Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

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Notstände (wirtschaftliche) — Notverordnungen 
fahr zulässig ist. Nach § 54 StGB. ist nämlichs Notstände (wirtschaftliche),. I. Während 
eine strafbare Handlung nicht vorhanden, wenn wirtschaftliche N. einzelner Personen, die der 
die Handlung außer dem Falle der Notwehr in Mittel zur Beschaffung des notdürftigen Unter- 
einem unverschuldeten, auf andere Weise nicht halts und der erforderlichen Krankenpflege ent- 
zu beseitigenden N. zur Rettung aus einer gegen= behren, im Wege der öffentlichen Armenpflege 
wärtigen Gefahr für Leib und Leben des Täters (s. d.) beseitigt werden sollen, kann der Umstand, 
oder eines Angehörigen begangen worden ist. daß ein N. sich auf einen großen Bezirk erstreckt 
Hierbei sind, wie überhaupt im Sinne des St= und die wirtschaftliche Existenz einer großen Zahl 
GB., als Angehörige anzusehen Verwandte und von Familien gefsährdet, dem Staate Anlaß 
Verschwägerte auf- und absteigender Linie, geben, aus seinen Mitteln Unterstützungen und 
Adoptiv= und Pflegeeltern und kkinder, Ehe-Hilfe zu gewähren. Eine allgemeine Ver- 
gatten, Geschwister und deren Ehegatten und pflichtung des Staates hierzu ist gesetzlich nicht 
Verlobte (StGB. § 52 Abs. 2); ein Verlöbnis 1 anerkannt. Vielmehr bedarf es in jedem ein- 
besteht dabei schon beim Vorhandensein eines zelnen Falle, wenn die allgemeinen Dispositions- 
ernstlichen Eheversprechens, es ist nicht erforder-sonds nicht ausreichen, eines Gesetzes, durch 
lich, daß ein nach Zivilrecht gültiger Verlöbnis= welches Geldmittel in bestimmtem Umfange der 
vertrag vorliegt (Rt. 38, 212). Über N. bei Staatsregierung zur Beseitigung oder Linderung 
der Abtreibung s. Rö t. 36, 334. Einen Ver- 
mögensnotstand erkennt das StGB. als Straf- 
ausschließungsgrund nicht an. 
  
Gegenüber un- 
von N. zur Verfügung gestellt werden. Da- 
neben treten öfters auch größere Kommunal= 
verbände, namentlich die Provinzial= und die 
mittelbaren Eingriffen der Behörden im Wege Kreisverbände, mit ihren Mitteln auf Grund be- 
von Amtshandlungen ist ein N. nicht denk- 
bar, wohl aber, wenn es sich um die Abwehr 
eines mittelbar durch die behördliche Anordnung 
hervorgerufenen Zustandes handelt, so bei Miß- 
ständen in einer Anstalt, in der ein Kind auf 
Grund des Fürsorgeerziehungsgesetzes unterge- 
bracht ist, sofern sie Leib oder Leben des Kindes 
gefährden und dieser Gefahr nicht anders als 
durch sofortige Entnahme des Kindes vorzu- 
beugen ist (R#t. 41, 214). 
II. Von dem N. hat das StG#B. die an sich 
gung geschieden, d. i. die Notlage, die für 
jemand durch einen anderen Menschen mittels 
unwiderstehlicher Gewalt oder einer Drohung, 
welche mit einer gegenwärtigen, auf andere 
  
Notstandsgesetze genannt. 
unter den Notstandsbegriff fallende Nöti- 
sonderer Beschlüsse helfend ein. Veranlassung 
zur Hilfeleistung geben besonders N., die durch 
Naturereignisse, wie Uberschwemmungen und 
Mißernten, oder durch Seuchen hervorgerufen 
sind. Die Hilfeleistung kann in Geldunterstüt- 
zungen, Naturalleistungen oder Darlehen be- 
stehen, die entweder #nverzinslich oder gegen eine 
geringe Zinsvergütung gewährt werden. Die 
Gesetze, welche die Regierung zur Verwendung 
von Staatsmitteln hierzu ermächtigen, werden 
In neucrer Zeit er- 
gangene Notstandsgesetze sind das G. vom 
3. Febr. 1880 (GS. 17), vom 13. Mai 1883 
(GS. 103), vom 20. April 1898 (G S. 29). 
II. Wegen Stellung militärischer Hilfs- 
kommandos bei Notständen s. Mili- 
Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib und tärische Hilfskommandos bei Not- 
Leben seiner selbst oder eines Angehörigen ver= ständen und Bewaffnete Macht IIB. 
bunden war, hervorgerufen wird. Hier ist eben= Nottaufen sind Taufen durch Nichtgeistliche 
falls keine strafbare Handlung vorhanden (St= bei Lebensgefahr des Täuflings oder bei der 
GB. § 52). Als N. im Sinne des § 54 bleibt Unmöglichkeit, einen Geistlichen zuzuziehen (l. 
daher nur die Notlage, welche durch Naturereig= Lütgert, Ev. Kirchenrecht, 1905, S. 667). Der 
nisse und durch andere äußere Umstände ent= Vollzug ist dem zuständigen Pfarrer unverzüg- 
steht. 
III. Ein anderer Begriff des N. gilt bei der 
Entmündigung (s. d. 1) und bei dem N. als 
Voraussetzung für besondere polizeiliche Maß- 
nahmen (O#G. 12, 385: allgemeiner N. analog 
demjenigen des einzelnen, welcher wegen gänz= 31. 
licher Hilflosigkeit zur Erhaltung seines Lebens Aufrechterhaltung der öffentlichen 
der öffentlichen Fürsorge bedarf) oder für polizei- 
liche Eingriffe in Privatrechte Dritter (z. B. 
O##G. 24, 395; 39, 278: N. eine unmittelbar 
bevorstehende limminente] und rechtzeitig nicht 
anders abzuwendende Gefahr). Im übrigen 
gibt es eine allgemeine Berücksichtigung des N. 
wie im Strafrecht und im bürgerlichen Rechte 
im Verwaltungsrechte nicht (Schultzenstein 
im Verw Arch. 16, 123). 
Titze, Die Notstandsrechte im deutschen bürgerlichen 
Recht: Auer, Der strafrechtliche Notstand und das B . B.; 
Titze, Die Einwirkungen des BG. aus Polizciüber-= 
tretungen im Notstande, D.3/.3. 9, 285; Otker, über Not- 
wehr und Notstand: Mün z, Die Voraussetzungen und 
Wirkungen der Notwehr, des Notstandes und der Nothilfe; 
Bauecr, Der strafrechtliche Notstand mit besonderer Be- ,.·. . 
lung ausdrücklich von der vorherigen Zu- 
Die 
Notstand und Notwehr:! 
rucksichtigung des Notstandes des Be. und seines Ein- 
flusses auf das Strafrecht;: Hold v. Fernceck, 
Nechtswidrigkeit. 2. Bd. 1. Abt.: 
Neubecker, Zwang und Notstand in rechtsvergleichen. 
der Darstellung, 1. Bd.: Der Zwang im öffentlichen Rechte. 
  
lich anzuzeigen (AvR. II, 11 § 451). Die reform. 
Kirche kennt sie im allgemeinen nicht (s. Fried- 
berg, Kirchenrecht, 1884, S. 288); s. auch 
Pfarrzwang. 
Notverordnungen. Nach Art. 63 Vl. vom 
Jan. 1850 können in dem Falle, wenn die 
Sicherheit 
oder die Beseitigung eines ungewöhnlichen Not- 
standes es dringend erfordert, insofern die Kam- 
mern nicht versammelt sind, unter Verantwort- 
lichkeit des gesamten Staatsministeriums Ver- 
ordnungen, die der Verfassung nicht zuwider- 
laufen, mit Gesetzeskraft erlassen werden. Die- 
selben sind aber den Kammern bei ihrem nächsten 
Zusammentritt zur Genehmigung sofort vor- 
zulegen. Das Notverordnungsrecht, welches der 
Reichsverfassung freimd ist, findet seine Begren- 
zung außer in der Reichsgesetzgebung lediglich 
in den dispositiven Vorschriften der Verfassung, 
sowie denjenigen Bestimmungen derselben, in 
denen, wic in Art. 95 u. 107, eine gesetzliche Rege- 
stimmung der Kammern abhängig gemacht oder 
der ordentliche Weg der Gesetzgebung vor- 
gesehen wird. Dagegen sind dem Notverord-
	        
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