Landgemeindeordnungen
23
zulässig (LGO. 8§ 12—16). Unter elterlicher Ge= soll. Im letzteren Falle ist das Stimmengewicht
walt, Vormundschaft oder Pflegschaft stehende dieser Bestandteile nach Maßgabe ihres Beitrags-
Personen sind durch den Vater, Vormund oder verhältnisses zu den gemeinsamen Lasten oder zu
Pfleger zu vertreten. Bei den unter Interims= den gesamten direkten Staatssteuern zu regeln
wirtschaft stehenden Höfen haben die Interims= (§ 20). — Wird in der Gemeinde ein Ge-
wirte das Stimmrecht auszuüben. Als Bevoll-ameindeausschuß (sK. Landgemeindever-
mächtigte können auftreten Personen, die für sich tretunglld) gebildet, so sind seine Mitglieder
Stimmrecht in der Gemeinde haben, und die von den stimmberechtigten Gemeindegliedern zu
Pächter (vgl. OV G. 23, 74) oder Verwalter der wählen. Das Dreiklassenwahlsystem findet hier-
betreffenden Güter, sofern sie nicht zu schwerer bei aber keine Anwendung. Vielmehr sollen in
Strafe verurteilt, unbescholten und selbständig der Regel Wahlabteilungen gebildet werden, für
sind. Verwalter sind jedoch auch dann als Be= welche die in der Gemeinde bestehenden Stim-
vollmächtigte zulässig, wenn sie in Kost und Lohn menrechtsklassen als Anhalt zu dienen haben, und
stehen. Gutsbesitzer, Stellbesitzer und stell= zwar in der Weise, daß das Stimmenverhältnis
besitzende Witwen können sich außerdem durch im Ausschusse dem in der Gemeinde bestehenden
volljährige Söhne vertreten lassen, auch wenn tunlichst entspricht. Wird hierbei den Eigentümern
diese in Kost und Lohn oder unter elterlicher Ge= der Dominial-, Kloster= und sonstigen Güter und
walt stehen. Durch einen vom Kr A. genehmigten Höfe, die von ihrem im Gemeindebezirke be-
Gemeindebeschluß kann ferner bestimmt werden, legenen Grundbesitz zu mindestens 150 .K Grund-
daß und inwieweit sonst noch unbescholtene Ver-
wandte als Bevollmächtigte zugelassen werden
sollen. Jeder Bevollmächtigte kann nur einen
steuer veranlagt sind, nicht schon eine angemessene
selbständige Stimmberechtigung zuteil, so kann
ihnen nach Anhörung der Gemeindeversammlung
Abwesenden vertreten. Jedoch können Aus= ein ihrem Stimm= und Beitragsverhältnis ent-
nahmen durch Gemeindebeschluß mit Genehmi= sprechendes Stimmrecht in dem Ausschuß (s.
gung des KrA. gestattet werden. Das Maß Landgemeindevertretung lIch)beige-
des Stimmrechts jedes einzelnen Stimm= legt werden (88 53, 54).
berechtigten soll regelmäßig durch eine Klassene VI. Inden hohenzollernschen Lan-
einteilung der stimmberechtigten Gemeindemit= den ist das Stimm= und Wahlrecht durch die
glieder festgestellt werden (LGO. § 17). Die GemO. vom 2. Juli 1900 für Stadt= und Land-
Grundlage für diese Einteilung bilden die ver= gemeinden gleichmäßig geregelt, und zwar we-
schiedenen Klassen der in der Gemeinde vorhan= sentlich in derselben Weise, wie in den Land-
denen Höfe und Güter. Die Nichtansässigen gemeinden der östlichen Provinzen. Hinsichtlich
bilden, soweit sie nicht nach Maßgabe ihrer Beiträge der Zulässigkeit der Vertretung bei Ausübung
zu den Gemeindelasten einer dieser Klassen ein- des auf dem Grundbesitz beruhenden Stimm-
zureihen sind, die unterste Klasse. Das Stimmen= rechts gilt die Besonderheit, daß der Fürst von
gewicht der Mitglieder der einzelnen Klassen ist Hohenzollern, der Fürst zu Fürstenberg sowie
unter Berücksichtigung der Beitragsleistung zu der Fürst von Thurn und Taxis sich je durch ein
den Gemeindelasten und des Interesses an den Mitglied ihrer Familie oder durch einen ihrer
Gemeindeangelegenheiten zu bemessen. Jedoch in den hohenzollernschen Landen angestellten
gelten hierbei folgende Einschränkungen: Das Beamten oder einen ihrer in der Gemeinde
Stimmrecht eines einzelnen Gemeindegliedes wohnhaften Pächter vertreten lassen können
darf in der Regel nicht mehr als ein Drittel des-
jenigen der sämtlichen Gemeindemitglieder be-
tragen. Wenn aber ein einzelnes Gemeinde-
glied die Hälfte oder mehr aller Gemeindelasten
trägt, so ist ihm auf seinen Antrag ein Stimmrecht
bis zur Hälfte zu verleihen. Auch ist ein einzelnes
Gemeindemitglied, welches mehr als die Hälfte aller
Gemeindelasten trägt, berechtigt, gegen die Über-
nahme der alleinigen Bestreitung aller Gemeinde-
lasten die Einräumung des ausschließlichen
Stimmrechts in der Gemeinde zu verlangen, inso-
fern und solange die Mehrheit der übrigen Ge-
meindemitglieder damit einverstanden ist. Das
Gemeindemitglied selbst ist nicht befugt, seine so
gewonnene Stellung in der Gemeinde durch ein-
seitigen Verzicht oder Widerruf abzuändern (OVG.
56, 48). Das Stimmengewicht derjenigen Grund-
besitzer, deren in der Gemeinde belegener Grund-
besitz so groß ist, daß er zur Bewirtschaftung zwei
Pferde oder mehr erfordert, soll regelmäßig über-
wiegen. Die Stimmenzahl der Nichtansässigen darf
ein Drittel derjenigen der Grundbesitzer nicht
übersteigen. Bei Samtgemeinden (s. d.) mufß fest-
gestellt werden, ob in den Angelegenheiten, für
welche die Verbindung besteht, durch die Samt-
gemeinde abgestimmt werden, oder ob den ein-
zelnen Bestandteilen der Samtgemeinden (Orts-
gemeinden, Gütern usw.) eine Stimme zustehen
(Gem O. § 17). Eine Verminderung des
Stimmrechts der Nichtangesessenen tritt unter
den gleichen Voraussetzungen und in gleicher Weise
ein, wie in den östlichen Provinzen, eine Ab-
stufung des Stimmrechts der Grundbesitzer
ist jedoch nicht vorgesehen (§ 19). Die Wahlen
der Gemeindeverordneten erfolgen nicht nach
dem Dreiklassenwahlsystem des G. vom 30. Juni
1900, das in den hohenzollernschen Landen nicht
gilt, sondern nach einer besonderen durch § 21
Gem O. geregelten Klasseneinteilung der Stimm-
berechtigten in Höchstbesteuerte, Mittelbesteuerte
und Mindestbesteuerte.
Literatur s. bei Landgemeindeordnungen.
Landgemeindeordnungen. Die Verfassung und
Verwaltung der Landgemeinden ist, abgesehen
von dem durch das KA#. vom 14. Juli 1893 für
das ganze Staatsgebiet gleichmäßig geordneten
Abgabenwesen, im preuß. Staat nicht einheit-
lich, sondern zum Teil durch L. für einzelne Pro-
vinzen, zum Teil durch solche für größere Rechts-
gebiete geregelt. Gegenwärtig stehen folgende
sieben LGO. nebeneinander in Geltung:
1. In den Prov. Ost= und Westpreu-
ßen, Posen, Schlesien, Branden-
burg, Sachsen und Pommern gilt
die LGO. vom 3. Juli 1891 (GS. 233), deren
§ 75 durch das G. vom 20. Mai 1902 (GE. 143)