Stempelsteuer (preußische) 623
FM. v. Miquel nach Abschluß der Reform der kommen, unterworsen sind (8 1 Abs. 1 und
direkten Steuergesetzgebung in Angriff ge-2Tt. 48 1I). Der Grundsatz des § 3 Abfs. 1,
nommen. Ihr Ergebnis war das Stempelsteuer= daß sich die Steuerpflicht einer Urkunde aus-
gesetz vom 31. Juli 1895 (GES. 413) — als schließlich nach ihrem Inhalt richtet, hat zur
LSt G. bezeichnet —, das in der ganzen Mon= Folge, daß Stempelsteuerbefreiung oder Stempel-
archie, mit Ausschluß der hohenzoll. Lande und steuerermäßigung nur gewährt werden kann, in-
der Insel Helgoland, Geltung hat und am soweit die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür aus
1. April 1896 in Kraft getreten ist. Das LStG. der Urkunde erhellen. Eine Einschränkung findet
ist ergänzt bzw. abgeändert worden durch die der Grundsatz des § 3 Abs. 1 nur bei „Voll=
Nov. vom 26. Juni 1909, welche am 1. Juli machten“" (s. d.). Ob die stempelpflichtigen Ur-
1909 in Kraft getreten ist. Im Gegensatz zu kunden von dem Aussteller selbst oder in seinem
dem G. vom 31. Juli 1895, das wesentlich eine! Auftrage von einem Dritten mit seinem Namen
Zusammenfassung des geltenden Stempelrechtsoder seiner Firma unterschrieben sind oder ob
in übersichtlicher Form bezweckte, ist die Nov. die Unterschrift des Ausstellers mit seinem
vom 26. Juni 1909 ein reines Finanzgesetz. Wissen oder Willen durch Stempelaufdruck,
Ihr ausgesprochener Zweck ist auf Vermehrung Lithographie oder in irgend einer anderen Art
der Staatseinnahmen durch Erhöhung der mechanisch hergestellt ist, macht stempelrechtlich
Steuersätze der einzelnen Tarisstellen (z. B. keinen Unterschied (§ 1 Abs. 2). Das Urtunden-
Gesellschaftsverträge, Pacht= und Mietverträge) prinzip des preuß. Stempelrechts führt ferner
und durch Einfügung neuer Tarisstellen (z. B. dazu, daß die Hinzufügung von Bedingungen,
Automaten, Jagdscheine) gerichtet. Der Text die Wiederaufhebung und die unterbliebene
des LStG. und Tarifs ist in der vom 1. Juli Ausführung des beurkundeten Geschäfts —
1909 an geltenden Fassung auf Grund des vorbehaltlich entgegenstehender Bestimmungen
Art. V der Novelle durch Bek. des FM. vom des Tarifs — sowie die Vernichtung der Ur-
30. Juni 1909 (GS. 535 ff.) verösfsentlicht kunde bei der Erhebung der S. nicht berück-
worden. Ausführungsbestimmungen zum LS!G. sichtigt werden (8 3 Abs. 2). Die unter Um-
sind unter dem 16. Aug. 1910 erlassen und ständen eintretende Stempelerstattung aus Bil-
in der Beilage zu Nr. 20 des Abg-Bl. für ligkeit bei unterbliebener Geschäftsausführung
1910 sowie in den Amtsblättern 1910 ver= (s. unter f) bildet keine Ausnahme, da hier
öffentlicht worden. Außerdem ist zur Aussüh= die Stempelerhebung an sich gerechtfertigt ist.
rung die Allg. Vf. des JM. und FM. über Einzelne Ausnahmen s. in den Tarisstellen:
das gerichtliche Stempelwesen vom 20. Julis Kaufverträge und Pachtverträge. Stempel=
1910 (JM l. 290) ergangen. Eine amtlickhe: pflichtig sind die im Tarif aufgeführten ein-
Ausgabe des LStG. nebst Tarif und Ausfüh= seitigen und zweiseitigen Urkunden; unter den
rungsbestimmungen vom 16. Aug. 1910 und letzteren versteht das LStG. in der Regel nur
28. Juli 1910 ist im FM. herausgegeben und die förmlichen, von beiden Teilen vollzogenen.
von allen Hauptzollämtern und Zollämtern zum Vertragsurkunden, in Briefform geschlossene
Preise von 1 4 käuflich zu beziehen. Hin= Verträge nur dann, wenn nach der Verkehrs-
sichtlich der Literatur wird u. a. ver= sitte über das Geschäft ein förmlicher schrift-
wiesen auf die grundlegenden umfassenden licher Vertrag errichtet zu werden pflegt und
Erläuterungsbücher zum LStEG. von Hummel= durch den Briefwechsel die Aufnahme eines
Specht, Berlin, Guttentagscher Verlag und Heinitz, solchen Vertrages ersetzt werden soll (§ 1 Abs. 3).
Berlin 1909, Liebmannscher Verlag, sowie auf Eine Ausnahme findet sich, abgesehen von
das infolge seines handlichen Formats für den TSt. 48 1, in der mündliche und durch Brief-
praktischen Gebrauch besonders geeignete Er= wechsel zustande gekommene Verträge steuer-
läuterungsbuch von Loeck, Berlin 1909, Gutten= lich wie schriftliche Verträge behandelt werden,
tagscher Verlag. in Tt. 32 Abs. 5. Hier sind Mobiliarkauf=
II. Wesentlicher Inhalt der Stempel= verträge schon dann für stempelpflichtig erklärt,
steuerbestimmungen. a) Steuerpflicht. Die wenn sie nur von einem der Vertragschließenden
preuß. S. ist eine Urkundensteuer. Ihre Er= unterzeichnet, dem anderen aber ausgehändigt
hebung setzt daher — von einer Ausnahme (TSt.|sind. Im übrigen liegt ein förmlicher schrift-
48 1) abgesehen — das Vorhandensein einer Ur- licher Vertrag auch dann vor, wenn jeder der
kunde voraus. Den Gegensatz zur Urkundensteuer Vertragsteilnehmer das in den Händen der
bildet die Geschäftssteuer, die wir im RStemp G. Gegenpartei verbleibende Vertragsstück unter-
(TSt. 4) finden. Hier wird das Geschäft als zeichnet. In diesem Falle bilden beide Ver-
solches ohne Rücksicht auf seine Beurkundung tragsstücke zusammen den förmlichen Vertrag.
versteuert. Das Urkundenprinzip des preuß. Insoweit ein Rechtsgeschäft in einer Urkunde
Stempelrechts ist ausgesprochen im § 1 Abs. 1| nur historisch erwähnt wird, ist hinsichtlich dieses
LSt G.: „Die in dem vorliegenden Tarif auf- Rechtsgeschäfts ein Stempel nicht ersorderlich,
geführten Urkunden unterliegen den wenn durch die Erwähnung lediglich eine andere
darin bezeichneten Stempelabgaben“, und im Erklärung verdeutlicht oder begründet werden
§ 3 Abs. 1 a. a. O.: „Die Stempelpflichtigkeit soll; ist dagegen die Absicht auch auf Beurkun-
einer Urkunde richtet sich nach ihrem In-= dung des historisch erwähnten Rechtsgeschäfts
halt“. Eine Ausnahme von dem Urkunden= gerichtet, so ist dasselbe steuerpflichtig (§ 3
prinzip ist nur hinsichtlich des Pacht= und Miet= Abs. 3). Werden mehrere Urkunden gleichen
stempels gemacht, da diesem im Interesse des Inhalts über denselben Gegenstand ausgestellt
Steueraufkommens und der besseren Steuer= oder ausgefertigt, so ist die auf dem Gegen-
kontrolle auch mündliche Verträge, in= stand ruhende Steuer nur zum Hauptstück bzw.
soweit inländische unbewegliche Sachen in Frage zur Hauptausfertigung zu verwenden; die