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Zuschläge zu berechnen und festzusetzen. Andern-
falls erfolgt bei der Gemeindeeinkommensteuer
eine selbständige Festsetzung. Dies gilt auch
bei der Grund= und Gebäudesteuer; werden
Prozente der staatlich veranlagten Steuer er-
hoben, so besteht die Festsetzung der N. in der
Berechnung dieser Prozente von dem nach der
Mitteilung der staatlichen Veranlagungsbehörde
vorenthaltenen Prinzipalsteuerbetrage. Dieses
Verfahren, daß die Staatsbehörde den letzteren
dem Gemeindevorstand mitteilt und dieser hiernach
die N. festsetzt, sollte nach Erl. vom 29. Jan. 1900
(Mittd St. 40, 49 ff.) auch bei der Gewerbe-
steuer Platz greifen trotz §§ 70 Abs. 2 und 78
Abs. 3 GewStG. UÜübereinstimmend mit der
schon in der früheren Auflage d. W. vertretenen
Ansicht hat O G. 50, 116 diese Auffassung repro-
biert, und dem ist der ME. vom 23. März 1907
(Mittd St. 49, 38) durch entsprechende Anderung
des Art. 51 Ziff. 6, 7 der Ausf Anw. zum Gewöt G.
gefolgt; das Verfahren gestaltet sich daher wie
bei der Einkommensteuer; nur bleibt natürlich
die von der Regierung festgesetzte Gewerbenach=
steuer unerhoben, und nur die hiernach berech-
neten Prozente für die Gemeinde werden ein-
gezogen. Da der § 78 Gewöt G. dem früheren
§ 80 des Eink St G. vom 24. Juni 1891 entspricht,
so findet auf jenen nach wie vor die durch den
§ 85 des Eink St G. vom 19. Juni 1906 ausgeschlos-
sene Auslegung des OVGSt. 10, 435 Anwendung,
wonach auch bei völliger Ubergehung eine N.
nur auf Grund neuer, bisher nicht bekannter
Tatsachen erfolgen darf. Der N. sind bei der
Gewerbesteuer zugrunde zu legen: 1. in
Fällen strafbarer Hinterziehung: a) wenn das
Gewerbe erst nach Beginn der letztjährigen Ver-
anlagung neu angefangen ist, in den Klassen II,
III und IV der Mittelsatz, in Klasse 1 ein vom
Vorsitzenden des Steuerausschusses vorzuschlagen-
der Steuersatz; b) in anderen Fällen ein für jedes
Jahr gesondert nach dem Ertrage bzw. Anlage-
und Betriebskapital vom Ausschußvorsitzenden
vorzuschlagender Steuersatz (GewöSt G. § 78;
AusfAnw. Art. 52). Bei indirekten Ge-
meindesteuern, welche sich an einen wirtschaft-
lichen Vorgang knüpfen, und bei denen daher eine
periodische Veranlagung für einen gewissen Zeit-
raum nicht stattfindet, kann von einer N. im
eigentlichen Sinne nicht die Rede sein, sondern
nur von einer Nachforderung im Sinne der nach-
träglichen Geltendmachung einer bestehenden
Steuerforderung. Die konkrete Steuerforderung
entsteht hier bereits mit dem der Besteuerung
unterworfenen wirtschaftlichen Vorgang und geht
daher auch auf die Erben über (O# G. 55, 128).
Eine Nachforderung in diesem Sinne gestattet § 87
Nachtwachtwesen
gebenden Konsequenzen vgl. diese Entsch. des
O##G.). Alle Nachforderungen von Gemeinde-
abgaben und -dlensten unterliegen der Anfech-
tung durch dieselben Rechtsmittel, wie die recht-
zeitige Forderung (s. Kommunalabga-
bengesetz II D 4).
IV. N. in der Kreisbesteuerung.
Soweit nach dem Kreis= und Provinzialabgaben-
gesetz vom 23. April 1906 (GS. 159) (s. Kreis-
abgaben) noch eine Individualheranziehung
zu den direkten Kreissteuern stattfindet, richtet
sich die Nachbesteuerung ebenso wie diejenige
hinsichtlich der indirekten Kreissteuern nach den
für indirekte Gemeindesteuern geltenden Grund-
sätzen (s. o. III a. E.), d. h. sie ist sowohl wegen
Übergehung als auch wegen zu niedriger Heran-
ziehung innerhalb drei Jahren zulässig. Kin-
sichtlich der Betriebssteuer gelten gleiche Vor-
schriften wie bei der Gewerbesteuer. Die Fest-
setzung der N. steht hinsichtlich der Betriebs-
steuer der Regierung zu, gegen deren Festsetzung
Beschwerde an den FM. zulässig ist (Gewt G.
§§ 70, 78, 65; Anw. zur Veranlagung der Be-
triebssteuer vom 5. März 1894 Art. 9; Mittd St.
Heft 40 S. 49 ff.). Im übrigen erfolgt die Fest-
setzung der N. wie die der regelmäßigen Kreis-
steuern; dasselbe gilt von den Rechtsmitteln.
V. Mit N. in anderem Sinne bezeichnet man
auch die bei Einführung neuer oder erhöhter Ver-
brauchssteuern eintretende Versteuerung der bei
Inkrafttreten des neuen Sterergesetzes vor-
handenen Bestände der nunmehr steuerpflichtig
gewordenen oder einer höheren Steuer unter-
liegenden Ware. Beispiele: die N. auf Grund
der §§ 144 ff. des Branntweinsteuergesetzes vom
15. Juli 1909 (Raönl. 661) und auf Grund des
§ 31 des Schaumweinsteuergesetzes vom 9. Mai
1902 (RoGBl. 155).
Nachtwachtwesen. Das durch die Nachtruhe
bedingte Nachlassen der allgemeinen Ausmerk-
samkeit erfordert eine sorgfältige Handhabung des
Sicherheitsdienstes während der Nachtzeit, damit
Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit durch
geplante Verbrechen oder durch Naturereignisse
(Feuers= und Wassersgefahr) rechtzeitig bemerkt
und verhindert werden. Das N. ist ein Zweig
der örtlichen Polizeiverwaltung (G. vom 11.März
1850 — GS. 265 — § 6) und erscheint — abge-
sehen von den Städten mit kgl. Polizeibehörden —
als eine kommunale Einrichtung zu polizeilichen
Zwecken (OG. 37, 114), deren Unterhaltung
eine Gemeindelast bildet (G. vom 11. März 1850
l 3; Erl. vom 26. Aug. 1840 — MBl. 345 — und
vom 28. Febr. 1841 — MBl. 68). Wenngleich
hieraus zunächst nur die Verpflichtung zur Her-
gabe der für das N. erforderlichen Geldmittel
KA. ohne Unterschied, ob die Abgabe gar nicht folgt, so hat sich die historische Entwicklung dahin
oder mit einem zu geringen Betrage erhoben ist, beigestaltet, daß die Gemeinden die Einrichtungen
Verbrauchsabgaben innerhalb eines Jahres selbsttätig errichtet, unterhalten und verwaltet
vom Eintritt der Zahlungsverpflichtung, bei son= haben. Wo nicht eine andere Entwicklung nach-
stigen indirekten Steuern, Gebühren zuweisen ist, steht daher der Polizei die Befugnis
und Beiträgen innerhalb von drei Jahren nach zu, die selbsttätige Herstellung des N. von der
Ablauf des Rechnungsjahres der Entstehung der pflichtigen Gemeinde — im Gutsbezirke vom
Forderung, bei Naturaldiensten, soweit die Nach= Gutsherrn — durch polizeiliche Verfügung ge-
leistung überhaupt noch möglich ist, innerhalb des mäß § 127 LVG. zu verlangen (O# G. 50, 49).
laufenden Rechnungsjahres. Die Fristen für Auch wenn der Nachtwachtdienst nicht durch an-
die Nachforderung von Gemeindeabgaben sind gestellte Nachtwächter versehen, sondern von den
nach OVG. 38, 131 trotz KA#. 8 94 Verjährungs-, Gemeindemitgliedern abwechselnd persönlich ge-
nicht Ausschlußfristen (über die sich daraus er= leistet wird, gereicht er der gesamten Einwohner-