382 Reichserbschaftssteuer — Reichsfinanzwesen
mäßigen Wege (R. Art. 7 Ziff. 3, Art. 17, 19) einnahmen verschiedene rechnerische Ausgleichun-
zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen anzuhalten. gen zwischen dem Reich und den betreffenden
Den Reichsbahnen — in Clsaß-Lothringen — Bundesstaaten erforderlich, die im Reichshaus-
gegenüber vollzieht der RK. die Verfügungen haltsctat festgesetzt werden. Die Hauptausgaben
des R. Da das R. seine Entscheidungen lediglich des Reichs im ordentlichen und außerordentlichen
nach Anweisung des RäK. trifft, so hat der RT.|Etat gelten der Betätigung des staatlichen Macht-
es für erforderlich erachtet, eine unabhängige zweckes und werden aufsgewendet für die Unter-
Instanz zu schaffen, vor der solche Entscheidungen haltung und den weiteren Ausbau von Land-
mit der Behauptung angefochten werden können, heer und Flotte. Der Art. 69 RV. schreibt vor,
daß die Maßregel in den Gesetzen und rechts= daß die Ausgaben des Reichs und die zu ihrer
gültigen Vorschriften nicht begründet sei. Es Bestreitung dem Reiche zur Verfügung stehen-
ist dies das durch richterliche Beamte den Einnahmen für jedes Jahr veranschlagt
verstärkte R. (G. vom 27. Juni 1873 § 5 und auf den Reichshaushaltsetat gebracht werden
Ziff. 4). Dieses befindet über die Gegenvor= müssen (s. Reichs p erfassung). In den
stellung selbständig unter eigener Verantwortlich= Art. 70, 73 RV. sind die Einnahmen bestimmt,
keit in kollegialer Beratung und Beschlußfassung. über die das Reich verfügen darf. Nach der
Die Zusammensetzung und der Geschäftsgang ursprünglichen Fassung dieser Artikel dienen
dieses verstärkten R. — das bis jetzt nicht in zur Bestreitung der Ausgaben des Reichs zu-
Tätigkeit getreten ist — sind durch Regul. vom nächst die in den vorhergegangenen Reichs-
13. März 1876 (ZBl. 197) geordnuct. wirtschaftsjahren etwa erzielten Uberschüsse,
Reichserbschaftssteuer s. Erbschaftssteuer. 1 sowie die aus den Zöllen, den gemeinschaftlichen
Reichsfinanzwesen. Das R. umfaßt die Verbrauchssteuern (s. Reichssteuern) und
Ordnung aller mit der Wirtschaftsführung des aus dem Post= und Telegraphenwesen fließenden
Reichs zusammenhängenden Gegenstände, und gemeinschaftlichen Einnahmen. Soweit diese
zwar zunächst der Feststellung und der Be-Einnahmen sich als unzureichend erweisen, ist
schaffung der Geldmittel, deren das Reich! der zur Deckung des verbleibenden Restes der
zur Erfüllung der ihm durch die Verfassung Ausgaben noch erforderliche Betrag, solange
zugewiesenen Aufgaben bedarf (s. Etats= und Reichssteuern nicht eingeführt sind, durch Bei-
Rechnungswesen des Staates III), träge der einzelnen Bundesstaaten nach Maß-
ferner der Verwaltung und der Verausgal ung gabe ihrer Bevölkerung aufzubringen (sog.
dieser Mittel (s. auch HReichskassen wesen), Matrikularbeiträge). Schließlich kann in Fällen
sowie der Gestaltung und Erledigung der bei der eines außerordentlichen Bedürfnisses nach Art. 73
Wirtschaftsführung des Reichs von ihm ein-RV. im Wege der Reichsgesetzgebung die Auf-
gegangenen vermögensrechtlichen Verpflichtun= nahme einer Anleihe sowie die Übernahme einer
gen (s. Reichsschulden). Die eigentümliche Garantie zu Lasten des Reichs erfolgen. Hier-
Gestaltung des Deutschen Reichs als Bundes= nach hat die R . in ihrer ursprünglichen Gestal-
staat, bestehend aus völlig sonveränen Glied= tung die Finanzwirtschaft des Reichs nur teil-
staaten mit eigenen, selbständigen Finanzwirt= weise auf aus reichseigenen Finanzquellen
schaften, hat zur Folge, daß in Deutschland stammende, unmittelbare Reichseinnahmen ge-
zwei staatliche Finanzwirtschaften nebeneinander Pründet, die teils privatrechtlicher, teils öffentlich-
bestehen, die sich in vielen Puntkten schon deshalb rechtlicher Art sind (s Reeichseinnahmenl).
berühren müssen, weil die Urquelle, aus der Die Unzulänglichkeit der eigenen Einnahmen
die Betriebsmittel für beide Wirtschaften fließen,
dieselbe ist: das für die Gesamtheit der Bundes-
des Reichs und die Notwendigkeit der Beschaffung
anderweitiger Mittel zur Deckung seiner Be-
staaten und das Reich gemeinsame National= dürfnisse ist schon bei Erlaß der Verfassung er-
vermögen und -einkommen.
Infolge dieses
kannt worden. Die Absicht war, wie der ur-
Umstandes zeigt die Ordnung des Finanzwesens sprüngliche Wortlaut des Art. 70 RV. klar er-
des Deutschen Reichs gegenüber demijenigen
anderer Staaten eine Reihe von Besonderheiten
und Schwierigkeiten.
des R. bildet daher auch die Regelung des
finanziellen Verhältnisses des Reichs zu den
Bundesstaaten.
I. Ursprüngliche Regelung des
R. in der Reichsverfassung. Die grund-
legenden Bestimmungen für die Regelung des
Finanzwesens des Reichs enthalten die Art. 70,
73 in Verb. mit den Art. 38, 39, 49, 52, 69, 71, 72
RV. Die Ausgaben des Reichs, von der Ver-
fassung als gemeinschaftliche Ausgaben bezeich-
net, entspringen den ihm im Art. 4 RV. zu-
gewiesenen Aufgaben. Da diese Aufgaben des
Reichs nicht ausnahmslos das ganze Recichs-
gebiet umfassen, sondern bezüglich einzelner,
wie der Post= und Militärverwaltung, bundes-
staatliche Reservatrechte bestehen, so sind hin-
Einen wichtigen Punkt!
weist, die sehlenden Mittel durch Schaffung
neuer Steuern aufzubringen, die im Gegensatze
zu den dem Reiche überwiesenen sog. gemein-
schaftlichen Verbrauchssteuern von der Ver-
fassung als Reichssteuern bezcichnet werden.
Solange aber dies noch nicht geschehen war,
sollten die Bundesstaaten, gleichsam als die
Bürgen für die Verpflichtungen, die aus der
Wirtschaftsführung des von ihnen gebildeten
Reiches erwachsen, die Deckung des jeweiligen
Fehlbetrags nach Maßgabe ihrer Bevölkerungs-
zahl übernehmen. Die Zuschußpflicht der Bun-
desstaaten war also nur als eine subsidiäre und
vorübergehende gedacht. Der an dritter Stelle
von der Verfassung bezeichnete Weg der Mittel-
beschaffung für das Reich durch Aufnahme
einer Anleihe ist ausdrücklich auf „Fälle eines
außerordentlichen Bedürfnisses“ beschränkt und
zwar nicht als eine in solchen Fällen regelmäßig
sichtlich der für diese Aufgabenzweige zu machen= zu benutzende, sondern nur als eine unter der
den Ausgaben bzw. der aus diesen Aufgaben- bezeichneten. Voraussetzung zulässige Deckungs-
zweigen für das Reich sich ergebenden Rein= möglichkeit. In der Praxis hat man jedoch von