12). Die Gebühren für 
Duplikate usw. von Impfscheinen fließen den 
Kreisen zu (G. vom 12. April 1875 — GS. 191 
— § 2 Abs. 2). 
Impfung von Tieren. Die J. von Tieren, 
die einer Seuchengefahr ausgesetzt sind, gehört zu 
den Maßregeln, die nach dem. Wiehleuchengeset 
vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894/(RGEBl. 1880, 153; 
1894, 409) polizeilich angeordnet werden können. 
Sie ist jedoch nach dem gegenwärtigen Stande 
der Gesetzgebung nur bei Lungenseuche und 
bei Schafpochen zulässig (88 23, 45—47 a. a. O.) 
und hat, da beide Seuchen erloschen sind, zur- 
zeit keine praktische Bedeutung mehr. Im 
übrigen aber hat sie einerseits als diagnosti- 
sches Mittel (s. Perlsucht, auch Rotzkrank-= 
heit), andererseite als Schutzimpfung (s. 
Milzbrand, otlauf der Schweine, 
Schweineseuche) in der tierärztlichen 
Heilkunde eine immer stärker hervortretende 
Rolle zu spielen begonnen. Es ist zu er- 
warten, daß bei der bevorstehenden Revision 
der Biehseuchengesetzgebung (s. Biehseuchen- 
gesetze) der Impfung auch als veterinär- 
polizeilicher Maßregel mehr als bisher Rech- 
nung getragen wird. 
Imprägnieranstalten s. Holzimprägnie- 
rungsanstalten. 
Inanspruchnahme von Wegen für den 
öffentlichen Berkehr. I. Die IJnanspruchnahme 
von Wegen oder Wegeteilen für den öffent- 
lichen Verkehr ist begrifflich verschieden von 
der Feststellung der Eigenschaft eines Weges 
als eines öffentlichen gegenüber dem Wege- 
baupflichtigen (OB. 20, 221) und von der 
Umwandlung von Privatwegen in öffentliche 
Wege (OV. 9, 219 ff.; 10, 213). Sie greift 
Platz, wenn bei Wegen, Wegeteilen oder Zu- 
behörungen eines Weges, die die Wegepolizei 
als öffentliche ansieht, die Offentlichkeit von 
irgend einer Seite in Zweifel gezogen wird 
(OW. 2, 238; 9, 207 ff., 211; 12, 271; 20, 
221; 21, 247; 27, 216). Sie setzt nicht not- 
wendig einen tatsächlichen Eingriff voraus, 
der mit der öffentlichen Eigenschaft des Weges 
in Widerspruch steht. Es genügt die bloße 
Behauptung eines die Offentlichkeit beschrän- 
kenden Rechts (O. 37, 223; vgl. auch OV. 
32, 339; 33 S. 281, 289). Sie ist ein Ausfluß 
der Pflicht und des Rechts der Wegepolizei- 
behörde, für die unverkürzte Verwendbartkeit 
der Wege für den öffentlichen Verkehr zu 
sorgen, und ist unter Ausschluß des Rechts- 
weges ausschließlich der Wegepolizei, nicht 
der Wegebaupolizei (OBV. 21 S. 244, 247 
und die dort angeführten Entsch.; Jebens im 
Pr VBl. 18 S. 244, 262), vorbehalten. Privat- 
personen sind nicht legitimiert, einen Weg für 
den öffentlichen Verkehr in Anspruch zu neh- 
men (OW. 3, 186; 14, 381; 18, 248). Bei 
öffentlichen Wegen, die über Eisenbahngelände 
führen, steht demgemäß die Inanspruchnahme 
nicht der Eisenbahnverwaltung oder der Bahn- 
polizei, sondern der Wegepolizeibehörde zu 
(OV. 31, 198). Die Inanspruchnahme erfolgt 
gegenüber demjenigen, welcher das Verfügungs- 
recht über das Wegegelände beansprucht. Sie 
  
von Wegen für den öffentlichen Berkehr. 853 
setzt nicht den Bachweis der Motwendigkeit 
für den öffentlichen Verkehr oder eines öffent- 
lichen Verkehrsinteresses voraus, sondern nur 
den NRachweis der Tatsache, daß der Weg un- 
angefochten dem öffentlichen Verkehr gedient 
hat, sowie ferner, daß seine Eigenschaft als 
Privatweg nicht erhellt (OV. 27, 223). Ist 
letzteres der Fall oder steht die Geltendmachung 
einer rechtswirksam begründeten Grundgerech- 
tigkeit an einem öffentlichen Wege in Frage, 
so ist die Inanspruchnahme nicht statthaft 
(OV. 9, 2098). 
II. Die Inanspruchnahme erfolgt in der 
Form der polizeilichen Anordnung (36. 
560). Die Form der öffentlichen Bekanntmachung 
ist nicht anwendbar (OVG. 31, 191). Dagegen 
kann sie auch implicite, z. B. in der Ablehnung 
eines auf Bebauung eines Teils eines öffent- 
lichen Weges gerichteten Baugesuchs, stattfinden 
(O##. 32, 339; 33, 281). Uber Inanspruch- 
nahme durch unmittelbaren Zwang vgl. O. 
38, 250. Gegen die Anordnung der Wege- 
polizeibehörde ist gemäß § 56 Abs. 1 ZG. bin- 
nen zwei Wochen der Einspruch an die an- 
ordnende Behörde und gegen deren Beschluß 
ebenfalls binnen zwei Wochen die Klage im 
Verwaltungsstreitverfahren gegeben. Zu dem 
Streitverfahren ist der Wegebaupflichtige, als 
am Ausgange beteiligt, zuzuziehen (OV. 2, 
239). Zur Begründung, ist der Nachweis des 
freien Eigentums des Klägers nicht unerläß- 
lich. Es genügt, wenn anderweit dargetan 
wird, daß der Weg tbein öffentlicher ist 
(OV. 12, 268). Andererseits hat der Eigen- 
tümer eines in Anspruch genommenen Weges, 
da die Vermutung für die Freiheit des Eigen- 
tums spricht, nicht die Freiheit, sondern die 
Wegepolizeibehörde hat die Beschränkung zu- 
gunsten des öffentlichen Verkehrs nachzuweisen 
(OVS. 20, 219; 27, 222). Die Aufrechterhal= 
tung der Anordnung hat die Feststellung, 
daß der Weg ein öffentlicher ist, zur Vor- 
aussetzung (OVG. 20, 216). Die Offentlich- 
keit des Peges bildet jedoch nicht den Gegen- 
stand des Streitverfahrens, sondern nur 
einen Inzidentpunkt. Die Rechtskraft der 
Entscheidung erstrecht sich daher nur auf die 
einzelne polizeiliche Anordnung, nicht auf 
die Offentlichkeit des Weges im allgemeinen 
(OVS#. 35, 285). Diese kann daher immer 
aufs neue bestritten und infolgedessen der 
Weg wiederholt zum Gegenstande der In- 
anspruchnahme gemacht werden. Eine Ein- 
schränkung erfährt dieser Zustand, der darauf 
inausläuft, daß es nicht möglich ist, die 
ffentlichteit eines Weges mit Rechtswir- 
kung gegen jedermann festzustellen, durch § 16 
Abs. 3 der Wegeordnung für Westpreußen 
vom 27. Sept. 1905 (GS. 357), wonach hin- 
sichtlich Katastrierter Provinzial= und Kreis- 
wege die Vermutung für die BRichtigkeit des 
Wegeverzeichnisses und damit für die Eigen- 
schaft dieser Wege als öffentliche spricht. 
III. Demsjenigen, welcher Privatrechte an 
einem für den öffentlichen Verkehr in Anspruch 
genommenen Wege geltend macht, steht die 
Erhebung von Entschädigungsansprüchen und 
  
deren Verfolgung im Rechtswege gegen den 
Wegebaupflichtigen offen (66. 56 Abs. 8)
	        
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