Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Seefahrtsbuch — Seehandlung 
SUVBG. gehört zur S. auch die Fahrt auf 
Buchten, Haffen und Watten der See, nicht aber 
auf anderen mit der See in Verbindung stehenden 
Gewässern (SUVG. F 3 Abs. 2). 
Seefahrtsbuch. Niemand (männliche und 
weibliche Personen) darf im Reichsgebiet als 
Schiffsmann (s. Schiffsmannschaft) in 
Dienst treten, bevor er von einem Seemannsamt 
(s. d.) ein S. ausgefertigt erhalten hat. Einem 
Deutschen, der das vierzehnte Lebensjahr noch 
nicht vollendet hat, darf ein S. nicht ausgestellt 
werden. Minderjährige bedürfen der Zustim- 
mung des gesetzlichen Vertreters. Das Formular 
des S. ist durch den B. festgestellt (s. RKek. 
vom 20. März 1903 — Zhl. 120). Das See- 
mannsamt hat in das S. die An= und Abmuste- 
rung einzutragen. Während der Dauer des 
Dienstverhältnisses bleibt das S. im Gewahrsam 
des Kapitäns (s. Schiffer). Dieser hat vor 
der Abmusterung dem abzumusternden Schiffs- 
mann im S. die bisherigen Rang= und Dienst- 
verhältnisse und die Dauer der Dienstzeit zu be- 
scheinigen, auf Verlangen auch ein Führungs- 
zeugnis zu erteilen. Das Zeugnis darf in das S. 
nicht eingetragen werden, dasselbe ist kosten= und 
stempelfrei. Enthält die Bescheinigung im S. 
Angaben, deren Richtigkeit der Schiffsmann be- 
streitet, so hat das Seemannsamt auf dessen An- 
trag den Sachverhalt zu untersuchen und das 
Ergebnis der Untersuchung dem Schiffsmann zu 
bescheinigen. Über die ausgefertigten S. führt 
das Seemannsamt eine Nachweisung nach vor- 
geschriebenem Muster (Seemannsordnung vom 
2. Juni 1902 — REBl. 175 — §§ 7 ff.; Dienst- 
anweisung für die preuß. Musterungsbehörden 
vom 21. März 1903 — HMl. 95). S. auch 
Arbeitszeugnis IV. 
Seehäfen s. Häfen. 
Seehandlung ist ein unter der Firma „König- 
liche Seehandlung (Preuß. Staatsbank)“" — bis 
zum G. vom 4. Aug. 1904 (s. u.) unter der Firma 
„Generaldirektion der Seehandlungssozietät“ — 
bestehendes Bankinstitut des Preuß. Staates, 
das zwar eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, dessen 
alleiniger Geschäftsinhaber aber — anders wie 
bei der Reichsbank (s. d.) und der früheren Preuß. 
Bank — der Staat ist. 
I. Geschichte. Ursprünglich zum Zweck 
der Hebung des auswärtigen Handels von Fried- 
rich dem Großen durch Patent vom 14. Okt. 
1772 als Aktiengesellschaft errichtet und mit ge- 
wissen Privilegien ausgestattet, nahm die S. 
im Laufe der Zeit mehr den Charakter eines 
Bank--als eines Handelsinstituts an. Insbesondere 
diente sie dem Kreditbedürfnisse des Staatcs, in- 
dem sie anfänglich die Staatsanleihen vermittelte, 
dann aber ihrerseits Obligationen ausgab und 
mit den dadurch erlangten Mitteln die im Aus- 
lande aufgenommenen Staatsanleihen zurück- 
zahlte, also in dieser Weise ihrerseits Gläubigerin 
des Staates wurde. Dieses Verhältnis, vermöge 
dessen sie Schuldnerin ihrer Obligationen und 
Gläubigerin des Staates war, ihre Solvenz also 
von der des letzteren abhing, führte nach dem un- 
glücklichen Kriege von 1806/07 zu ihrem Zu- 
sammenbruche: sie konnte ihre Obligationen weder 
einlösen noch die Zinsen derselben regelmäßig 
zahlen. Ihre Privilegien wurden daher 1808 
nicht erneuert, und durch das Edikt über die 
  
541 
Finanzen des Staates vom 27. Okt. 1810 (GS. 
25) wurden ihre Schulden für Staatsschulden er- 
klärt; die S. selbst aber wurde damit und durch 
die ausdrückliche Bestimmung in der V. über die 
veränderte Verfassung aller obersten Staats- 
behörden von demselben Tage (G S. 3) zu einem 
reinen Staatsinstitut unter Aussicht des FM., 
seit der KabO. vom 3. Nov. 1817 des Schatz- 
ministeriums, solange dieses bestand. Die Ge- 
schäfte der S., welche durch Kab O. vom 17. Juni 
1820 (GS. 25) als „ein für sich bestehendes, un- 
abhängiges Geld= und Handelsinstitut des Staates“ 
reorganisiert, auch mit einem demnächst zurückge- 
zahlten Betriebskapital ausgestattet wurde, waren 
bis 1845 sehr mannigfacher Art gewesen. Als 
aber die privaten gewerblichen und industriellen 
Betriebe mehr erstarkt waren, fühlten sich diese 
durch den Wettbewerb der S. beeinträchtigt. 
Daher wurde durch Kab O. vom 14. Febr. 1845 
deren Tätigkeit auf dem Gebiete der Industrie 
und des Warenhandels wesentlich eingeschränkt, 
und als sich auch die Abschlüsse der S. vorüber- 
gehend ungünstiger gestalteten, namentlich aber 
der Landtag die Beschränkung auf das Bank- 
geschäft forderte, wurden nach und nach fast 
sämtliche gewerblichen Betriebe sowie der sämt- 
liche Großgrundbesitz abgestoßen, so daß die S. 
heute nur noch die Bromberger Mühlen und die 
Spinnerei in Landeshut besitzt. In ihrer recht- 
lichen Stellung erfuhr die S. nach der Schaffung 
einer Volksvertretung insofern eine Veränderung, 
als sie durch AE. vom 17. April 1848 (GS. 109) 
dem FM. untergeordnet wurde. In materieller 
Hinsicht machten sich die jedem Gewerbebetriebe 
des Staates abgeneigten Anschauungen der Mehr- 
heit der Volksvertretung später insofern für die 
S. fühlbar, als 1869 ihr Kapital auf 11. 000,000 Tlr. 
beschränkt und beschlossen wurde, daß ihr Gewinn, 
welcher anfänglich dem Institute allein zugute 
kam (Kab O. vom 3. Mai 1821), später (Kab O. 
vom 25. Juni 1841) in Höhe von 100 000 Tlr. 
und zuletzt in Höhe von 700 000 Tlr. jährlich der 
Staatskasse zufloß, künftig in voller Höhe an die 
Staatskasse abzuführen sei. Die Folge hiervon 
war, daß die S. immer mehr ihre frühere ein- 
flußreiche Stellung auf dem Gebiete des Geld- 
und Bankwesens an die mit ungleich höherem 
Grundkapital arbeitenden privaten Großbanken 
einbüßte. Durch G. vom 4. Aug. 1904 (GS. 
238) ist daher das Grundkapital der S. auf 
100 000 000 K erhöht worden. 
II. Die S. ist heute reines Bankinstitut; der 
Betrieb der Bromberger Mühlen und der Lan— 
deshuter Spinnerei ist ein zufälliger Neben- 
betrieb. Sie soll das Bindeglied zwischen der 
Staatsfinanzverwaltung und dem Geldmarkt 
und der Bankwelt bilden, erstere mit Rat und Tat 
unterstützen, sich der Pflege und Überwachung 
des Marktes der preuß. Staats= und Reichsan- 
leihen widmen, indem sie, als Käufer und Ver- 
käufer auftretend, die Kursschwankungen dieser 
Anleihen mildert und die vorübergehend aus- 
gegebenen Schatzanweisungen aufnimmt, ohne 
daß die Ausgabe derselben sofort bekaunt wird 
und damit auf den Anleihemarkt drückt. Im 
Kriegsfall aber soll ihre Aufgabe darin bestehen, 
neben der Rückzahlung der Gelder der Finanz- 
verwaltung ihre eigenen Mittel nach Möglich- 
keit für die Staatsbedürfnisse liquid zu halten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.