Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

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55) und vom 31. Mai 1910 (RGBl. 840) zu 
§ 9 Ziff. 6. # # 
IIII. Die Errichtung eines T. kann 
niemals durch einen Vertreter erfolgen. Fähig 
zu ihr sind alle Personen, die das 16. Lebensjahr 
vollendet haben, mit Ausnahme der sich in einem 
die freie Willensbestimmung ausschließenden Zu- 
stande krankhafter Störung der Geistestätigkeit 
befindenden sowie der wegen Geisteskrankheit 
entmündigten und derjenigen, welche wegen 
Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht 
entmündigt sind, der letzteren bereits von der 
Stellung des Antrags an, auf Grund dessen die 
Entmündigung erfolgt. Minderjährige bedürfen 
keiner Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. 
Alle Rechtsordnungen haben die Gültigkeit der 
T. wegen deren Wichtigkeit an strenge Formen 
geknüpft. Das BeB. unterscheidet zwischen 
ordentlicher undaußerordentlicher 
Testamentsform. In ordentlicher Form wird das 
T. errichtet entweder als sog. öffentliches 
oder als privatschriftliches. Das erstere 
wird vor einem Amtsrichter (FGG#G. § 167) unter 
Zuziehung eines Gerichtsschreibers oder zweier 
Zeugen oder vor einem Notar unter Zuziehung 
eines zweiten Notars oder zweier Zeugen münd- 
lich erklärt oder in einer Schrift, die von dem Te- 
stierenden oder einem Dritten gefertigt sein 
kann und der Unterschrift nicht bedarf, offen 
oder verschlossen mit der Erklärung übergeben, 
daß die Schrift den letzten Willen des Testieren- 
den enthalte. Wegen unrichtiger Datierung 
eines gerichtlichen oder notariellen T. s. RG . 
74, 421. Wer minderzjährig ist oder Geschrie- 
benes nicht lesen kann, darf ein T. nur durch 
mündliche Erklärung errichten. Andererseits 
kann, wer nach der Überzeugung des Rich- 
ters oder Notars stumm oder sonst am Sprechen 
verhindert ist, das T. nur durch Übergabe einer 
Schrift errichten. Zur Errichtung eines T. 
unter Zuziehung eines Dolmetschers s. diesen 
Art. und Ko# J. 39 A 75. Das privatschriftliche T. 
ist aus dem franz. Rechte erst durch den RT. in das 
B#. aufgenommen worden. Es ist bequem und 
kostenlos, aber wegen des Mangels einer Mit- 
wirkung der Obrigkeit oder von Zeugen unsicher. 
Zu ihm gehört nichts weiter, als daß der Te- 
stierende seine letztwillige Verfügung eigenhändig 
in deutscher oder fremder Sprache unter Angabe 
des Ortes und Tages der Ausstellung — die 
unrichtige Datierung bewirkt die Nichtigkeit des 
eigenhändigen T. (Rz. 74, 427) — nieder- 
schreibt und unterschreibt. Über Art und Be- 
schaffenheit der zur Herstellung der Testaments- 
urkunden zu verwendenden Stoffe erteilt das 
Gesetz keine Vorschriften; die Niederschrift auf 
einer Schiefertafel schließt daher die Gültigkeit 
des privatschriftlichen T. nicht aus (RG. in 
IJW. 39, 291). Wegen ungenauer Orts= und 
Zeitangaben in eigenhändigen T. s. KöJ. 39 
A 69. Die Unterschrift, d. i. die dem Unter- 
schreibenden eigentümliche Namensschrift, muß 
unter der Erklärung stehen, den Inhalt der 
Erklärung der äußeren Erscheinung nach decken. 
Wegen einer Unterschrift bloß auf dem Umschlage 
vgl. R Z. 61, 7, wegen Datierung des eigen- 
händigen T. mit zwei verschiedenen Tagen KGf. 
37 A 119 und wegen nachträglicher undatierter 
  
Testamente 
71, 293. Minderjährige und Personen, die Ge- 
schriebenes zu lesen nicht imstande sind, können 
in dieser Weise nicht testieren (s. auch An- 
alphabeten). Das öffentliche T., auch 
das vor einem Notar errichtete, wird beim 
Amtsgerichte verwahrt (UGBG#. vom 20. Sept. 
1899 — GS. 177 — Art. 81). Der Erb- 
lasser erhält einen Hinterlegungsschein. Auch 
ein Privattestament ist auf Verlangen des Erb- 
lassers in solche Verwahrung zu nehmen. Die 
Notare sind nur zur Verwahrung privatschrift- 
licher T. befugt. In außerordentlicher, d. h. 
erleichterter Form kann ein T. errichtet werden 
in drei Fällen. 1. Wenn zu besorgen ist, daß der 
Erblasser früher sterben werde, als die Errich- 
tung des T. vor einem Richter oder Notar möglich 
ist, so kann er das T. vor dem Vorsteher der Ge- 
meinde — in den Kreisen Husum, Norderdith- 
marschen und Süderdithmarschen außer vor den 
Gemeindevorstehern der Kirchspielslandgemein- 
den auch vor dem Vorsteher der Dorsschaft oder 
Bauerschaft, in deren Bezirke der Erblasser sich 
aufhält (Allg. Vf. vom 7. Juli 1900 — Jl#-#l. 
504), und in den Oberlandesgerichtsbezirken 
Frankfurt und Kassel auch vor dem Ortsgerichts- 
vorsteher, der nicht Gemeindevorsteher ist, im 
Verhinderungsfalle dem Vertreter (Allg. Vf. vom 
1. Juli 1902 — ZWMBIl. 141 —, vom 27. Okt. 
1905 — JIlM l. 320 — und vom 25. Okt. 1909 — 
Im- Bl. 349) — oder des selbständigen Guts- 
bezirks, in deren Bereiche, oder vor der an Stelle 
des oder neben dem Vorsteher bestellten beson- 
deren Urkundsperson, in deren zugewiesenem Be- 
zirk er sich aufhält (AGBB. Art. 80), und 
zwei Zeugen nach den Vorschriften, die für das 
vor dem Richter oder Notar errichtete T. maß- 
gebend sind, mündlich oder durch Uberreichung 
einer Schrift errichten (sog. Dorf= oder Not- 
testament). Vgl. hierzu die Vf. vom 19. Jan. 
1900 (Ml. 80) und besonders die Anw., betr. die 
Errichtung von T. vor dem Gemeinde= oder Guts- 
vorsteher, vom 23. Juni 1900 (Il Bl. Anl. zu 
Nr. 32; Ml. 25) und Vf. vom 10. Nov. 1902 
(Ml. 222), sowie die Anw. für die zur Aufnahme 
von Nottestamenten bestellten besonderen Ur- 
kundspersonen vom 15. März 1904 (JMl. 91). 
Unter dem Vorsteher der Gemeinde ist in Städten 
mit Magistratsverfassung der Bürgermeister oder 
dessen ein für allemal bestimmter Vertreter zu 
verstehen (KG J. 29 A 49). Die Gültigkeit des 
Nottestaments wird nicht dadurch beeinträchtigt, 
daß der beurkundende Gemeindevorsteher, der 
gleichzeitig Ortsgerichtsvorsteher ist, sich im Pro- 
tokoll als solcher bezeichnet. Befinden sich die 
Unterschriften des Erblassers und der mitwirken- 
den Personen (Gemeindevorsteher und Zeugen) 
sämtlich unterhalb des Textes des Protokolls, so 
wird die Gültigkeit des T. nicht dadurch berührt, 
daß die Unterschrift des Erblassers nicht über den 
Unterschriften der mitwirkenden Personen steht 
(K GM. 32 A 94). 2. Wer sich an einem Orte auf- 
hält, der infolge des Ausbruches einer Krankheit 
oder sonstiger außerordentlicher Umstände der- 
gestalt abgesperrt ist, daß die Errichtung eines T. 
vor einem Richter oder Notar nicht möglich oder 
erheblich erschwert ist, kann das T. entweder 
ebenfalls vor dem Vorsteher der Gemeinde oder 
des Gutsbezirks und zwei Zeugen oder durch 
Veränderungen eines eigenhändigen T. R Z.mündliche Erklärung vor drei Zeugen unter
	        
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