Silberwaren — Sittenpolizei
der Beibehaltung der Taler als Kurantmünze
eine „hinkende“ war, bis die Taler am 1. Okt.
1907 aufhörten, gesetzliches Zahlungsmittel zu
sein (RKBek. vom 27. Juni 1907 — RGBl. 401;
ogl. Gold währung, Taler). Vgl. außer
den vorstehend zitierten Artikeln auch Geld,
Währung, Doppelwährung, Scheid e
münzen.
Silberwaren s. Feingehalt der Gold-
und Silberwaren.
Simultankirchen. Wenn zwei Gemeinden
verschiedener Religionsparteien
zueiner Kirche berechtigt sind, so
müssen die Rechte einer jeden hauptsächlich nach
den vorhandenen Gesetzen und Verträgen be-
urteilt werden (ALR. II, 11 § 309). Wird dar-
über gestritten, ob eine oder die andere Ge-
meinde zu der Kirche wirklich berechtigt sei, so
gehört die Entscheidung vor den ordentlichen
Richter (§ 313 a. a. O.). Das hindert die Landes-
polizeibehörde aber nicht, in zwischen im Inter-
esse der öffentlichen Ruhe und Ordnung die er-
forderlichen Festsetzungen über den Gebrauch zu
treffen (Erk. des Komp Gerp. im JMl. 1864
S. 4 u. 273; 1866, 95). Die Verwaltungsbehör-
den sind im übrigen zur Regelung der Bositzver-
hältnisse nicht befugt (s. Erl. vom 15. Mai 1862
bei Bramesfeld, Rhein.-westf. Kirch O. S. 151).
Rechtsverhältnisse und Baulast regeln sich nach
den Vorschriften über Miteigentum usw. (s. RG.
in der Z. f. K R. 22, 439). Das Simultanverhält-
nis ist auch nach kath. Kirchenrecht nicht unzulässig,
erfordert aber bischöfliche Genehmigung ( (s. Fried-
berg, Kirchenrecht, 6. Aufl., 1909, S. 588). Vgl.
ferner die eingehenden Darlegungen bei Schoen,
Preuß. Ev. Kirch R. 1, 195 ff. S. auch Kir-
chenglockengeläute.
Simultanschule fs. Konfessionelle
Schule I.
Singspielhallen s. Tingeltangel.
Singvögel s. Vögel (Schutz nützlicher).
Sirup unterliegt der Zuckersteuer, wenn er
einen Quotienten von 70 oder mehr hat. Sirup-
raffinerien unterliegen im allgemeinen derselben
Kontrolle wie Zuckerfabriken. S. Zucker-
steuer III b u. h.
Etierung s. Freiheit (persönliche)
Iln (gute; Einrichtung in Gewerbebetrie-
ben zur Erhaltung g. S.) s. Anstand.
Sittenpolizei ist ein Zweig der allgemeinen
Sicherheitspolizei (s. Polizei III). Ihre Auf-
gabe besteht darin, solchen Ausschreitungen auf
sittlichem Gebiete, welche die öffentliche Ord-
nung (s. Offentliche Ruhe, Sicher-
heit und Ordnung)g gefährden, entgegen-
zutreten, und zwar sowohl durch Unterdrückung
einzelner Exzesse wie vorbeugend durch Ver-
hinderung der Gelegenheit.
I. Unter dem Begriff der „S. im engeren
Sinne“ werden die Maßnahmen gegen ge-
schlechtliche Ausschweifungen zusammen-
gefaßt. Die schwersten sittlichen Verfehlungen
werden strafrechtlich verfolgt, auch die gröberen
Verletzungen des Anstandes auf sexuellem Gebiete
ziehen gerichtliche Strafen nach sich (s. Sitt-
lichkeitsverbrechen). Polizeilich zu ver-
bieten sind Konkubinate (s. d.), welche öffentlich
polizeilichen
bemerkbar werden. Die Überwachung der der
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Gewerbsunzucht (s. Gewerbsmäßige Un-
zucht) kungne weiblichen Personen bezweckt
einmal die Eindämmung der Prostitution sowie
ihre Zurückdrängung aus der Offentlichkeit, be-
kämpft aber außerdem die Verbreitung der Ge-
schlechtskrankheiten und trägt somit auch sanitäts-
polizeilichen Charatter. Gesetzliche Grundlage
der sittenpolizellichen Aufsicht bildet der § 361
Ziff. 6 St GB., welcher die Ubertretung der zur
Sihß-"ßherung der Gesundheit, der ösffentlichen Ord-
nung und des öffentlichen Anstandes erlassenen
Vorschriften durch polizeilich kon-
trollierte Prostituierte bestraft. Die Befugnis
der Polizeibehörden zum Erlassen solcher Vor-
schriften wie zur Unterstellung unter sittenpolizei-
liche Aufsicht wird also vom Reichsrechte voraus-
gesetzt und anerkannt. Die gesundheitlichen Maß-
nahmen beruhen auf § 9 des Gesetzes zur Be-
kämpfung übertragbarer Krantheiten vom 28.Aug.
1905 (GS. 373) und den hierzu ergangenen
Ausf Best. vom 7. Okt. 1905 in Verbindung mit
§ 12 des Seuchengesetzes vom 30. Juni 1900
(Rl. 306). Hiernach unterliegen gewerbs-
mäßige Unzucht treibende Personen beiderlei Ge-
schlechts, welche in bezug auf Syphilis, Schanter
oder Tripper krankheits= oder ansteckungsver-
dächtig sind, dem Beobachtungszwang, und wenn
sie von ciner der genannten Rrankheiten ergriffen
sind, der Zwangsbehandlung. Die Befugnis der
Behörde, von dieser Maßregel Gebrauch zu
machen, ist unabhängig von der Frage, ob gemäß
# 361 Ziff. 6 Ste# B. eine sittenpolizeiliche Auf-
sicht zu verhängen ist. Die Einzelheiten des Ver-
fahrens werden durch den gemeinschaftlichen Er-
laß der Minister des Innern und der Medizinal-
angelegenheiten vom 11. Dez. 1907 (MBl. 1908,
14) wie folgt geregelt: In allen Orten, in denen
eine UÜberwachung der Prostitution erforderlich
erscheint, sind öffentliche ärztliche Sprechstunden
zur unentgeltlichen Behandlung Geschlechts-
kranker einzurichten. Die zum erstenmal wegen
Verdachtes der Erwerbsunzucht polizeilich ange-
haltenen Personen sind unter Aushändigung
eines Verzcichnisses der Sprechstunden mit der
Aufslage zu entlassen, sich dort vorzustellen und
entweder unverzüglich ein Gesundheitszeugnis
vorzulegen oder bis zur Heilung einer geschlecht-
lichen Erkrankung den Nachweis ausreichender
ärztlicher Behandlung zu erbringen. Der polizei-
ärztlichen Untersuchung sind zum erstenmal be-
troffene Prostituierte nur dann zu unterwerfen,
wenn besondere Umstände von vornherein den
Verdacht rechtfertigen, daß sie sich der freien
Behandlung entziehen werden. Die zwangs-
weise Behandlung erkrankter Personen in einem
Krankenhause ist zu bewirken, wenn solche sich der
regelmäßigen ärztlichen Vorstellung entzogen
haben, sowie wenn begründeter Verdacht be-
steht, daß sie noch vor bewirkter Heilung der Un-
zucht wieder nachgehen. Die Kosten dieser Schut-
maßregeln sind gemäß § 26 des G. vom 28. Aug.
1905 nach den Vorschriften des bestehenden
Rechtes zu tragen, so daß die in den öffentlichen
Sprechstunden entstehenden Ausgaben, soweit
sie für die Untersuchung der Prostituierten er-
wachsen, dem Träger der unmittelbaren Polizei-
kosten (s. d.) zur Last fallen, soweit sie dagegen
Zwangsheilungskosten darstellen, den Träger der
mittelbaren Polizeikosten treffen (O# G. 27, 75;