Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Reziprozitätsklausel oder Abrede der bedingten Meistbegünstigung — Richter 
OVG. 46, 256; 28, 222; 30, 264; PrVBl. 27, 
896. Ahnlich nach § 42 ff. der Wegeordnung für 
Westpreußen vom 27. Sept. 1905 (GS. 357), 
und nach §§ 41 ff. der Wegeordnung für Posen 
vom 15. Juli 1907 (GES. 243), wo jedoch die 
auf solchen Titeln beruhenden Verpflichtungen 
des Staats vorbehaltlich ihrer Ablösbarkeit, und 
des Reichs, und zwar diese ohne den Vorbehalt 
ihrer Ablösbarkeit aufrechterhalten werden. Das- 
selbe ist hinsichtlich der auf Observanzen oder be- 
sonderen Wegebauverpflichtungen des Staats, 
die durch §§ 16, 17, 42 Abs. 1, § 43 Abs. 1 der 
dortigen Wegeordnung auf Gemeinden, Guts- 
bezirke ohne Entschädigung übergegangen sind, 
und für welche nachträglich staatsseitig keine Ent- 
schädigung geleistet ist, kür die Provinz Sachsen 
geschehen, indem durch die Novelle vom 8. Juni 
1908 (GS. 157) diese Verpflichtungen mit rück.G 
wirkender Kraft wiederhergestellt sind (s. Wege- 
baulast I). 
Reziprozitätsklausel oder Abrede der beding- 
ten Meistbegünstigung (s. d.) ist die in Handels- 
verträgen getroffene Verabredung, durch welche 
der eine Vertragsstaat die dritten Staaten in 
Zukunft etwa zu gewährenden Begünstigungen, 
soweit sie gegen Entgelt gewährt werden, dem 
andern Vertragsstaate nur unter der Bedingung 
eines gleichwertigen Entgelts zusagt. Wenn also 
A mit B einen Handelsvertrag mit R. und später 
mit C einen Tarifvertrag (s. d.) abschließt, so hat 
" auf die von A an C gewährten zolltarifarischen 
Begünstigungen nur dann Anspruch, wenn er an 
eine Gegenleistung von gleichem Werte macht, 
wie sie Avvon GCerhalten hat. Da die Frage, welche 
Gegenleistung als eine „gleichwertige“ anzusehen 
sei, recht verschieden beantwortet werden kann, 
so ist der Wert der bedingten Meistbegünstigung 
nicht allzu hoch zu veranschlagen. Ein Beispiel 
der R. findet sich in Art. 3 des Handelsvertrages 
mit Argentinien (G . 1859, 405). 
Rheinisches Recht s. Code civil. 
Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung . 
Ev. Landeskirche (Verfassung) I. 
Rheinschiffahrtsakte. Die revidierte R. vom 
17. Okt. 1868 (G. 1869, 798) bildet die Grund- 
lage für die Ausübung der Schiffahrt auf dem 
Rhein und den Nebenflüssen. Sie ist ein Staats- 
vertrag der beteiligten Uferstaaten. Zu ihrer 
Ausführung ist für Preußen das G. vom 17. März 
1870 (GS. 187) ergangen. Von dem Ausf Regul. 
des HM. vom 1. Febr. 1879 gelten nur noch die 
Abschn. II (Lotsendienst) und IV (Dienstbücher). 
Abschn. I ist durch die Polizeiverordnung des 
HM., betr. die Erteilung der Rheinschifferpatente, 
vom 12. Okt. 1904, der Abschn. III durch die 
Ordnung des HM. über die Untersuchung der 
Rheinschiffe vom 10. März 1905 ersetzt. 
Rheinschiffahrtsgerichte. Ihre Einrichtung 
beruht auf den zwischen den Uferstaaten des 
Rheins vereinbarten Staatsverträgen, insbeson- 
dere der Rheinschiffahrtsordnung vom 31. März 
1831 (GS. 73) und der Rheinschiffahrtsakte (s. d.), 
zu welcher das demnächst mit Ausnahme des § 13 
aufgehobene AG. vom 17. März 1870 (GS. 187) 
erlassen worden war. Der § 14 Ziff. 1 VG. hat 
sie als besondere Gerichte zugelassen, § 4 EE- 
GVG. aber auch ermöglicht, ihre Gerichtsbarkeit 
einzelnen ordentlichen Gerichten zu übertragen 
und diese insoweit als besondere Gerichte aus- 
  
  
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Berwaltung. 2. Aufl. II. 
  
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zugestalten. Für Preußen sind darouf das G., 
betr. die R., vom 8. März 1879 (GS. 129) und 
das G. über den Erlaß polizeilicher Strafver- 
fügungen wegen Übertretung strom-= und schiff- 
fahrtspolizeilicher Vorschriften auf der Elbe und 
auf dem Rheine, vom 26. Juli 1897 (GS. 387) 
ergangen. Danach sind als R. erster Instanz 
durch kgl. Verordnung Amtzgerichte zu bestellen, 
welche ihren Sitz am Rhein oder in dessen Nähe 
haben; in gleicher Weise erfolgt die Bestimmung 
der Gerichtsbezirke. Kgl. Verordnungen sind am 
1. Sept. 1879 (GS. 609), am 20. Aug. 1900 
(GS. 314), am 28. Sept. 1905 (GS. 371) und 
am 8. Juni 1908 (GS. 154) erlassen worden. 
R. zweiter und letzter Instanz ist das Ober- 
landesgericht Cöln, für Beschwerden jedoch teil- 
weise das KG. (Pr GKWG. vom 25. Juli 1910 — 
S. 184 § 28). Die Zuständigkeit der 
Zentralkommission in Mannheim, welche aus 
Bevollmächtigten der Uferstaaten besteht und 
alternative Berufungsinstanz bei einem Streit- 
gegenstande von über 50 Franken ist (Rhein- 
schiffahrtsakte Art. 37), bleibt unberührt. Die 
Entscheidungen der Gerichte sind als solche des 
R. zu bezeichnen. Ist ein als R. bestelltes Amts- 
gericht mit mehreren Richtern besetzt, so sind bei 
der Geschäftsverteilung einem derselben die Ge- 
schäfte des R. zu übertragen. In Strafssachen ver- 
handeln und entscheiden die R. ohne Zuziehung 
von Schöffen. Die Geschäfte der Staatsanwalt- 
schaft werden von der Staatsanwaltschaft bei 
dem als R. bestellten Gerichte wahrgenom- 
men. Die sachliche, Zivil= und Strafsachen 
umfassende Zuständigkeit der R. wird im ein- 
zelnen durch die Vereinbarungen der Rhein- 
uferstaaten und durch den § 13 des G. vom 
17. März 1870 zur Ausführung der Rheinschiff- 
fahrtsakte (G 187) bestimmt und erstreckt sich 
besonders auf die Untersuchung und Bestrafung 
aller Zuwiderhandlungen gegen die schiffahrts- 
und strompolizeilichen Vorschriften, ferner auf 
die Streitigkeiten wegen Zahlung der Lotsen-, 
Hafen= usw. Gebühren, wegen der von Privat- 
personen unternommenen Hemmung des Lein- 
pfads, wegen der Beschädigungen, welche Schiffer 
und Flößer während ihrer Fahrt oder beim An- 
landen anderen verursacht haben, usw. Mit der 
Zurücknahme der Rheinschiffer= Patente haben 
die R. so wenig, wie mit deren Erteilung 
(Rheinschiffahrtsakte Art. 15—20), etwas zu tun. 
Das Verfahren ist grundsätzlich das in den zur Zu- 
ständigkeit der Amtsgerichte gehörenden bürger- 
lichen Rechtsstreitigkeiten bzw. das vor den 
Schöffengerichten wegen Übertretungen, jedoch 
enthält das G. vom 8. März 1879 noch verschiedenc 
vorgehende Bestimmungen, welche teils aus den 
Vereinbarungen der Rheinuferstaaten folgen, 
teils mit Rücksicht auf die eigentümlichen Ver- 
hältnisse der R. gesetzlich angeordnet sind. Nach 
dem G. vom 26. Juli 1897 kann wegen Über- 
tretungen derjenigen strom= und schiffahrtspoli- 
zeilichen Vorschriften, zu deren Aburteilung die 
R. zuständig sind, auch eine polizeiliche Strafver- 
fügung erlassen werden. 
Richter. I. Die zur Ausübung der Rechtspflege 
in einem bestimmten Bezirke und in einem be- 
stimmten Umfange berufenen Personen (R. im 
weiteren Sinne) zerfallen in solche, welche es 
berufsmäßig sind (R. im engeren Sinne), und in 
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