Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

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zur Gemeindekasse fließende Geldstrafe von 
50 Z bis 1.K verhängen (8 22). Diese Geld- 
strafe wird wie eine Gemeindeabgabe beige- 
trieben; eine Umwandlung in eine Freiheits- 
strafe im Falle des Unvermögens findet nicht 
statt. Die Verhandlung der Parteien 
wegen deren Ladung vgl. Re#Z. 62, 176 — 
vor dem S. ist mündlich. Der S. kann im Ein- 
verständnisse mit den Parteien Zeugen und 
Sachverständige, welche freiwillig vor ihm er- 
schienen sind, hören. Zur Beeidigung der 
Zeugen und Sachverständigen und zur Ab- 
nahme eines Parteieids ist er nicht befugt 
(§5 23, 24). Zur Einsicht von Urkunden und 
zur Einnahme des Augenscheins auf Antrag 
der Beteiligten erscheint der S. berechtigt, aber 
nicht verpflichtet. Er führt ein Protokollbuch, 
in welches die zustande gekommenen Vergleiche 
in der Sprache der Parteien, und wenn nur 
eine Partei der deutschen Sprache mächtig ist, 
in dieser und der fremden Sprache oder ein 
kurzer Vermerk über das Nichtzustandekommen 
aufzunehmen sind (88 25—28). 
einem S. geschlossenen Vergleiche findet die ge- 
richtliche Zwangsvollstreckung statt (Schieds- 
mannsordnung § 32; AG. z. G. vom 17. Mai 
1898, betr. Anderungen der 8PO., vom 22. Sept. 
1899 — GS. 284 — Art. 3; B8PO. 8 801). 
III. Für jede Gemeinde wird ein 
S. bestellt. Kleine Gemeinden können mit ande- 
ren zu einem Schiedsmannsbezirke vereinigt, 
größere in mehrere Bezirke geteilt werden. 
Selbständige Gutsbezirke stehen den Gemeinden 
gleich (Schiedsmannsordnung § 1). Wegen Ver- 
öfsentlichung der Namen der bestellten S. f. 
Erl. vom 14. April 1880 (Ml. 130). Das 
Amt des S. ist ein Ehrenamt. Zu ihm ist nicht 
zu berufen, wer das 30. Lebensjahr nicht voll- 
endet hat, wer nicht in dem betreffenden Schieds- 
mannsbezirke wohnt, wer infolge strafgericht- 
licher Verurteilung die Befähigung zur Be- 
kleidung öffentlicher Amter verloren hat, wer 
infolge gerichtlicher Anordnung in der Ver- 
fügung über sein Vermögen beschränkt ist (§ 2). 
Aus bestimmten Gründen kann das Amt ab- 
gelehnt und niedergelegt werden. Die un- 
begründete Weigerung, es zu übernehmen, und 
die unbegründete Niederlegung werden mit 
stärkerer Heranziehung zu den Gemeinde= oder 
Kreisabgaben und Ausschluß von der Teil= 
nahme an der Vertretung und Verwaltung der 
Gemeinde bestraft (§§ 8, 10). Die Wahl der 
S. erfolgt mit Abweichungen für einzelne Lan- 
desteile durch die Gemeindevertretungen, für 
die aus mehreren Gemeinden zusammenge- 
setzten Schiedsmannsbezirke durch die Kreis- 
vertretungen, für selbständige Gutsbezirke durch 
den Gutsvorsteher auf drei Jahre. Die Ge- 
wählten bedürfen der Bestätigung durch das 
Präsidium des Landgerichts. Sie werden bei 
dem Amtsgericht ihres Wohnsitzes auf Erfüllung 
ihrer Obliegenheiten eidlich verpflichtet (Allg. VefP. 
vom 27. Aug. 1879 §§8 1—3). Bei Ausübung 
ihres Amtes haben die S. die Rechte der Be- 
amten. Sie fallen unter den § 53 St PO.; die 
Versagung der Genehmigung ihrer Abhörung 
als Zeugen im Privatklageverfahren ist gerecht- 
fertigt, weil im Falle ihrer Vernehmung ihre Ver- 
trauensstellung erschüttert und die Wirksamkeit 
— 
Aus dem vor 
  
Schiedsmänner (bei Viehseuchen) 
der Schiedsmannseinrichtung gefährdet würde. 
Über die Haftpflicht des S. in dem Falle, 
daß eine Ladung nicht in zuverlässiger Weise zu- 
gestellt ist, s. RG.Z. 62, 176. Das Recht der Auf- 
sicht über sie steht dem Präsidenten des Land- 
gerichts, welcher die Befugnis hat, ihre ge- 
samte Amtsverwaltung einer Revision zu unter- 
ziehen, dem Oberlandesgerichtspräsidenten und 
dem IM. zu. In dem Rechte der Aussicht liegt 
die Befugnis, die ordnungswidrige Ausführung 
eines Schiedsmannsgeschäfts zu rügen. Be- 
schwerden, welche den Geschäftsbetrieb oder 
Verzögerungen betreffen, werden im Aussichts- 
wege erledigt (Schiedsmannsordnung §#§8 3—7; 
Allg. Vf. vom 27. Aug. 1879 §§8 1—3; Allg. Bf. 
vom 8. April 1882). Jeder S. erhält einen 
Stellvertreter (§ 12). Wegen der Amtsenthebung 
s. § 9 der Schiedsmannsordnung. Das Ver- 
fahren vor den S. ist kosten= und stempel- 
frei; nur Schreibgebühren und bare Auslagen 
werden berechnet (Schiedsmannsordnung §§ 40 
bis 44; LSt G. vom 30. Juni 1909— GS. 535— 
48). Der vor einem S. ausgenommene Ver- 
gleich ist dann stempelpflichtig — mit 3.14—, wenn 
darin ein anderweites Rechtsgeschäft neu begrün- 
det oder ein bisher nicht in stempelpflichtiger Form 
zustande gekommenes Rechtsgeschäft anerkannt 
oder im wesentlichen aufrechterhalten worden ist 
(LSt G. Tarif 67). Die sächlichen Kosten des 
Schiedsmannsamts fallen der Gemeinde oder 
dem Gutsbezirke zur Last (Schiedsmannsord- 
nung § 45). Wegen der Verwendung von 
Stempelzeichen und der Entwertung von Stem- 
pelbogen und Stempelmarken durch die S. f. 
die AusfBest. zum LStG. vom 16. Aug. 1910 
(Abg BBl. Beil. zum 20. Stücke Ziff. 12 Nr. 4, 
13 Nr. 3, 18, 22 Nr. 4. Uübersichten über die 
Tätigkeit der S. werden im JMl. und im Ml. 
veröffentlicht. Im Jahre 1909 gab es 18 333 S., 
welche durch Vergleich erledigten von 207 319 Be- 
leidigungen und Körperverletzungen 60 148 und 
von 5509 bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten 2498. 
IV. Statt von den S. ist für Privatklagen 
gegen Studierende wegen Beleidigungen der 
Sühneversuch von dem Rektor (Prorektor) und 
in dessen Vertretung von dem Universitäts- 
richter (Syndikus) der betreffenden Hochschule 
vorzunehmen (Schiedsmannsordnung § 39; Allg. 
Vf. vom 22. Aug. 1879 — Jll. 251). 
V. In wesentlich anderer Art als der vor- 
stehenden kommen noch sonst S. vor, so bei 
der Abwehr und Unterdrückung von Biehseuchen, 
s. Schiedsmänner (bei Biehseu- 
chen). 
zur Schiedsmannsordnung vom 
Kommentare 
29. März 1879 von Florschütz= Schultze (Görlitz), 
1904, und Halle, 1903; Christiani, GWie hat der 
Kurt, Leitsaden 
Schiedsmann sein Amt zu führenkl; 
für preußische Schiedsmänner. 
Schiedsmänner (bei Biehseuchen) sind Sach- 
verständige, welche von den Kreistagen und in 
Stadtkreisen von den Gemeindevertretungen be- 
zeichnet werden, um in Gemeinschaft mit dem 
beamteten Tierarzt den gemeinen Wert der bei 
Seuchenausbrüchen auf polizeiliche Anordnung 
getöteten oder nach dieser Anordnung gefallenen 
Tiere abzuschätzen. Das Nähere hierüber s. 8§ 18, 
19 des G. vom 12. März 1881 (GS. 128) und 
Entschädigung bei Viehseuchen lII. 
Beamte im Sinne des Konfliktsgesetzes vom
	        
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