Übertragbare Krankheiten
sonen sind indessen von diesem formlosen Über-
nahmeverkehr ausgeschlossen (Art. 8). Eine diplo-
matische Verhandlung soll nur dann noch statt-
finden, wenn die Grenzbehörden sich wegen der
lÜbernahme nicht einigen können, oder wenn die
Entscheidung der Grenzbehörde, welche die aus-
zuweisende Person übernommen hat, von den
höheren Behörden des Heimatsstaates nicht ge-
billigt wird (Art. 9). Wegen der Grenzorte und
der Ubernahmetage haben sich die vertragschlie-
ßenden Teile durch Notenaustausch verständigt.
Desgleichen haben sie sich die beiderseitigen zu-
ständigen Grenzbehörden mitgeteilt (Art. 10).
Grundsätzlich sind hierbei Orte gewählt, die
möglichst hart an der Grenze liegen. Die
Wahrnehmung des Ubernahmeverkehrs ist den
örtlichen Polizeibehörden übertragen. Näheres
s. Art. 10 Anlage B der preuß. Ausf Anw.
vom 31. Jan. 1907 (MBl. 75); vgl. auch ME.
vom 5. März 1907 (Ml. 109). Die Be-
förderungslosten bis zum Ubernahmeorte sind
vom ausweisenden Teile zu tragen (Art. 11).
Mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse des
Eisenbahnverkehrs ist bestimmt, daß Personen,
die sich nicht auf das vertragsmäßige Nieder-
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Wege des unmittelbaren Zwanges, des
Transportes, vollzogen werden sollen. Unbe-
rührt bleibt die Befugnis der Behörden, lästige
Ausländer durch Androhung und gestsetzung von
Exekutiostrafen zum Verlassen des Staats-
gebietes in der Weise anzuhalten, daß den Aus-
gewiesenen die Art ihrer Entfernung überlassen
wird (s. Ausweisungen IV).
Übertragbare Krankheiten. I. Die den Ge-
meinwesen durch ü. K. drohenden Gefahren
waren schon dem Altertum bekannt. Zu ihrer
wirksamen Bekämpfung durch die Staatsgewalt
seehlte es aber bis in den Anfang des 19. Jahrh.
lassungsrecht berufen können, auf der ersten
Haltestelle nach Uberschreitung der Grenze an-
gehalten und ohne Förmlichkeiten zurückgeschafft
werden können (Art. 12).
hinein an der erforderlichen wissenschaftlichen
Grundlage. Noch das Mittelalter faßte die
Seuchenepidemien als Gottesgericht auf, denen
der Mensch ohnmächtig gegenüberstehe. Eine
spätere Zeit führte sie auf Erdbeben oder atmo-
sphärische Kräfte zurück. Erst im Anfang des
vorigen Jahrhunderts brach sich allmählich die
Erkenntuis Bahn, daß die ü. K. durch bestimmte
Krankheitsgifte entstehen, die am Kranken, in
seinen Auslecrungen, an seinen Gebrauchsgegen-
ständen haften und von dort auf seine weitere
Umgebung übergehen. Die Choleraepidemie von
1831 gab in Preußen den Anstoß, die neue
wissenschaftliche Erkenntnis gesetzgeberisch zu ver-
werten. Durch AKab O. vom 8. Aug. 1835 (GS.
Die Ubernahme und 210) wurde das „Regulativ über die sanitäts-
Durchbeförderung von Angehörigen eines dritten polizeilichen Vorschriften bei den am häufigsten
Staates kann nur dann verlangt werden, wenn vorkommenden
ansteckenden Krankheiten“ er-
der ausweisende Staat die Kosten der D Durchbe- loassen. Ohne sich völlig von den früheren Theorien
förderung übernimmt und nachweist,
daß der über die Entstehung der ü. K. freizumachen (vgl.
dritte Staat zur Ubernahme der auszuweisenden § 35 Abs. 1), traf das Regulativ doch so zweck-
Person bereit ist (Art. 13). — Ein ähnlicher Uber= mäßige
nahmeverkehr besteht mit Rußland (Ubernahme-
abkommen vom 10. Febr./29. Jan. 1891 — Zl.
81 — und preuß. Ausf Anw. hierzu vom 6. Mai
1894 — M l. 95) und mit der Schweiz (Nieder-
lassungsvertrag vom 31. Mai 1890 — Rl. 131
— nebst dem in dem Vertrage aufrechterhaltenen
Zusazprotokolle zu dem früheren Vertrage vom;
21. Dez. 1881). Die in Ziff. IV dieses Zusatz-
protokolles getroffene
Bestimmung des Ubernahmeortes
durch den ME. vom 30. März 1909 (MBl. 112).—
Vereinbarung über die
ist deklariert
Ein Hauptvorteil des mit den Niederlanden und
mit Rußland vereinbarten Ubernahmeverfahrens
besteht darin, daß durch den direkten Verkehr
der beiderseitigen Grenzbehörden miteinander das
Verfahren wesentlich beschleunigt und dadurch
die Inhafthaltung solcher Auszuweisenden ab-
gekürzt wird, die zur Sicherung der Ausweisung
festgenommen sind; s. auch Heinrichs, Deut-
sche Niederlassungsverträge und übernahme- behörden die Unzulänglichkeit und Verschieden-
abkommen S. 99 ff;
denrecht S. 165. Das Verfahren mit der
Schweiz weicht hiervon insofern ab, als nicht
zwischen den Grenzbehörden, sondern zwischen Seuchen,
I
Vorschriften über Absonderung der
Kranken und Vernichtung des Krankheitsgiftes
durch die Desinfsektion, daß es in der Praxis
vielfach vorzüglich wirkte. — Die fortschreitende
Erkenntnis des Wesens der ü. K. in ihrer Ge-
samtheit und im einzelnen machte allmählich er-
hebliche Lücken und Fehler des Regulativs, wel-
ches auch nur in den alten Provinzen galt, wäh-
rend in den neuen die Bekämpfung der ü. K. auf
Polizeiverordnungen beruhte, offenbar. Ins-
besondere führte die Entdeckung der Krankheits-
gifte in Gestalt tierischer oder pflanzlicher Mikro-
organismen mit verschiedenen Lebensbedingun-
gen auf den Weg individueller Bekämpfung der
einzelnen ü. K. Wiederum war es eine Cholera-
epidemie, die den Anstoß gab, die wissenschaft-
lichen Errungenschaften und praktischen Ersah-
rungen der neueren Zeit gesetzgeberisch zu ver-
werten. Beim Einbruch der Cholera in Deutsch-
land i. J. 1892 machte sich für die Gesundheits-
z; v. Frisch, Das Frem- artigkeit des Rechtszustandes so störend bemerk-
bar, daß die Notwendigteit umfassender reichs-
rechtlicher Regelung wenigstens für diejenigen
welche infolge ihrer Neigung zu
der ausweisenden — der Landespolizei — Behörde großen Wanderzügen bei ihrem Auftreten von
und der Heimatsbehörde verhandelt wird.
Ahn= vornherein Bedeutung über die Grenzen des ein-
lich liegt die Sache im Verkehr mit Csterreich, zelnen Bundesstaats hinaus gewinnen, zur all-
während mit anderen Ländern, z. B. Frankreich, gemeinen Anerkennung gelangte.
T
Das Ergeb-
nur im diplomatischen Wege verhandelt wird. nis bildete die einheitliche Regelung der Be-
Die Ausdehnung des direkten Grenzverkehrs auf kämpfung der „gemeingefährlichen Krankheiten"
alle Nachbarländer ist daher anzustreben (s. auch (s. d.) durch das Reich und diejenige anderer ül. K.
dehörden korrespomden
durch die einzelnen Bundesstaaten. Daneben
Die ll. beziehen sich nur auf dieienigen 1 gingen internationale übereinkommen zur Be-
Ausweisungen und Heimschaffungen, welche im kämpfung einzelner ül K. her.