Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Übertragbare Krankheiten 
(§ 1 Abs. 1) und läßt sie mit der Aufgabe der 
schriftlichen Meldung zur Post erfüllt sein (§6 4 
Satz 2). Letzteres verlangt schlechthin „unver- 
zügliche" Anzeige (§ 1 Abs. 1). Verpflichtet zur 
Anzeige ist in erster Linie der zugezogene Arzt, 
subsidiär der Haushaltungsvorstand — in An- 
die Zulassung zum Kranlen fortfallt, 
behandelnde Arzt den 
stalten der Anstaltsvorsteher oder eine etwa be- 
sonders beauftragte Person, auf Schiffen oder 
Flößen der Schisser oder Floßführer —, jede 
mit der Behandlung oder Pflege des Erkrantten 
beschäftigte Person, der Wohnungsinhaber und 
der Leichenschauer (8§ 2, 3 beider G.). 
zeige ergeht an die Ortspolizeibehörde. 
Bundesrat steht die Befugnis zu, 
pflicht auf andere ü. K. auszudehnen (§ 5 Abfs. 2 
des G. vom 30. Juni 1900); vgl. bezüglich 
Milzbrand die oben angezogene Bek. vom 
28. Sept. 1809 (RG# Bl. 93). Die gleiche Be- 
Dem 
fugnis hat das Staatsministerium für epidemisch 
auftretende Krankheiten (Ib des G. vom 28. Aug. 
1905), jedoch besteht dabei ein Mitwirkungsrecht 
des Landtages (§ 11 Abs. 2). —. Verlebzungen der 
Anzeigepflicht werden bestraft (8§ 
(I. vom 30. Juni 1900; § 35 Nr. 1 des G. vom 
28. Aug. 1905. 
Die An- l 
die Anzeige- 
45 Nr. 1 des 
745 
lichen Untersuchungen. Bei Toyphus und Typhus- 
verdacht, Genickstarre, Rückfallsieber, Nuhr, Milz- 
brand, Rotz, Tollwut und Bißverletzungen durch 
tolle oder der Tollwut verdächtige Tiere, Fleisch-, 
Fisch= oder Wurstvergiftung und Trichinose be- 
steht dasselbe Recht mit der Beschränkung, daß 
wenn der 
Zutritt des beamteten 
Arztes zum Kranken für diesen für gefährlich 
erktlärt. Bei Kindbettfieber und Kindbettsieber- 
verdacht ist der Zutritt außerdem an die Zu- 
stimmung des Haushaltungsvorstandes gelnüpft. 
Bei Diphtherie, Körnerkrantheit und Scharlach 
besteht keinerlei Zutrittsrecht. — Hinsichtlich aller 
Krantheits= oder Verdachtsfälle, bei denen Zu- 
trittsrecht besteht, sind die anzeigepflichtigen Per- 
sonen (III 4a) zur Auskunftserteilung 
über alle für Eutstehung und Verlauf der Krank- 
heit wichtigen Umstände verpflichtet. — Bei 
Cholera-, Gelbfieber-, Pest-, Toyphus= oder Rotz- 
verdacht 2 erforderlichenfalls die Osfnung 
der Leiche polizeilich angeordnet werden. — 
Für Ortschaften und Bozirke, die von einer ge- 
meinge fährlichen Krantheit (s. d.) befallen oder 
bedroht oder von Typhus, Ruhr, Milzbrand oder 
Rotz befallen sind, kann die obli gatorische 
Leichenschau eingeführt werden (88 6—10 
des G. vom 30. Juni 1900; § 6 des G. vom 
28. Aug. 1905; Allg. AussBest. vom 15. Sept. 
b) Die Anzeigepflicht des Publikums wird er- 
gänzt durch die Pflicht der Behörden zur Er- 
mittlung der Art, des Standes 
und der Ursache der Krankheit. 
Auch diese Ermittlungspflicht ist bei den verschic= 1906 zu §6 Nr. 9— MM Bl. 374). — Das Staats- 
schiedenen Kranlheiten abgestuft. Für die ge= ministerium kann die für Typhus usw. bestehen- 
meingefährlichen Krantheiten (s. d.) sowie für den Ermittlungsvorschriften auf andere ü. K. bei 
Kindbettfieber und Typhus tritt die Ermittlungs= epidemischer Verbreitung ausdehnen (&§ 7 des 
pflicht der Ortspolizeibehörde ein, sobald sie vom G. vom 28. Aug. 1905). Auch hierbei ist es an 
Ausbruch oder vom Verdacht des Auftretens der eine Mitwirkung des Landtages gebunden (8 11 
Krantheit in einer Ortschaft — bei Ortschaften Abs. 2). 
über 10 000 Einw. in einem Ortsteile — Kenntnis 5. Verhütung der Weiterver- 
erhält. Für Genickstarre, Rüdfallfieber, Ruhr, breitung einer ü. K. nach ihrem 
Milzbrand, Rotz, Tollwut, Bißverletzungen durch Ausbruch. Ist der Ausbruch einer ül. K. fest- 
tolle oder der Tollwut verdächtige Tiere, Fleisch-, gestellt, so ist es Pflicht der Polizeibehörde, der 
Fisch= oder Wurstvergiftung und Trichinose schei- Weiterverbreitung entgegenzutreten. Die Ge- 
den die Verdachtsfälle aus. Bei Diphtherie, setze geben ihr hierzu das Recht zu folgenden 
Körnerkrankheit und Scharlach besteht eine Er--, „Absperrungs- und Aussichtsmaßregeln) für die 
mittlungspflicht nur für die ersten Erkrankungs= Dauer der Krankheitsgefahr (§# 11—21 des G. 
und Todesfälle, sosern sie nicht von einem Arzt vom 30. Juni 1900; 8§ 8, 9 des G. vom 28. Aug. 
angezeigt sind (§8 6 beider G.). Bei den Ge= 1905): 
schlechtskrankheiten besteht keine Ermittlungs-, a) Einer Beobachtung, die bei obdach- 
pflicht. — Die Ermittlungen haben durch den losen, eines festen Wohnsitzes ermangelnden 
Kreisarzt (vgl. § 83 der Dienstanw. f. d. Kreis= oder gewerbs-- oder gewohnheitsmäßig umher- 
ärzte vom 1. Sept. 1909 — M Ml. 381), bei ziehenden Personen mit einer Beschränkung in 
Diphtherie, Körnerkrankheit und Scharlach durch der Wahl des Aufenthalts oder der Arbeitsstätte 
den nächsterreichbaren praktischen Arzt (Allg. verbunden werden kann, dürfen unterworfen 
AussBest. vom 15. Sept. 1906 zu § 6 Nr. 5 — werden: a. Kranke, Krankheits= oder Ansteckungs- 
MMl. 374) zu erfolgen. Für die Feststellung verdächtige bei den gemeingefährlichen Krank- 
derjenigen Krankheiten, deren Erreger bekannt heiten (s. d.) sowie bei den Geschlechtskrankheiten 
ist, spielen die bakteriologischen Untersuchungen (s. d.), bei letzteren jedoch nur, wenn die betr. 
(s. d.) eine wesentliche Rolle. In Notfällen kann] Person Gewerbsunzucht treibt; 9. Kranke oder 
der beamtete Arzt selbständig handeln. Der Re- Krankheitsverdächtige bei Körnerkrankheit, Rück- 
gierungspräsident kann die Ermittlungspflicht fallfieber, Typhus und Rotz; F. Kranke oder An- 
auf jeden einzelnen Krankheits= oder Todesfall steckungsverdächtige (Gebissene) bei Tollwut. 
ausdehnen. Letztere Vorschriften sind nicht an# b) Meldepflicht kann seitens des Re- 
wendbar auf Diphtherie, Körnerkrankheit und gierungspräsidenten den aus verseuchten Gegen- 
Scharlach. den zureisenden Personen auferlegt werden, bei 
Tc) Zur Sicherung eines ausreichenden Ergeb= den gemeingefährlichen Krankheiten (s. d.) so- 
nisses der Ermittlungen sind den Behörden be- wie bei Körnerkrankheit, Rückfallfieber, Typhus. 
sondere Rechte beigelegt. Bei gemeinge fährlichen c) Einer Absonderung , die sich bei 
Krankheiten hat der beamtete Arzt das Recht nach Ansicht des beamteten Arztes unzureichen- 
auf Zulassung zum Kranken oder den Einrichtungen in der eigenen Wohnung in 
zur Leiche sowie auf Gestattung der erforder= dringenden Fällen zur Uberführung in ein
	        
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