Polizeiaufsichtsbehörden 277
ist P. auf mindestens sechs Monate anzuordnen hindert. Deshalb ist Kontrolle durch freiwillige
(§ 6), Abkürzung oder Verlängerung der Dauer Meldungen bei der Polizei zu gestatten (Erl.
it statthaft (§ 5), die Verkündung der Entschei= vom 4. Mai 1907 — IIa 25/41), die Beausfsichti-
dung erfolgt noch in der Strafanstalt, schriftlich gung möglichst Beamten in Zivilkleidung zu
und gegen Empfangsbescheinigung (§§ 5, 7). übertragen, auch sind Nachfragen an den Arbeits-
Beim Zusammentreffen von korrektioneller Nach- stellen zu vermeiden. Solange der Verurteilte
haft und P. bleibt die Beschlußfassung über einer geordneten Fürsorge durch kirchliche Organe,
letztere bis kurz vor der t Entlassung aus der Nach- Fürsorgevereine oder dgl. untersteht, sind Aus-
haft ausgesetzt, deren Dauer in den fünfjährigen weisungen wie überhaupt alle Maßregeln, welche
Zeitraum (StB. s 38 Abs#. 2) einzurechnen ist geeignet sind, ihm eine geordnete Tätigkeit zu
(Erl. vom 18. Juli 1902 — Ml. 157). Die P. erschweren, z. B. Erkundigungen durch Polizei-
hat nach § 39 StGB. folgende Wirkungen: beamte, zu vermeiden. Die Polizeibehörden
1. dem Verurteilten (sog. Polizeiobservaten) haben von Zeit zu Zeit bei den Fürsorgeorganen
kann der Aufenthalt an bestimmten Orten, anzufragen, ob der Verurteilte der Fürsorge
d. h. ganzen, durchweg einzeln zu benennenden noch untersteht; sie erhalten von dem Eintritt
Ortschaften — selbst einschließlich des Unter= und der Beendigung der Fürsorge Kenntnis
sühungswohnsites (OVG. vom 2. Nov. 1909 —(§9 der Instr. und Erl. vom 4. Febr. 1907— s. o.).
1 4 57. 09) — wie in einzelnen Gebäuden, Den Fürsorgevereinen wird dadurch ein wert-
Lokalen und Räumen untersagt werden; 2. die volles Mittel an die Hand gegeben, die entlasse-
höhere Landespolizeibehörde ist befugt, dennenStrafgefangenen an sich zu ziehen und ihrem
Reichsausländer aus sämtlichen zum Deutschen fördernden Einflusse zugänglich zu machen.
Reiche vereinigten Bundesstaaten auszuweisen Personen, welche unter P. stehen, erhalten keinen
(s. Ausweisungen); 3. Haussuchungen Jagdschein (Jagdordnung vom 15. Juli 1907 —
bei Observaten unterliegen keiner Beschränkung G. 219 — § 34 Nr. 2). Über Beaufsichtigung
hinsichtlich der Zeit, in welcher sie stattfinden der vorläufig entlassenen Strafgefangenen f.
dürfen (s. Durch#ucchung en). Die Be-Vorläufige Strafentlassung. Per--
stimmungen über die Maßnahmen zu 1 und 2 sonen, welche sich der P. entziehen, sind im
können in der Entscheidung der Landespolizei= allgemeinen weder durch Veröffentlichung im
behörde getroffen, aber auch jederzeit während! Amtsblatte noch durch Bekanntmachung im
der Dauer der P. nachgeholt werden (§ 8 derZentralpolizeiblatte (s. Fahndun gsblät-
Instr. und Erl. vom 4. Febr. 1907— IVe 3013 — ter II) zu suchen. Besteht ein dringendes Inter-
über die bedingte Ausenthaltsgestattung). In esse an ihrer Ermittlung und erscheint diese nur
jedem Fall muß dem Verurteilten in der Ent= im Wege der Bekanntmachung erreichbar, so
scheidung aufgegeben werden: 1. binnen 24 Stun= ist dem Polizeipräsidenten von Berlin seitens
den nach seinem Eintreffen an einem Orte, des verfolgenden Regierungspräsidenten eine
wo er sich länger als 24 Stunden aufhält, sich formularmäßige Zusammenstellung der gesuchten
persönlich, oder, wenn dieses ausnahmsweise Polizeiobservaten zu übersenden, die in die vom
aus besonderen Gründen, insbesondere wegen Berliner Polizeipräsidium halbmonatlich als
Krankheit, nicht möglich ist, schriftlich unter An= Manufkript zum Dienstgebrauche herausgegebene
gabe seiner Wohnung bei der Ortspolizeibehörde „Nachweisung gesuchter Personen“ ausgenommen
zu melden; 2. von jedem Wohnungswechsel“wird. Diese Nachweisung geht sämtlichen Regie-
innerhalb desselben Ortes binnen 24 Stunden rungspräsidenten in gewünschter Anzahl zur
unter Angabe der neuen Wohnung der Orts= Verbreitung bei den nachgeordneten Behörden
polizeibehörde Nachricht zu geben; 3. falls er zu (Erl. vom 21. Mai 1906 — M l. 211).
den Aufenthaltsort wechselt, innerhalb 24 Stun- Fuhr, Strafrechtsvftege und Sozialpolitik; Schl lich-
den vor dem Verlassen des bisherigen Aufent- bing. e dee Entkassenenfürsorge, 3 StW. 23, 373 fi
haltsortes sich persönlich bei der Ortspolizei= strasgesetzbuchs.
behörde abzumelden und hierbei den neuen Polizeiaufsichtsbehörden. I. Die Aufsicht
Aufenthaltsort anzugeben. Für jeden Fall des über die Ortspolizeiverwaltung in den Landkreisen
Ungehorsams ist eine Exekutivstrafe bis zur stand bereits nach § 36 der V. vom 30. April 1815
Höhe von 300 .K, im Falle des Unvermögens (GS. 85) in erster Instanz dem Landrat zu und
eine Haftstrafe bis zu vier Wochen anzudrohen, ist ihm durch § 77 Kr O. und dic analogen Bestim-
während Zuwiderhandlungen des Polizeiobser= mungen der übrigen neueren Kr . von neuem
vaten gegen die Aufenthaltsbeschränkungen des ausdrücklich übertragen worden (s. Landrat).
§ 39 Ziff. 1 u. 2 StGB. gemäß § 361 Ziff. 1 u. 2 Die erstinstanzliche Aufsicht über die Ortspolizei
St G. gerichtlich mit Haft bis zu sechs Wochen in Stadtkreisen und die Aufsicht in höherer In-
bestraft werden. Die Beaufsichtigung der Polizei-stanz über die gesamte Polizeiverwaltung führt
observaten ist Aufgabe der Ortspolizeibehörde an Stelle der durch V. vom 26. Dez. 1808 und
des Aufenthaltsortes (§ 10 der Instr.). Die § 4 des Polizeigesetzes vom 11. März 1850 (GS.
lberwachung hat sich im wesentlichen auf den 265) dazu berufen gewesenen Regierung nach
Verbleib, die Beschäftigung und den Verkehr § 18 LVG. der Regierungespräsident, in letzter
zu richten, um den Rückfall zum Verbrechen Instanz der MdJ. (s. Ministerium des
nach Kräften zu hindern. Ob die P. insbesondere Innern), dessen Entscheidung Beschwerden
in großen Städten diesen Sicherungszweck zu Uber die Geschäftsführung der Polizcibehörden
erfüllen vermag, erscheint nicht unzweifelhaft. in letzter Instanz unterliegen. Er ist auch be-
Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, rechtigt, jede (orts-, kreis-, bezirks= oder pro-
daß eine nicht mit genügender Schonung aus- vinzial-) polizeiliche Vorschrift, soweit Gesetze
geführte Kontrolle den Observaten leicht bloß- nicht entgegenstehen, außer Kraft zu seotzen, mit
stellt und dadurch im ehrlichen Fortkommen Ausnahme allein der Strom-, Schiffahrts= und
Die polizeilichen Maßregeln des Rcichs.