Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

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größern („Legen der Bauern“), durch Verbote 
der Lahdesherten Einhalt getan (s. Normal- 
jahr 
II. Geit nach Einführung des 
ALR.) Dies war der Zustand, den das ALR. 
für die preuß. Staaten vorfand und im wesent- 
lichen auch aufrechterhielt. In Neuvorpommern 
und Rügen, wo das AL#R. nicht eingeführt wurde, 
blieb die altschwed. Dorfverfassung bestehen. 
Das ALsR. legte den „Dorfgemeinen“, die bei 
seiner (in den einzelnen Provinzen zu verschiede- 
nen Zeiten erfolgten) Einführung bestanden, die 
Rechte der öffentlichen Korporatio- 
nen bei und regelte das Verhältnis der Guts- 
herrschaft zu ihren Untertanen (ALR. II, 7). Die 
Dorfgemeine wurde von den Besitzern der in 
einem Dorfe oder in dessen Feldmark (s. d.) ge- 
legenen bäuerlichen Grundstücke gebildet. Sie 
war hiernach noch eine Realgemeinde, während 
die jetzige L. sich als eine Einwohnergemeinde dar- 
stellt (s. Gemeindeangehörige ufw., Land- 
gemeinden — Gemeinderecht). Nach der 
Einführung des AL. (1. Juli 1794, in den im 
Jahre 1814 wiedergewonnenen Landesteilen 
1. Jan. 1815, in den ehemals zum Herzogtum 
Warschau- gehörigen Teilen Westpreußens 1. Jan. 
1817, in den ehemals kgl. sächs. Landesteilen 
1. März 1817) haben Ortschaften nur durch Ver- 
leihung des Königs die Eigenschaft von L. er- 
halten können. Für die frühere Zeit genügt der 
Nachweis, daß entweder eine bäuerliche Feld- 
mark mit bäuerlichen Besitzern vorhanden ge- 
wesen ist (die regelmäßige Grundlage der L.), 
oder (namentlich bei Fischerdörfern, Gärtner- 
dörfern u. dgl.), daß die Ortschaft als Gemeinde 
organisiert gewesen ist. Kennzeichen eines Ge- 
meindelebens ist besonders das Vorhandensein 
eines Gemeindevorstandes, gemeinsamer Einrich- 
tungen für die Ortsbewohner und einer auf Ge- 
meindezwecke gerichteten Tätigkeit, wie z. B. Ge- 
meindeweide, Gemeindewald, gemeinschaftliche 
Wegeunterhaltung, Abschluß von Gemeindever- 
trägen mit Dritten (O## G. 7 S. 203, 205, 207; 
9, 91; 39, 123). Den Gutsherren wurde die Ein- 
ziehung bäuerlicher Besitzungen ohne staatliche 
Genehmigung verboten und ihre gehörige Be- 
setzung anbefohlen. Für ihr Verhältnis zu ihren 
Untertanen sollten die bisherigen Provinzial- 
gesetze und die auf ihnen beruhenden besonderen 
Ortsverfassungen maßgebend bleiben, die land- 
rechtlichen Vorschriften aber nur in Ermangelung 
solcher Bestimmungen zur Anwendung kommen. 
Die Gutsherrschaften sollten sich ihrer Untertanen 
in Notfällen annehmen und für die Erziehung der 
Kinder derselben sorgen. Die Untertanen dagegen 
waren ihrer Herrschaft gegenüber zu Treue, Ehr- 
furcht und Gehorsam, sowie zu bestimmten Ab- 
gaben und Diensten verpflichtet, deren Umfang 
zunächst von den Kauf= und Annahmebriefen der 
Untertanen, dann von den Erb= und Dienst- 
registern oder Urbarien (s. d.) und in letzter Linie 
von den Vorschriften der Provinzialgesetze ab- 
hing. Die ehemalige Leibeigenschaft wurde über- 
all aufgehoben. Doch bedurften die Untertanen 
der Erlaubnis der Herrschaft, wenn sie das Gut 
verlassen wollten und hatten hierfür ein Los- 
lassungs= oder Abzugsgeld zu zahlen. Die mit 
dem Jahre 1807 beginnende neue Agrargesetz- 
gebung führte zu einer völligen Umgestaltung des 
Landgemeinden. 
bäuerlich-gutsherrlichen Verhältnisses (s. Guts- 
herrlich-bäuerliche Regulierun- 
gen), zur Beseitigung der Erbuntertänigkeit, 
Verleihung des Eigentums der bäuerlichen 
Grundstücke an ihre bisherigen Besitzer und zur 
Ablösung der Dienste und Lasten, die auf ihnen 
ruhten Iä. Ablösung der Reallasten). 
Es trat eine strenge Trennung des Bauernlandes 
von dem gutsherrlichen Vorwerkslande und hier- 
mit eine feste Abgrenzung des Gemeindebezirks 
vom Gutsbezirk ein (s. Auenrecht, Ge- 
meindebezirke, Gutsbezirke, Nor- 
maljahre, Wüste Hufen). Durch G. 
vom 1. Jan. 1849(GS. 1) wurde die Patrimoniak= 
gerichtsbarkeit der Gutsherren in Preußen auf- 
gehoben und die Gerichtsbarkeit über die guts- 
untertänigen L. den staatlichen Gerichtsbehörden 
übertragen. 
  
  
III. (Neuere Gesetzgebung.) Nach- 
dem die bereits in den Jahren 1809—1815 unter- 
nommenen Versuche einer Neugestaltung der Ge- 
meindeverhältnisse auf dem platten Lande er- 
folglos geblieben waren, und auch ein für die 
Prov. Preußen im Jahre 1835 ausgearbeiteter 
Entwurf einer LGO. keine Annahme gefunden 
hatte, gab der Erlaß der VU. wiederum Grund 
zu neuem gesetzgeberischen Vorgehen auf diesem 
Gebiete. Durch die Gem O. vom 11. März 1850 
(G. 213) sollten im ganzen damaligen Staats- 
gebiet die Verhältnisse der Stadt-- und Landge- 
meinden einheitlich geregelt werden. Bevor diese 
Regelung aber überall durchgeführt war, wurde 
das Gesetz bereits durch Erl. vom 19. Juni 1852 
(G. 388) vorläufig und durch G. vom 24. Mai, 
18 3 (GS. 238) endgültig aufgehoben. Die Be- 
schlüsse, die von den zur Ausführung dieser Gem O. 
eingesetzten Kreiskommissionen über die Bildung 
von Gemeinden gefaßt worden sind, haben nur 
dann Rechtswirkungen gehabt, wenn sie von dem 
Md J. genehmigt und im Amtsblatt bekanntge- 
macht worden waren (OG. 25, 156). Durch G. 
vom 14. April 1856 (G S. 353) wurde unter Abände- 
rung des Art. 42 V U. die durch sie aufgehobene 
obrigkeitliche Gewalt der Gutsherren wiederher- 
gestellt. Dagegen wurden sowohl deren Patri- 
monialgerichtsbarkeit mit dem aus ihr fließenden 
Recht auf Abgaben als auch die aus dem gerichts- 
und schutzherrlichen Verbande, der früheren Erb- 
untertänigkeit, der früheren Steuer= und Ge- 
werbeverfassung herstammenden Verpflichtungen 
aufgehoben. Gleichzeitig ergingen am 14. April 
1856 ein G., betr. die ländlichen Obrigkeiten (G S. 
354) und ein G., betr. die Landgemeindever- 
fassung in den sechs östl. Provinzen (G. 359). 
Das erstere traf Bestimmungen darüber, unter 
welchen Voraussetzungen die ortsobrigkeitliche 
Gewalt den Gutsherren entzogen und auf den 
Staat übertragen werden durfte, sowie über die 
Ernennung der Schulzen und Schöffen in den L. 
durch die Gutsherrschaft; das letztere enthielt 
namentlich Normen für Bezirksveränderungen, 
das Stimmrecht und die Abgabenpflicht in den L. 
Beide Gesetze sind durch die spätere Gesetzgebung, 
namentlich die Kr O. vom 13. Dez. 1872 und die 
GemO. vom 3. Juli 1891, beseitigt worden. 
IV. In der Provinz Sachsen hatte die 
Zwischenherrschaft des Königreichs Westfalen eine 
Vereinigung der Rittergüter und der bäuerlichen 
Gemeinden zu einheitlichen L. herbeigeführt. Die 
 
	        
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