Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Verfassung des Deutschen Reiches — Vergällungspflicht 
Häuser abgelehnt werden (GVG. 8§s§ 35 Ziff. 1 
und 85 Abs. 2). Wahrheitsgetreue Berichte über 
Verhandlungen des Landtages bleiben von jeder 
Verantwortung frei (St GB. § 12). 
VII. Von den sonstigen Vorschriften 
der V. sind als die wichtigsten die Bestimmungen 
hervorzuheben, welche in Tit. II Art. 3—14, 17, 
19—42 (Art. 15, 16 u. 18 sind ausgehoben — 
s. unter III) unter den Rechten der 
Preußen zusammengefaßt sind. Dieselben 
sind staatsrechtliche Vorschriften grundsätzlicher 
Art zur Gewährleistung und zum Schutze der 
Freiheit der Staatsangehörigen (sog. Grund- 
rechte). Nur zum Teil besitzen diese Vor- 
schriften unmittelbare Gesetzeskraft. Zum 
größeren Teil legen sie die Grundlinien fest, 
nach welchen die Gesetzgebung sich aufbauen soll; 
einzelne enthalten überhaupt nur eine gesetz- 
geberische Verheißung ohne bestimmte Richtung. 
Der ersteren Kategorie sind zuzurechnen die 
Art. 4 (Gleichheit vor dem Gesetze; Abschaffung 
der Standesvorrechte — s. jedoch hierzu G. 
vom 10. Juni 1854 — GS. 363, unter Reichs- 
unmittelbare —; Zugänglichkeit der öffent- 
lichen Amter für alle Befähigten); Art. 7 (Ab- 
schaffung der Ausnahmegerichte und außer- 
ordentlichen Kommissionen); Art. 8 (Androhung 
oder Verhängung von Strafen nur auf Grund 
des Gesetzes); Art. 10 (Abschaffung des bürger- 
lichen Todes und der Vermögenskonfiskation); 
Art. 11 (Freiheit der Auswanderung und Auf- 
hebung der Abzugsgelder). Art. 12 (Freiheit 
des religiösen Bekenntnisses); Art. 13 (Ver- 
leihung von Korporationsrechten an religiöse 
Gesellschaften nur auf Grund besonderen Ge- 
setzes); Art. 20 (Freiheit der Wissenschaft und 
ihrer Lehre); Art. 32 (Freiheit des Petitions- 
rechts); Art. 40 u. 41 (Abschaffung der Lehen, 
mit Ausnahme der Thronlehen und der außer- 
halb des Staates belegenen Lehen); Art. 42 
(Aufhebung gewisser Grundberechtigungen). Auf 
anderen Gebieten wird nur das Grundprinzip 
festgelegt, wegen der Durchführung desselben 
aber auf eine besondere gesetzliche Regelung ver- 
wiesen, die nunmehr, nachdem auch auf dem 
Gebiete des Volksschulwesens in bezug auf. die 
wichtigsten Punkte — Organisation, konfessioneller 
Charakter und Lehrerberufung — die Gesetzgebung 
sich betätigt hat (s. Schulgesetzgebung), in der 
Hauptsache, z.T. durch die Reichsgesetzgebung, über- 
all erfolgt ist. Hierher gehören Art. 5 (Schutz der 
persönlichen Freiheit); Art. 6 (Unverletzlichkeit der 
Wohnung); Art. 9 (Unverletzlichkeit des Eigen- 
tums); Art. 14 (Zugrundelegung der christ- 
lichen Religion bei denjenigen Einrichtungen des 
Staates, welche mit der Religionsübung in 
Verbindung stehen); Art. 27, 28 (Preßfreiheit); 
Art. 29, 30 (Vereins= und Versammlungs- 
freiheit); Art. 33 (Wahrung des Briefgeheim- 
nisses); Art. 21—25 (Unterrichtswesen); Art. 34 
bis 39 (Heerwesen). Auch Art. 101 (Aufhebung 
der Bevorzugung bei Steuern und Rednision 
der Steuergcsetzgebung) gehört hierher. — Art. 3, der 
  
  
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wegen Aufhebung der Kirchenpatronate und dem 
im Art. 98 (Tit. VII der V.) in Aussicht gestellten 
Gesetze wegen der Regelung derbesonderen Rechts- 
verhältnisse der nicht richterlichen Staatsbeamten 
auch hier zum Teil durch die Reichsgesetzgebung im 
wesentlichen verwirklicht worden sind. Wegen des 
Tit. I (vom Staatsgebiete), Tit. IV (von den Mi- 
nistern), sowie wegen Art. 106 (Rechtsverbind- 
lichkeiten der Gesetze und kgl. Verordnungen) und 
Art. 102 (Gebühren) s. unter Staatsgebiet, 
Minister, Gesetze, Verordnungen, 
Gebühren. Bezüglich der Art. 86 ff. (von der 
richterlichen Gewalt) s. Richter. 
VIIII.. Für den Fall eines Krieges oder 
eines Aufruhrs können bei dringender Ge- 
fahr für die öffentliche Sicherheit bestimmte 
Artikel der V. außer Kraft gesetzt werden. Auf 
Grund des Art. 111 Vl. ist hierüber das G. 
vom 4. Juni 1851 über den Belagerungszustand 
(GS. 451 ff.) ergangen (s. Belagerungs- 
zustand). — Wegen Anderungen der 
V. ist das Erforderliche unter II bemerkt worden. 
IX. Mit der Gründung des Norddeutschen 
Bundes und dem Erlaß der Bundesverfassung 
vom 26. Juli 1867 (BEBl. 1) hat auch die 
staatsrechtliche Stellung Preußens wie aller 
Bundesstaaten eine wesentliche Anderung er- 
fahren, die auf die preußische Verfassung 
einen tiesgreisenden Einsluß ausgeübt hat. 
Weite Gebiete der Gesetzgebung sind der Kom- 
petenz der Einzelstaaten entzogen; wichtige 
Rechte der Krone, darunter die völkerrecht- 
liche Vertretung in ihren wesentlichsten Be- 
ziehungen, sind auf den Deutschen Kaiser über- 
gegangen. Da aber der König von Preußen 
Deutscher Kaiser ist, so bedeutet die Schöpfung 
des Norddeutschen Bundes und demnächst die 
Gründung des Deutschen Reiches nicht eine 
Minderung, sondern eine gewaltige Vermehrung 
der Machtfülle der preuß. Kron-, während aller- 
dings der preuß. Landtag durch die Einschrän- 
kung seines Wirkungsbereiches in seiner Bedeu- 
tung zurückgetreten ist (s. das Nähere unter 
Reichsverfassung,). 
v. Rönne-Zorn, Bd. 1 (1899) S. 191 ff.: Schulze, 
Preuß. Staatsrecht, 1888/90; Bornhak, desgl., 1888 ff.; 
Arndt, Preuß. Verfassungsurkunde, 1907; Plate, 
Geschäftsordnung des Preuß. Abgeordnetenhauses, 1904. 
Berfassung des Deutschen Reiches s. Reichs- 
verfassung. 
Verfassungsrecht s. Offentliches Recht. 
Berfügungen s. Entscheidungen. 
BVergällungspflicht. I. Allgemeines. 
Nach § 72 des Branntweinsteuergesetzes vom 
15. Juli 1909 (RBl. 661) sind die Brennereien 
(s. d.) im Gebiete der Branntweinsteuergemein- 
schaft (s. d.) verpflichtet, einen Teil ihrer Erzeu- 
gung vollständig zu vergällen; s. auch Steuer- 
freiheit des Branntweins I. c. 
Diese Bestimmung ist in das Gesetz ausgenommen 
worden, weil dieses die Verbilligung des vergäll- 
  
ten Branntweins als eines wirtschaftlich wich- 
tigen Massenverbrauchsartikels mit dem System 
hohen Vergütungssätze (#. Brannt- 
(Regelung des Erwerbes und Verlustes der wein betriebsauflage und Steuer- 
Staatsangehörigkeit); Art. 31 (Verleihung der freiheit des Branntweins IIb) 
Korporationsrechte); Art. 17 (Aufhebung des fördern und dadurch den Verbrauch an vergäll- 
Kirchenpatronats); Art. 19 (Einführung der tem Branntwein zu allen möglichen Zwecken 
Zivilche) enthalten lediglich Hinweise auf zu heben wollte. Gelingt aber diese Absicht des 
erlassende Gesetze, die abgesehen von demjenigen 
Gesetzes und wird ein umfangreicher stetiger
	        
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