Offenkundigkeit (Notorietät)
sonstigen außergewöhnlichen Gelegenheiten, wäh-
rend der Ladenschlußzeit auf öffentlichen Wegen,
Straßen, Plätzen und an anderen öffentlichen
Orten zuzulassen. Auf den Marktverkehr finden
die Bestimmungen über den Ladenschluß keine
Anwendung (KGJIJ. 22 C 98; AusfAnw. z.
GewtO. Ziff. 262—266). Der Verkauf über
die Straße durch Gast= und Schankwirte soll
eduldet werden, wenn nur Wein und Bier vom
Faß und zubereitete Speisen verabfolgt werden.
V. Beschäftigungszeit (Gewd.
§§ 139, 139 d). In o. V. und den dazu ge-
hörenden Schreibstuben (Kontoren) und Lager-
räumen ist den Gehilfen — dazu gehören auch
die Leiter von Filialen (RG#St. 35, 9) —, Lehr-
lingen und Arbeitern nach Beendigung der täg-
lichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhe-
zeit von mindestens zehn Stunden zu gewähren.
In Gemeinden, welche nach der jeweilig letzten
Volkszählung mehr als 20 000 Einw. haben,
muß die Ruhezeit in o. V., in denen zwei
oder mehr Gehilfen und Lehrlinge beschäftigt
werden, für diese mindestens elf Stunden be-
tragen; für kleinere Ortschaften kann diese Ruhe-
zeit durch Ortsstatut vorgeschrieben werden.
Innerhalb der Arbeitszeit muß den Gehilfen,
Lehrlingen und Arbeitern eine angemessene
Mittagspause gewährt werden. Eine Verein-
barung, daß die Pause nicht stattfinden soll, ist
unzulässig (R St. 35, 9). Für Gehilfen, Lehr-
linge und Arbeiter, die ihre Hauptmahlzeit
außerhalb des die Verkaufsstelle enthaltenden
Gebäudes einnehmen, muß diese Pause minde-
stens 1½ Stunde betragen. Die Bestimmungen
über die Ruhezeit und Mittagspause finden
keine Anwendung auf Arbeiten, die zur Ver-
hütung des Verderbens von Waren unverzüg-
lich vorgenommen werden müssen, für die Auf-
nahme der gesetzlich vorgeschriebenen Inventur,
sowie bei Neueinrichtungen und Umzügen und
außerdem an jährlich höchstens 30 von der Orts-
polizei allgemein oder für einzelne Geschäfts-
zweige zu bestimmenden Tagen (AusfAnw.
GewO. Ziff. 260, 61).
VI. Schutzvorrichtungen (§s§ 1399,
1395). Nach HGB. §§ 62, 76 ist der Prinzipal
verpflichtet, die Geschäftsräume und die für den
Geschäftsbetrieb bestimmten Vorrichtungen und
Gerätschaften so einzurichten und zu unter-
halten, auch den Geschäftsbetrieb und die Arbeits-
zeit so zu regeln, daß die Handlungsgchilfen und
Lehrlinge gegen eine Gefährdung ihrer Ge-
sundheit, soweit die Natur des Betriebes es ge-
stattet, geschützt und die Aufrechterhaltung der
guten Sitten und des Anstands gesichert ist. Zur
Durchführung dieser Verpflichtungen können die
Inhaber o. B. durch polizeiliche Verfügungen
angehalten werden, soweit die Maßnahmen nach
Beschaffenheit der Anlage ausführbar sind. Für
die Erfüllung der Anordnung ist, sofern es sich
nicht um Beseitigung einer Leben und Gesund-
heit bedrohenden Gefahr handelt, eine an-
gemessene Frist zu setzen. Den am 1. Okt. 1900
bereits bestehenden Verkaufsstellen gegenüber
können, solange nicht eine Erweiterung oder
ein Umbau eintritt, nur Anforderungen gestellt
werden, die zur Beseitigung erheblicher, das
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ohne unverhältnismäßige Aufwendungen durch-
führbar erscheinen. Gegen die Verfügung der
Polizeibehörde steht dem Unternehmer binnen
zwei Wochen die Beschwerde an den Regierungs-
präsidenten, im LPB. Berlin an den Ober-
präsidenten, und gegen dessen Entscheidung
binnen vier Wochen die Beschwerde an den
HM. zu. Widerspricht die Verfügung den von
der zuständigen Berufsgenossenschaft erlassenen
Vorschriften zur Verhütung von Unfällen, so ist
zur Einlegung der vorstehend bezeichneten
Rechtsmittel binnen zwei Wochen auch der
Vorstand der Berufsgenossenschaft befugt. Diesem
ist nach GUVG. 8§ 117 Abs. 2 Abschrift der Ver-
fügung mitzuteilen. Das Verwaltungsstreit-
verfahren ist gegen solche Verfügungen aus-
geschlossen (O# G. 36, 384; 39, 247; AusfAnw.
z. GewO. Ziff. 267).
Durch Beschluß des BR. können Vorschriften
darüber erlassen werden, welchen Anforde-
rungen die Laden-, Arbeits= und Lagerräume
und deren Einrichtung, sowie die Maschinen
und Gerätschaften zum Zwecke der Durchfüh-
rung der vorbezeichneten Verpflichtungen der
Unternehmer zu genügen haben. Soweit solche
Vorschriften vom BR. nicht erlassen sind, können
sie durch den HM. oder durch Polizeiverordnungen.
erlassen werden. Bes jetzt ist nur der Beschluß
des BR. wegen Gewährung der Sitzgelegen-
heit (s. d. für Angestellte im Ver-
kaufsgewerbo) ergangen.
VII. Arbeitsordnung(GewO. 9 139.
Für jede o. V., in der in der Regel mindestens
20 Gehilfen und Lehrlinge beschäftigt werden,
ist eine Arbeitsordnung d. III) zu erlassen,
die aber nur für Gehilfen und Lehrlinge gilt
(AusfAnw. z. Gew O. Ziff. 269, 270).
VIII. Lohnauszahlung. Nach GewO.
§ 115 a dürfen in o. V. Lohn= oder Abschlags-
zahlungen an gewerbliche Arbeiter (s. d. 1) nicht
ohne Genehmigung der unteren Verwaltungs-
behörde (s. d.) stattfinden. Diese Bestimmung
gilt nicht für Gehilfen und Lehrlinge in Han-
delsgeschäften, wohl aber für Bergarbeiter (s. d.).
S. Lohn.
IX. Strafbestimmungen in Gew.
88 146, 146a, 147 Abs. 1 Ziff. 4, 5, 8 148 Abs. 1
Ziff. 14. In den Fällen unter VI kann die
Polizeibehörde die Einstellung des Betriebs bis
zur Herstellung des ordnungsmäßigen Zustandes
anordnen (GewO. § 147 Abs. 4).
Riesenfeld im PrBl. 21, 370; Merzbacher
in D#„Z. 6, 278.
Offenkundigkeit (Notorietät). Sie gehört dem
Beweisrecht an (#. Beweis und Be-
weisaufnahme) und kommt daher überall
in Betracht, wo es ein solches gibt. Die Lehre
von ihr ist besonders für den Zivilprozeß aus-
gebildet worden. Sie gilt aber, obwohl sie in
den betreffenden Gesetzen nicht erwähnt wird,
unbedenklich auch für den Strafprozeß, das Ver-
fahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das
Verwaltungsstreitverfahren; überall indessen nur
für Tatsachen. Man unterscheidet Allgemein-
kundigkeit und Gerichtskundigkeit. Bei der er-
steren handelt es sich um Tatsachen, die jedermann
oder doch einem größeren Kreise von Menschen
Leben, die Gesundheit oder die Sittlichkeit der mit Gewißheit bekannt sind, weil sie allgemein
Arbeiter gefährdenden Mißstände erforderlich oder wahrnehmbar sind, oder weil sie geschichtlich fest—
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