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gehalten werden. Eine Befreiung des Stempel-
steuergesetzes liegt nur vor, wenn das betreffende
Geschäft unter das Gesetz selbst oder eine der
Tarifstellen des Gesetzes fällt, aber ausdrücklich
als befreit erklärt wird; keine entsprechend anzu-
wendende Befreiung oder Ermäßigung ist darin
zu erblicken, daß das Geschäft nicht einem Wert-,
wohl aber dem allgemeinen Vertragstempel
unterliegt (OV G. 50, 91; Pr VBl. 27, 311; 29,
687). Nicht mehr durch Landes-, sondern durch
Reichsgesetz stempelsteuer= und daher mangels
ausdrücklicher Vorschrift der Steuerordnung nicht
umsatzsteuerfrei sind Schenkungen unter Ehe-
gatten oder an Abkömmlinge (Pr VBl. 30, 497;
OG. vom 3. Okt. 1910 und 26. Jan. 1911 —
VII. C 135—139/10). Der Unterschied zwi-
schen sachlichen und persönlichen Befreiungen
besteht darin, daß bei jenen das Geschäft
befreit ist, gleichviel wer die Kontrahenten sind,
bei den persönlichen nur der Kontrahent befreit
ist (OVG. 51, 96). Zu den sachlichen Befreiungen
gehört auch diejenige der Grundstückserwer-
bungen, welche, wenn auch nur mittelbar, den
Zwecken der Ansiedlungskommission für Posen
und Westpreußen dienen (O# G. 51, 96; 54, 26).
Für Umsatzstenerordnungen in den sechs alten
ostelbischen Provinzen mit Ausnahme des Reg.=
Bez. Potsdam wird ferner Aufnahme einer sach-
lichen (OVG. vom 3. Jan. 1910 — VII 341/09)
Befreiungsvorschrift für Käufe und Verkäufe
solcher Körperschaften und Gesellschaften gefor-
dert, die sich in gemeinnütziger Weise mit den
Aufgaben der inneren Kolonisation und der
Grundentschuldung befassen, und für die dies
seitens des FM. mit der Erklärung bescheinigt
wird, daß ihnen auch Staatsstempelerleichterun-
gen zuteil geworden sind oder werden sollen (ME.
vom 1. Okt. und 30. Nov. 1906). Sind sowohl
Veräußerer als auch Erwerber die Steuerpflich-
tigen und gehört einer von ihnen zu den Befrei-
ten, so wird die Steuer zur Hälfte erhoben; doch
enthalten einzelne Steuerordnungen die Vor-
schrift, daß in diesen Fällen der andere Teil die
ganze Steuer zu zahlen hat. Den Maßstab
der Steuer kann der gemeine Wert oder der Er-
werbspreis des veräußerten Grundstücks bzw.
Immobiliarrechtes bilden, also abzüglich des-
jenigen des Zubehörs (B. § 97), aber ein-
schließlich desjenigen aller, weinn auch unwesent-
lichen, Bestandteile, d. h. aller derjenigen körper-
lichen Gegenstände, die entweder von Natur eine
Einheit bilden oder durch eine nicht bloß ganz
lose Verbindung ihre Selbständigkeit dergestalt
verloren haben, daß sie fortan, solange die Ver-
bindung dauert, als eine Sache erscheinen (O G.
vom 22. Nov. 1909 und 2. Mai 1910 — VII C
213, 250, 294, 358/09 und 97/10 — u. a.;
Re.58, 312; 63, 173; Pr VBl. 30, 256 f.;
O# G. 32, 65; 43, 49); doch ist der gemeine Wert
nicht niedriger als der bedungene Preis ein-
schließlich der Nebenleistungen und Nutzungen
anzunehmen. Bei Tausch ist nur der Wert des
höherwertigen Tauschobjekts in Ansatz zu bringen,
nicht die Summe der Werte beider Tauschobjekte,
wenn aber das eine Tauschobjekt außerhalb des
Gemeindebezirks (Kreises) liegt, der Wert des
innerhalb desselben belegenen; ist das wertvollere
Grundstück steuerfrei, so ist der Wert des andern
zugrunde zu legen (OVG. 40, 46). Bei Eigen-
Umsaszsteuer bei Besitzwechsel von Grundstücken
tumserwerb zum Zweck der Teilung der von Mit-
eigentümern gemeinschaftlich besessenen Grund-
stücke außer dem Falle der Erbgemeinschaft (s. o.),
ist die Stener nur nach dem Mehrwert des dem
bisherigen Miteigentümer zum alleinigen Eigen-
tum übertragenen Grundstücks gegenüber seinem
bisherigen ideellen Anteil an der zur Teilung ge-
langten gemeinschaftlichen Vermögensmasse zu
bemessen. Bei gerichtlichen Zwangsversteige-
rungen ist die Umsatzsteuer nach dem Meistgebot,
zu dem der Zuschlag erteilt wird, unter Hinzu-
rechnung der übernommenen Leistungen zu be-
rechnen; ist der Ersteher Hypotheken-- oder Grund-
schuldgläubiger, so sieht das neue Muster vor,
daß die Steuer nur von dem den Betrag seiner
Forderung und der dieser vorgehenden Forde-
rungen übersteigenden Betrage des Meistgebots
zuzüglich übernommener Leistungen erhoben
wird. Maßgebend ist, wenn der gemeine Wert zu-
grunde zu legen ist, derjenige zur Zeit des die
Steuerpflicht begründenden Rechtsaktes, wobei
aber, wenn, wie es die Regel ist, die Steuer an
den dinglichen Eigentumserwerbsakt geknüpft
ist, von demjenigen Zustand und Umfang des
Gegenstandes auszugehen ist, in dem er nach dem
obligatorischen Rechtsgeschäft, welches der Ver-
äußerung zugrunde liegt, zu leisten war (O# G.
52, 117; PrVl. 30, 508). Der Steuersatz
sollte bisher schon in der Regel den des staatlichen
Immobiliarstempels, d. i. 190, nicht übersteigen.
Doch wurden in der Praxis, selbst wo besondere
Gründe kaum vorlagen, in weitem Umfange Aus-
nahmen hiervon zugelassen. Künftig soll nach
ME. vom 23. März 1911 (MBl. 111) mit
Rücksicht auf die Einführung der Reichszuwachs-
steuer grundsätzlich an dem Satze von 190 als
Höchstsatz festgehalten und eine MÜberschreitung,
aber auch nur bis auf höchstens 200, nur aus
besonderen, den Ministern nachzuweisenden Ver-
hältnissen gestattet werden. Aus besonderen. Grün-
den wird auch ein verschiedener Steuersatz für un-
bebaute Grundstücke einer= und für bebaute ande-
rerseits gestattet; ein höherer für erstere, als für
letztere, wie er vielfach zur Anwendung gelangt,
ist insbesondere angezeigt, wo es sich darum
handelt, der Spekulation in Baugelände ent-
gegenzuwirken (vgl. OVG. vom 27. Okt. 1910
— VII C 43 und 63/10); aber auch ein
niedrigerer Satz für unbebaute als für bebaute
Grundstücke kann angezeigt fein, so wenn es
darauf ankommt, minder bemittelten Be-
völkerungsklassen die Seßhaftmachung zu
erleichtern oder größere, nicht in den Hän-
den von Spekulanten befindliche Bau-
terrains schnell aufzuteilen und in die Hände
von Personen zu bringen, die deren Eigen-
bebauung beabsichtigen. Das KW. steht auch
einer Abstufung oder Progression der Umsatz-
steuer nach Art, Lage, Wert der Grundstücke
oder dem Maße der Wertsteigerung seit dem
letzten Eigentumswechsel nicht entgegen. Ein
Beispiel einer in dieser Beziehung fein ausge-
bildeten Umsatzstener ist die in Frankfurt a. M.
Die Sätze der Kreisumsatzsteuern können ins-
besondere auch nach Kreisteilen (zumal mit Rück-
sicht auf bereits bestehende Gemeindeumsatz=
steuern) abgestuft werden (AusfAnw. vom
29. Sept. 1906 II C 1). Eine weitere Differen-
zierung der Steuersätze findet sich in einzelnen