274 Politische Rechte — Polizei
die ordentlichen Polizeibehörden mit Informa- gemäß der damals herrschenden Auffassung die
tionen zu versehen. In dieser Beziehung tritt gesamte innere Staatstätigkeit, soweit nicht be-
neben anderen die anarchistische Bewe= sondere Verwaltungsgebiete, z. B. das der
gung in den Vordergrund. Die gemeinsame Ge-= Justiz, der Finanzen, des Militärwesens, von
fahr, welche diese Bewegung für alle Kultur= ihr abgezweigt waren. In demselben Sinne
staaten besitzt, hat auf dem Kongreß zu Rom überweist § 3 der V. wegen verbesserter Ein-
im Jahre 1898 zu internationalen Vereinbarun= richtung der Provinzialbehörden vom 26. Dez.
gen Veranlassung gegeben, welche eine mög= 1808 (Rabes Sammlung 9, 415) den Regierun-
lichst scharfe Uberwachung der Anarchisten sicher-,gen, welche sie als Landeshoheits-, Landes-
stellen sollen. Die Aufgaben der zu diesem Zwecke polizei= und Landesfinanzbehörden bezeichnet,
in den einzelnen Kulturstaaten eingerichteten in ihrer Eigenschaft als Landespolizeibehörde
Zentralstellen zur Uberwachung des Anarchismus Befugnisse aus dem gesamten Gebiet der inneren
werden in Deutschland von dem Berliner Polizei= Verwaltung (OVG. 9, 371). Die Erläuterungen
präsidium wahrgenommen. zum minssteriellen Vorentwurf des G. über die
olitische Rechte s. Staatsbürger-Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 (GE. 265)
1iso e sche chpe irs bezeichnen die P. als „den Rest oder das not-
Politische Verbrechen und Vergehen. Man wendige Komplement der übrigen Zweige der
versteht hierunter im allgemeinen jeden ver- Staatsgewalt, die da anfängt, wo die Rechts-
brecherischen Angriff gegen den Staat und pflege, die Finanz- oder Kriegsverwaltung auf-
den Träger der Staatsgewalt. Die Frage, hört, und umgekehrt“. Nach einer neueren An-
welche strafbaren Handlungen im einzelnen dazu schauung ist der Begriff der P. enger begrenzt.
gehören, ist zu den verschiedenen Zeiten ver-Danach wird als P. diejenige Tätigkeit der
schieden beantwortet worden, und auch jetzt ist inneren Verwaltung bezeichnet, welche sich als
der Begriff kein fester. Es werden aber meist Beschränkung der persönlichen Freiheit des
dahin gerechnet: der Hochverrat, der Landes= einzelnen zugunsten des Gemeinwohls äußert
verrat, die Majestätsbeleidigung (s. diese Artikel) und in der Form von Zwang auftritt. Die P.
und alle feindliche Handlungen gegen befreun= unterscheidet sich hiernach also durch das Mittel
dete Staaten, mehrfach auch noch Delikte gegen des Zwanges von der des Zwanges entraten-
die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte. Be= den, ihr als „Pflege' gegenübergestellten inneren
sondere Bedeutung haben die politischen Ver= Verwaltungstätigkeit, und ist begrifflich nicht
brechen bei der Auslieferung (s. d.), indem hier ein materiell abgegrenzter Zweig der inneren
neben dem Grundsatze der Nichtauslieferung Staatsverwaltung, sondern durchdringt das ganze
eigener Untertanen der Grundsatz der Nicht= Gebiet derselben, z. B. als Gesundheits-, Ge-
auslieferung politischer Verbrecher gilt. Im werbe-, Landwirtschafts-, Forst-, Unterrichts-
Sinne des Auslieferungsrechts unterscheidet man: polizei usw., überall diejenige Seite der be-
1. die rein politischen Verbrechen, das sind die- treffenden Verwaltungstätigkeit darstellend, welche
jenigen, welche gegen Bestand, Sicherheit und sich in Beschränkung der Handlungsfreiheit und
Unabhängigkeit des Staates, die Verfassung, das in Zwang äußert. Indessen sällt nicht jeder
Staatsoberhaupt und seine Familie oder die staatliche Zwang unter den Begriff der
politischen Rechte der Staatsbürger gerichtet Vielmehr bildet sie auf dem Gebiete der zwangs-
sind; 2 die mit politischen Verbrechen zusammen= weisen Einschränkung der Handlungsfreiheit die
hängenden Verbrechen, das sind gemeine Ver-Ergänzung der übrigen Zweige der Staats-
brechen, welche verübt worden sind, um ein gewalt, greift also nur da Platz, wo die Rechts-
anderweitig begangenes politisches Verbrechen pflege, die Finanzverwaltung, die Kriegsver-
vorzubereiten oder zu vollenden, seine Voll= waltung, die allgemeine Staatsverwaltung auf-
endung zu erleichtern, ihm den Erfolg zu sichern hören. Die Einschränkung der Handlungsfreiheit
oder seine Straflosigkeit zu vermitteln; 3. die erfolgt entweder durch allgemeine Gebote oder
gemischten Verbrechen, die neben der politischen Verbote mit Androhung einer kriminellen Über-
auch die private Rechtssphäre antasten. Seit= tretungsstrafe, Polizeiverordnungen (s. d.) oder
dem jedoch das durch ein mißglücktes Attentat durch besondere Anordnungen mit anschließen-
auf Napoleon III. veranlaßte belgische Gesetz' dem Zwange, polizeiliche Verfügungen (s. Poli-
vom 22. März 1856 die verbrecherischen An- zeiverfügungen).
schläge gegen das Leben der Staatshäupter undd II. Sicherheits= und Wo hlfahrts-
ihrer Familienmitglieder vom Agylrechte aus- polizei im älteren Sinne. Ze nach
geschlossen hat und als sog belgische Atten- dem Zweck der polizeilichen Tätigkeit unter-
tatsklausel dem Sinne nach in die meisten scheidet man die Sicherheitspolizei, welche die
Auslieferungsverträge ausgenommen worden ist Erhaltung des Güterbestandes der Allgemeinheit
(Ausnahmen: Großbritannien, Italien und die und der einzelnen und deren Schutz gegen innere
Schweiz), zählen insoweit solche Anschläge nicht Gefahren zum Ziele hat, von der auf Förderung
mehr zu den politischen Verbrechen. S. auch des Volkswohles in wirtschaftlicher, geistiger
Staatsverbrechen. und sittlicher Hinsicht gerichteten Wohlfahrts-
Mettgenberg, Die Attentatsklausel im deutschen polizei. Diese Auffassung in Verbindung mit
Auslieserungsrechte: Stade, Der politische Verbrecher der zu 1 vorgetragenen, die den Zwang als
und seine Gesänaniehaft. ç * wesentlich für den Polizeibegriff ansieht, führt
Politische Bereine s. Vercine: Einge= zu einer Unterscheidung einerseits der Sicher-
tragene Vereineund Rechtsfähig-= heitspolizei und Sicherheitspflege (z. B. Berufs-
keit der Vereine. ffeuerwehr), andererseits der Wohlfahrtspolizei
Polizei. I. Geschichtliches und Be= (z. B. Schul= und teilweise Wegepolizei) und
griff. Der Begriff der P. umfaßt im ALR. Wohlfahrtspflege. Eine weit verbreitete Aufs-