Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Kleinbahnen. 
Die Anbringung dieser Beschwerde an den 
Md"%5 A ist in Anbetracht des § 52 (Satz 2) des 
G. an die im § 130 LVö. vorgesehene Prä- 
Elusivfrist von zwei Wochen gebunden (Erl. 
des Mdö A. vom 1. Juni 1900 — Z. f. 
Kleinb. 1900, 392). Soweit es sich um Ange- 
legenheiten der nicht mit Maschinenhraßt be- 
triebenen K. handelt, greifen die nach 88 127 
bis 130 LVS. zulässigen Rechtsmittel, auch 
hinsichtlich der Zuständigkeit, Platz (Kleinbahn= 
gesetz § 52 a. E.). 
VI. Staatlicher Erwerb. Der zwangs- 
weise staatliche Erwerb einer K. kann nur 
gegen Entschädigung des vollen Wertes nach 
einer mit einjähriger Frist vorangegangenen 
Ankhündigung und nur dann erfolgen, wenn 
die K. nach Entscheidung des St Al eine solche 
Bedeutung für den öffentlichen Verkehr ge- 
wonnen hat, daß sie als Teil des allgemeinen 
Eisenbahnnetzes zu behandeln ist (Kleinbahn-= 
gesetz § 30). Die Entschädigung ist nach § 31 
a. a. O. regelmäßig nach dem Ertragswerte 
unter Zugrundelegung des — mit 25 zu verviel- 
fachenden — durchschnittlichen steuerpflichtigen 
Einkommens, im Falle des Erwerbes vor 
Ablauf der ersten fünf Betriebsjahre unter 
Zugrundelegung des Jahresdurchschnitts des 
bisher erzielten Reingewinns zu berechnen. 
Der Staat hat ausnahmsweise das Recht, die 
Berechnung der Entschädigung nach dem 
Sachwerte, d. h. nach dem Werte derjenigen 
Gegenstände und Rechte, welche in ihrer 
Vereinigung das Bahnunternehmen bilden, 
zu verlangen, wenn der Unternehmer der ihm 
konzessionsmäßig auferlegten Verpflichtung 
der getrennten Rechnungsführung gemäß § 32 
a. a. O. nicht genügt (ogl. auch §§ 33—35). 
Dasselbe Recht auf Entschädigung nach dem 
Sachwerte kann der Unternehmer im Falle 
des staatlichen Erwerbes innerhalb der ersten 
15 Betriebsjahre geltend machen. Dem nach 
88 34, 35 a. a. O. zu berechnenden Sachwerte 
werden alsdann 20 % bzw. 10% zugeschlagen, 
je nachdem der staatliche Erwerb in den ersten 
fünf Betriebsjahren oder in den nachfolgenden 
zehn Jahren erfolgt (5 33 a. a. O.). Für die 
Zuständigkeit und das Verfahren bei Ermitt- 
lung und Festsetzung der Entschädigung, für 
die Vollziehung und die Wirkungen der 
Ubereignung haben in allen Fällen des 
zwangsweisen staatlichen Erwerbes von 8K. 
die Bestimmungen des Enteignungsgesetzes 
vom 11. Juni 1874 sinngemäße Geltung 
(Kleinbahngesetz 88 36, 37). 
VII. Staatliche Unterstützung. Seit 1895 
sind durch verschiedene Gesetze im ganzen 
89000000 M. zur Förderung des Baues 
von K. der Staatsregierung zur Verfügung 
gestellt worden. Aus diesem Fonds werden 
nach Prüfung der an die Oberpräsidenten zu 
richtenden Anträge Beihilfen an einzelne K. 
durch den MdöA. im Einvernehmen mit dem 
Md J., FM. und AM(L. unter Festhaltung 
folgender Grundsätze gewährt (ogl. die Rund- 
erlasse des MdöA. vom 25. April 1895 — 
Z. f. Kleinb. 1895, 277 ff.; ABl. 128 ff. 
und vom 19. April 1902 — Z. f. 
Kleinb. 1902, 379ff.): 1. Die zu unterstützende 
Bahn muß als K. im Sinne des § 1 des 
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 
  
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Kleinbahngesetzes anerkannt (freigegeben) 
sein (s. unter ) und dem öffentlichen Interesse, 
insbesondere dem Verkehrsinteresse, entsprechen. 
Bahnen, die lediglich dem Personenverkehr 
der Großstädte und ihrer Vororte dienen, oder, 
wenn auch für den öffentlichen Verkehr be- 
stimmt, in der Hauptsache tatsächlich einzelnen 
Verkehrsinteressenten zum Vorteile gereichen, 
werden grundsätzlich von der staatlichen Unter- 
stützung ausgeschlossen. 2. Das Kleinbahn- 
unternehmen muß unterstützungswürdig 
sein, d. h. die Kosten müssen im richtigen Ver- 
hältnisse zu dem zu erwartenden wirtschaft- 
lichen Autzen stehen. Dies setzt regelmäßig 
voraus, daß die Betriebseinnahmen wenigstens 
nach Uberwindung der ersten Schwierigkeiten 
nicht nur die Deckung der Betriebsausgaben, 
sondern auch eine — wenngleich nur mäßige 
— Rente für das Anlagekapital in Aussicht 
stellen. Ausnahmsweise kann aus besonderen 
Gründen die Unterstützungswürdigkeit aner- 
kannt werden, wenn nur auf die Dechung der 
Betriebsausgaben, nicht aber auf einen nen- 
nenswerten Betriebsüberschuß zu rechnen ist. 
Gewerbsmäßigen Unternehmern, die sich an 
staatlich zu unterstützenden K. beteiligen, dürfen 
nur Vorteile zugestanden werden, die im rich- 
tigen Verhältnisse zu ihren Leistungen stehen. 
Die Frage der Unterstützungs (Bau-z würdigkeit 
ist von der zuständigen kgl. Eisenbahndirek- 
tion auf Grund des Bauentwurfs, Kostenan- 
schlags und der Ertragsberechnung im Ein- 
vernehmen mit der an der Finanzierung gleich- 
falls beteiligten Provinzialverwaltung technisch 
und wirtschaftlich zu prüfen. 3. Das Klein- 
bahnunternehmen muß in dem Grade unter- 
stützungsbedürftig sein, daß es ohne Bei- 
hilfe des Staates nicht zustände käme. Es 
ist also die Leistungsunfähigkeit der Unter- 
nehmer zur vollständigen Aufbringung der 
durch Vorleistungen der zunächst Beteiligten 
und Beihilfen höherer Kommunalverbände 
nicht gedechten Kosten der Anlage darzutun. 
4. Voraussetzung für die Staatsunter- 
stützung ist ferner eine angemessene Beteili- 
gung des Kreises und der Provinz, sowie 
regelmäßig eine entsprechende Vorleistung der 
zunächst Beteiligten durch unentgeltliche Her- 
gabe des Grund und Bodens oder eines gleich- 
wertigen Kostenbetrages. Die Höhe der Staats- 
unterstützung wird regelmäßig nach der Leistung 
der beteiligten Provinz bemessen. Die Ver- 
wendung der im § 41 des Kleinbahngesetzes 
genannten Provinzialfonds zur Förderung des 
Baues von K. ist in den einzelnen Provinzen 
verschieden geregelt. 5. Der Staat beteiligt 
sich in den meisten Fällen an dem Gewinn 
eines Kleinbahnunternehmens unter Gleichbe- 
rechtigung mit den anderen Zeichnern des An- 
lagekapitals, also als Aktionär, Gesellschafter. 
In geeigneten Fällen findet die Gewährung 
von niedrig verzinslichen Tilgungsdarlehnen, 
vielfach mit steigendem Zinsfuße unter Be- 
rücksichtigung der Höhe des Reingewinns 
statt. Verlorene Zuschüsse werden nur in 
ganz besonderen Fällen und auch dann nur 
in mäßigen Beträgen gewährt. Die Form 
der Zins= und Ertragsgarantie ist für staat- 
liche Unterstützung von K. ganz ausgeschlossen. 
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