Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Rechtsanwälte 353 
ihren Auftraggebern nur in privatrechtliche, nach einschließlich der Verwaltungsgerichte, Vertei- 
den Vorschriften über den Dienstvertrag (BGB. digungen zu führen, als Beistand aufzutreten 
§ 611 ff.) zu beurteilende Verhältnisse treten. und die Vertretung der Parteien zu über- 
Die Ansprüche der Partei auf Schadenersatz nehmen. Auch im Anwaltsprozesse kann in der 
aus dem zwischen ihr und dem R. bestehenden mundlichen Verhandlung jeder R. die Aus- 
Vertragsverhältnisse verjähren in 5 Jahren führung der Parteirechte und für den Fall, daß 
(Rechtsanwaltsordnung § 32 a in der Fassung der bei dem Prozeßgerichte zum Prozeßbevoll- 
des G. vom 22. Mai 1910). Dieser Beruf be= mächtigten bestellte R. ihm die Vertretung über- 
steht darin, die Vertretung von Parteien in trägt, auch diese übernehmen (88 26, 27). Unter 
Rechtsstreitigkeiten zu übernehmen, als ihr Bei= besonderen Voraussctzungen ist die gleichzeitige 
stand aufzutreten, in Strafsachen die Verteidi= Zulassung eines R. bei mehreren Gerichten zu- 
gung zu führen, rechtlichen Rat zu erteilen, lässig (8SS8 9—12). Uber die gleichzeitige Zu- 
Rechtsgutachten auszuarbeiten u. dgl. Teilweise lassung bei den Landgerichten I, 11 und III in 
besteht ein Zwang dazu, sich eines R. zu be= Berlin s. Bekanntmachung vom 29. Dez. 1904 
dienen. Es müssen sich namentlich in bürger-(JM# Bl. 331). Uber den Antrag auf Zulassung 
lichen Rechtsstreitigkeiten die Parteien vor den entscheidet der JIM., nachdem er den Vorstand 
Landgerichten und vor allen Gerichten höherer der Anwaltskammer (s. unten IV) gutachtlich 
Instanz durch einen bei dem Prozeßgerichte zu--|gehört hat (§ 3). Wird die Zulassung nach dem 
gelassenen R. vertreten lassen (Anwalt= Gutachten des Vorstandes aus gewissen Gründen 
zwang und Anwaltprozeß, ZP0. 878); versagt, so ist auf Verlangen des Antragstellers 
der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen über den Grund der Versagung im ehrengericht- 
einen die Strafverfolgung ablehnenden Bescheid lichen Verfahren zu entscheiden (§ 16 Abs. 2). 
der Staatsanwaltschaft ist von einem R. zu Auch die Zurücknahme der Zulassung erfolgt 
unterzeichnen (St PO. § 170); in Privatklage= durch den JIM. nach Anhörung des R. und des 
sachen können der Privatkläger und der An- Vorstandes der Anwaltskammer (§ 23; Allg. f. 
geklagte, wenn sie sich vertreten lassen wollen, vom 28. Juni 1879 — JIll Bl. 151 — Ziff. IV). 
dies nur durch einen R. tun (St PO. §§ 418, Bei jedem Gerichte wird eine Liste der bei 
427), in Kompetenzkonfliktssachen sind gewisse ihm zugelassenen R. geführt. Die Eintragungen 
Schriftsätze von einem R. zu unterzeichnen (G. werden im Deutschen Reichsanzeiger bekannt- 
vom 8. April 1847 — GS. 170 — 8§ 5; V. vom gemacht (§ 20). Die Stellvertretung eines an 
1. Aug. 1879 — GS. 573— § 9I) usw. Die Schei= der Ausübung seines Berufes zeitweise verhin- 
dung der Anwaltstätigkeit, wie sie in England, derten R. kann nur einem R. oder einem Rechts- 
Frankreich und Italien besteht, in eine solche kundigen, welcher mindestens zwei Jahre im 
für den Prozeßbetrieb und in die für das Plä= Vorbereitungsdienste beschäftigt worden ist, über- 
dieren, ist dem deutschen Rechte unbekannt. tragen werden (Rechtsanwaltsordnung § 25; 
Die Anwaltschaft ist einerseits freigegeben (Grund= Allg. Vf. vom 19. April 1880, 19. April 1888, 
satz der freien Advokatur), andererseits lokalisiert 3. Okt. 1892 — JMBl. 1880, 88; 1888, 102; 
(j. unter II). 1892, 304). 
II. Befähigt zum Rechtsanwalt] Die R. werden nach der ersten Zulassung bei 
ist, wer die Fähigkeit zum Richteramt erlangt dem Gerichte, bei welchem sie zugelassen sind, 
hat (Rechtsanwaltsordnung § 1). Dem befähig= auf gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten be- 
ten Bewerber darf in dem Bundesstaat, in wel= eidigt (§ 17). Sie sind verpflichtet, ihre Be- 
chem er die zum Richteramte befähigende Prü= rufstätigkeit gewissenhaft auszuüben und durch 
fung bestanden hat, die Zulassung zur fhr Verhalten in Ausübung des Berufes sowie 
Rechtsanwaltschaft nur aus den ge= außerhalb desselben sich der Achtung würdig zu 
setzlich bestimmten Gründen versagt werden zeigen, die ihr Amt erfordert (§ 28). Sie müssen 
(Rechtsanwaltsordnung § 4). Wer die Fähig= an dem Orte des Gerichts, bei welchem sie zu- 
keit in einem anderen Bundesstaat erlangt hat, gelassen sind, ihren Wohnsitz nehmen, jedoch 
kann in Preußen zugelassen werden, hat aber können Ausnahmen hiervon gestattet werden 
keinen Anspruch auf die Zulassung (§ 2). Die (8 18; Allg. VWf. vom 3. Okt. 18y92 — JUMlBl. 
Gründe für eine Versagung der Zulassung sind 304). Wenn sich die R. von ihrem Wohnsitz 
teils zwingende (§ 5) teils fakultative (§§ 6, über eine Woche hinaus entfernen wollen, so 
14, 15). Niemals darf die Zulassung bei einem müssen sie für ihre Stellvertretung sorgen und 
Gerichte wegen mangelnden Bedürfnisses zur hiervon Anzeige machen (§ 29). Sie sind nicht 
Vermehrung der Zahl der bei demselben zu- verpflichtet, Aufträge anzunehmen, wohl aber, 
gelassenen R. versagt werden (§ 13). Die Zurück= die Ablehnung ohne Verzug zu erklären und in 
nahme der Zulassung erfolgt gleichfalls nur aus bestimmten Fällen ihre Berufstätigkeit zu ver- 
gesetzlich bestimmten teils zwingenden teils fakul= sagen (§§ 30, 31; vgl. B#B. § 663). R. können 
tativen Gründen (§8 21—23). Diese Frciheit armen Parteien zur vorläufig unentgeltlichen 
der Anwaltschaft wird beschränkt durch ihre Wahrnehmung ihrer Rechte beigeordnet werden; 
Lokalisierung, die darin besteht, daß die Zu= auch sonst findet in einer Reihe von Fällen die 
lassung nur bei einem bestimmten Gericht erfolgt Beiordnung eines R. durch das Gericht statt, 
(§ 6). Die Lokalisierung hat jedoch nur Beden= welcher die R. zu entsprechen verpflichtet sind 
tung für den Anwaltsprozeß, indem darin bloß (Rechtsanwaltsordnung §§ 33—30; Z3PO. 88 115 
ein bei dem Prozeßgerichte zugelassener R. die Ziff. 3, 668, 679, 686; St PO. 8§§5. 140—144; 
Vertretung als Prozeßbevollmächtigter über- JGWG. § 14; Pr.)CG. Art. 1). Sie haben den 
nehmen kann. Im übrigen ist auf Grund der bei ihnen beschäftigten Referendaren Anleitung 
Zulassung bei einem Gerichte der R. befugt, und Gelegenheit zu praktischen Arbeiten zu 
vor jedem Gericht innerhalb des Deutschen Reichs, geben (Rechtsanwaltsordnung § 40). Alteren 
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 2. Aufl. II. 23 
 
	        
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