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in die Wege geleitet, welche den Reichskanzler
ermächtigt, Wohnplätze in den S. zu kommu-
nalen Verbänden mit Rechtsfähigkeit zu ver-
einigen, was öffentlich bekanntzumachen ist. Der
Reichskanzler hat hiervon zunächst für Deutsch-
Ostafrika Gebrauch gemacht, indem er durch
V. vom 29. März 1901 (KBl. 217) und vom
17. Sept. 1906 (KBl. 669) die Wohnplätze der
dortigen Bezirksämter zu Bezirksverbänden ver-
einigt und ihre finanziellen Obliegenheiten ge-
ordnet hat. Diese Bezirksverbände sind durch
V. vom 31. März 1909 (KBl. 425) wieder auf-
gehoben worden bis auf zwei (in Daressalam
und Tanga), welche nach einer V. des RK.
vom 18. Juli 1910 (Deutsch-ostafrikanische St O.
— Kl. 679) in Zukunft Stadtgemein-
den sein sollen. Ihnen sind zahlreiche örtliche
Angelegenheiten zur Selbstverwaltung über-
wiesen worden (8§ 2—6); sie können sie durch
Ortssatzungen regeln und Beiträge, Gebühren,
direkte und indirekte Steuern erheben. An ihrer
Spitze steht der städtische Rat, welcher aus dem
Vorsteher des Bezirksamts als Vorsitzendem, je
einem von den Hausbesitzern, Vertretern des
Gewerbestandes und den übrigen Bezirksange-
hörigen gewählten und einem vom Gouverneur
ernannten Mitgliede, sämtlich in ehrenamtlicher
Stellung, besteht. Er hat über alle städtischen
Angelegenheiten zu beraten und zu beschließen
(über die Gegenstände der Beschlußfassung vol.
§ 28), sowie die gesamte städtische Verwaltung
zu überwachen. Der Vorsitzende dagegen leitet
die gesamte Verwaltung, vertritt die Stadtge-
meinde nach außen, bereitet die Beschlüsse des
städtischen Rats vor und führt sie aus oder be-
anstandet sie. Der Gouverneur beausfsichtigt.
In größerem Umfange ist durch V. des Ré.
vom 28. Jan. 1909 für Südwestafrika
lokale Selbstverwaltung eingeführt worden (vgl.
auch V. vom 5. Febr. 1909 — KBl. 152; vom
15. Mai 1909 — KBl. 715; vom 16. Aug. 1909 —
Kl. 950). Sie findet hier ihre Verkörperung
in Gemeinde= und in Bezirksver-
bänden, welch letztere innerhalb des räum-
lichen Dienstbereichs einer Bezirks= oder selb-
ständigen Distriktsverwaltung aus den dort vor-
handenen Gemeindeverbänden und den außer-
alb dieser Verbände stehenden Wohnplätzen
bestehen. Wegen der Aufgaben beider vgl. 8§ 5—8
u. 96, 97. In den Gemeinden können Ortsgesetze
und Gemeindeverordnungen ergehen (88 13, 14);
in Bezirksverbandsangelegenheiten erläßt der
Bezirksamtmann oder Distriktschef nach Be-
schlußfassung durch den Bezirksrat öffentlichrecht-
liche Vorschriften (§ 101). Beiden Verbänden
steht ein Abgabenrecht, den Gemeinden auch ein
Recht auf persönliche Dienste zu (88 72—76,
102). An der Spitze der Gemeinde steht der
Gemeinderat, welcher sich aus dem Gemeinde-
vorsteher als Vorsitzendem und mindestens vier
von der Gemeinde gewählten Mitgliedern zu-
sammensetzt, und der Gemeindevorsteher, welcher
von den Gemeinderatsmitgliedern gewählt und
vom Gouverneur bestätigt wird. Den Bezirks-
verbänden steht der Bezirksamtmann oder Di-
striktschef vor, welcher einen Bezirksrat mit teils
beratenden, teils beschließenden Funktionen zur
Seite hat. Der letztere wird durch Wahlen der
Gemeindeverbände und der außerhalb von sol-
Schutzgebiete
chen stehenden Bezirksangehörigen gebildet. Der
Gouverneur beaufsichtigt alle Verbände.
Auf die Rechtsverhältnisse der
Ehren= und Kommunalbeamten findet
das Kolonialbeamtengesetz nur nach Maßgabe be-
sonderer Kais. Verordnung Anwendung (8 57).
VIII. Die Gerichtsbarkeit wird durch
Kais. Bezirksrichter und Bezirksgerichte (in Kiau-
tschou: Richter und Gericht), sowie Oberrichter
(ev. den Gouverneur) und Obergerichte ausgeübt
(Sch G. §8§ 2, 6 Ziff. 6 nebst V. vom 9. Nov. 1900,
— RGBl. 1005 — V. vom 28. Sept. 1907 — RGBl.
735; ferner für die S. Afrikas und der Südsee
Vf. des RK. vom 25. Dez. 1900 — KBl. 1901, 1—
und für Kiautschou die Dienstanw. vom 23. Okt.
1907— Al. 325). Die etatsmäßigen richterlichen
Beamten müssen die Befähigung zum Richteramt
besitzen, sind unabhängig und genießen beson-
dere Garantien (KB. §§8 48—51). Der Be-
irksrichter hat die Zuständigkeit des Kon-
san, das Bezirksgericht unter entspre-
chender Besetzung die des Konsulargerichts nach
Maßgabe des G. über die Konsulargerichtsbar-
keit (s. d.) vom 7. April 1900 (REBl. 213).
Jedoch werden, mit Ausnahme von Kiautschou,
in den zur Zuständigkeit der Schöffengerichte ge-
hörigen sowie in den in §§ 74, 75 GVG. be-
zeichneten Strafsachen keine Beisitzer hinzuge-
zogen; ferner entscheidet über die zur Zuständig-
keit der Schwurgerichte gehörenden Sachen das
Bezirksgericht (Sch G. § 6 Ziff. 3, 4 und V. vom
9. Nov. 1900, §§ 6, 7). Der Bezirksrichter hat auch
vielfach standesamtliche (Vf. vom 27. März 1908
— KGI. 372), grundbuchamtliche (VBf. vom
30. Nov. 1902), seemam#samtlich= und konfu-
larische Funktionen (Vf. vom 27. Sept. 1903).
Der Oberrichter und das Obergericht
üben die Gerichtsbarkeit zweiter Instanz mit der
durch § 14 des G. über die Konsulargerichtsbar-
keit begründeten Zuständigkeit des RG. an Stelle
des letzteren aus. Zur Erleichterung der
Rechtspflege können die zur Ausübung der Ge-
richtsbarkeit ermächtigten Beamten die Er-
ledigung von Geschäften ihrer Zuständigkeit, ab-
gesehen von einzelnen Ausnahmen, anderen ge-
eigneten Personen (z. B. örtlichen Verwaltungs-
beamten, Arbeiterkommissaren) übertragen (Uf.
vom 25. Dez. 1900 §F 1 in der Fassung der Vf.
vom 8. Mai 1908 — KBl. 659, ferner die
Dienstanw. vom 23. Okt. 1907). In Strafsachen
findet in beschränktem Umfange die Mitwirkung
einer Staatsanwaltschaft statt, zu deren
Vertreter Beamte des S. oder andere geeignete
Personen vom Gouverneur bestellt werden (Sch G.
§ 6 Ziff. 2 und B. § 5). Wegen der Rechts-
anwälte pgl. G. über die Konsulargerichts-
barkeit § 17 und Vf. vom 25. Dez. 1900 F§F 3,
wegen der Notare V. § 11, Vf. vom 8. Mai
1908 und KBE. § 57. Die Begründung eines
obersten Kolonialgerichtshofes bildet gegenwärtig
(1911) den Gegenstand von Beratungen.
Das Verfahren und das materielle
Recht für die Nichteingeborenen bestimmt sich
nach den Vorschriften des Schutzgebietsgesetzes und
der durch dieses eingeführten Bestimmungen des
Konsulargerichtsbarkeitsgesetzes, in der Hauptsache
nach §3 Sch G. und §19 Kons G., ferner nach den
auf Grund des Schutzgebietsgesetzes erlassenen
Kais. und sonstigen Verordnungen (vgl. vor allem