Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Veredlungsverkehr 
auf schiedsrichterlichem Wege (ZPO. g8 1025 
bis 1049) ausgetragen. Trotz nicht wohl zu 
bestreitender Mängel, namentlich das Fehlen 
einer Nachprüfung der Entscheidung in zweiter 
Instanz, ist dieser Erledigung vor der durch 
die ordentlichen Gerichte der Vorzug gegeben, 
weil sie der Eigenart der Verhältnisse nament- 
lich in technischer Hinsicht im großen und ganzen 
besser Rechnung trägt, auch in stärkerem Maße 
einen ungehinderten Fortgang des Baues ge- 
währleistet. Mit der Zusammensetzung der 
Schiedsgerichte und der Abstellung der Ursachen, 
welche neuerdings in vermehrtem Umfange zu 
Schiedssprüchen geführt haben, beschäftigt sich 
ME. vom 10. Mai 1910 (BV ZBl. 281 und 
Ml. 166). 
VI. Neuordnung des Verdin- 
gungswesens. Wegen der weiteren Einzel- 
heiten über die Vergebung muß auf den Erl. 
vom 23. Dez. 1905 (Ml. 1906, 11) verwiesen 
werden. Die ihm beigegebenen „Allgemeinen 
Bestimmungen“ berücksichtigen die im Laufe 
der Jahre gemachten Erfahrungen und suchen 
auf Grund von Erörterungen mit Interessen-- 
ten sowohl wie Behörden den Bestrebun- 
gen gerecht zu werden, die namentlich aus den 
Kreisen der Handwerker hinsichtlich der Ver- 
besserung der Bestimmungen von 1885 (MBl. 
147 ff.) sich geltend gemacht hatten. Bei der 
Beratung im AbgH. (vgl. AbgH Drucks. 1901/05 
Nr. 814) war man jedoch darüber einig, daß 
die Bestimmungen allein noch nicht gecignet 
sind, die von der Praxis empfundenen Mängel! 
abzustellen, daß der Schwerpunkt vielmehr in 
über den autonomen V. sind in der 
813 
veredlung erwirbt der inländische Gewerbe- 
treibende ausländische Waren (Rohstoffe, Halb- 
fabrikate), um sie in veredeltem Zustande auf 
seine Rechnung nach dem Auslande abzusetzen; 
er kauft und verkauft. Bei der Lohnveredlung 
veredelt er im Auftrage und auf Rechnung 
eines ausländischen Gewerbetreibenden; er ist 
Unternehmer bei einem Werkvertrage. Die 
Erzeugnisse der Eigenveredlung erscheinen auf 
idem Markte als Erzeugnisse des Inlandes, 
die der Lohnveredlung als Erzeugnisse des 
Auslandes. Beispiel der Eigenveredlung: Ein 
inländischer Treibriemenfabrikant tauft auslän- 
disches Leder, vorarbeitet dieses zu Treibriemen 
und setzt die Treibriemen nach dem Auslande 
ab. Beispiel der Lohnveredlung: Einc in- 
ländische Färberei nimmt an ausländischen. 
| Garnen die Färbung vor, mit der sie von einer 
ausländischen Spinnerei beauftragt ist, und 
sendet die gefärbten Garne an ihre Auftraggeber 
zurück. Der passive V. kommt (vom Standpunkt 
des Auslandes betrachtet) nur als Lohnver- 
edlung, also nur auf inländische Rechnung vor. 
Beispiel: Inländische Handschuhfabrikanten lassen 
zu Handschuhen zugeschnittenes Leder im Aus- 
lande mit Nähten versehen. 
II. Autonomer V. Die Bestimmungen 
Ver- 
edlungsordnung (3Bl. 1906, 536) mit 
Nachtrag (3Z Bl. 1909, 1387) zusammengefaßt. 
Die Bewilligung der Zollfreiheit ist dem Er- 
messen der Verwaltung überlassen und gieder. 
zeit widerruflich. Wird ein zollfreier V. auf 
einen bestimmten Zeitraum bewilligt, so hat 
ihrer angemessenen Handhabung zu erblicken dies nur die Bedeutung, daß der Veredler mit 
wäre. Dem Erlasse des s Arbeitsministers haben einer Nachprüfung spätestens nach Ab- 
sich sämtliche übrigen preuß. Ressorts sowie die lauf des Zeitraums zu rechnen hat. Die wich- 
Reichsverwaltungen angeschlossen. Den Ge- tigste Vorbedingung für die Bewilligung ist 
meindeverwaltungen, welche neben dem Staate das Vorhandensein gewisser wirtschaftlicher Vor- 
als die gewichtigsten Arbeitgeber in Betracht aussetzungen. Ein aktiver V. soll nach § 2 der Ver- 
kommen, sind die Grundsätze zur Nachachtung edlungsordnung nur bewilligt werden: a) wenn 
empfohlen (Erl. vom 3. März 1906 — MBl. 63). ber V. für die an der Veredlung beteiligten 
Die Privaten werden sich der Folgerung nicht Erwerbs zzweige wesentliche Vorteile erwarten 
zu entziehen vermögen, daß sie sich ihrerseits läßt und eine Benachteiligung anderer heimi- 
  
der getroffenen Regelung anschließen. 
Beredlungsverkehr. A. Eigentlicher 
V. I. Begriffsbestimmungen. Nach 
§ 115 Abs. 1 V36G. können Gegenstände, welche 
zur Verarbeitung, zur Vervollkommnung oder 
zur Reparatur mit der Bestimmung zur Wieder- 
Eingangszoll befreit 
Nach Abs. 2 a. a. O. kann dies in 
ausfuhr eingehen, vom 
werden. 
besonderen Fällen auch geschehen, wenn 
Gegenstände zu einem der bezeichneten Zwecke 
nach dem Auslande gehen und in vervollkomm- 
netem Zustande zurückkommen. Der Abs. 1 
behandelt die Veredlung im Inlandc, den 
aktiven V., der Abs. 2 die Veredlung im 
Auslande, den passiven V. Die Zulassung 
eines zollfreien V., eines aktiven oder passiven, 
kann in Handelsverträgen (s. d.) ausbedungen 
werden; man spricht alsdann von einem ver- 
tragsmäßigen V. im Gegensatz zum 
autonomen, dessen Zulassung der freien 
Entschließung eines Staates überlassen ist. In 
dem aktiven V. können sich zwei zivilrochtlich 
und wirtschaftlich wesentlich verschiedene Vor- 
Länge vollziehen, die Eigenveredlung 
und die Lohnveredlung. Bei der Eigen- 
scher Erwerbszweige nicht zu befürchten ist, 
b) wenn die zu erwartenden Vorteile gegenüber 
etwaigen Nachteilen derart überwiegen, daß die 
Zulassung vom Standpunkt des gesamten heimi- 
schen Wirtschaftslebens den Vorzug verdient. 
Bei der wirtschaftlich wichtigsten Art des V., 
der aktiven Eigenveredlung, wird 
es in der Regel darauf ankommen, ob der Ver- 
edler an Stelle der ausländischen inländische Roh- 
stoffe oder Halbfabrikate verwenden könnte. 
Gegen die Zulassung der aktiven Lohn- 
veredlung werden sich seltener Bedenken 
ergeben. Ein passiver V. soll nach § 3 der 
Veredlungsordnung nur ausnahmsweise zuge- 
lassen werden, insbesondere wenn die in Be- 
tracht kommenden Veredlungsarbeiten zurzeit 
im Inland entweder gar nicht oder nicht in 
genügendem Umfang oder nicht in gleicher 
Güte bewirkt werden können oder wenn es 
sich um die Vornahme von Versuchen zur Er- 
probung von neuen Verfahren oder Mustern 
handelt. Mird die Veredlung ausnahmsweise 
aus dem Grunde zugelassen, weil ihre Vornahme 
im Inlande erhebliche Mehrkosten verursachen 
würde, so ist sie tunlichst auf die Waren zu
	        
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