Vermögenssteuer
System von Ertragsteuern im engeren Sinne
(s. d.), einer Differenzierung der Einkommen-
steuersätze nach der Art des Einkommens und
einer Erbschaftssteuer. Abgesehen davon, daß
sich den beiden ersteren dieser drei Wege kaum,
jedenfalls nicht ohne Willkür lösbare Schwierig-
keiten in der Verteilung der Zinsen für die zu
keiner fundierten Einkommensgauelle wirtschaft-
lich in Beziehung stehenden Schulden auf die
Erträge bzw. Einkommensteile entgegenstellen,
läßt sich auf diesen Wegen das wirklich fundierte
vom unfundierten Einkommen gar nicht trennen.
Denn in den Erträgen des Grundbesitzes, Ge-
werbebetriebes, teilweise auch des mobilen
Kapitals ist neben dem Ertrage dieser Quellen
auch Arbeitsertrag enthalten, und das Ver-
hältnis beider zueinander, die Rolle, welche
der Besitz= gegenüber dem Arbeitsfaktor bei der
Bildung des Ertrages bzw. Einkommens aus
fundierten Quellen spielt, ist nicht nur zwischen
den einzelnen Arten der Ertrags- und Einkom-
mensquellen, sondern auch innerhalb derselben
Quellenart außerordentlich verschieden, so daß
sich zutreffende Regeln nicht aufstellen lassen.
Hingegen sondert eine sich an den gemeinen Wert
anschließende V. den Arbeitsfaktor aus und
erfaßt nur den Besitzfaktor, indem sie alle Ver-
mögensarten auf den Eintauschwert gegen die-
jenige Vermögensart reduziert, dessen Ertrag
am meisten den Charakter des „fundierten“
trägt, das Geldkapital. Durch die Bemessung
nach dem gemeinen Wert ergänzt endlich die V.
die Einkommensteuer, indem sie auch innerhalb
derselben Einkommensart den verschiedenen Grad
der „Fundierung“, d. i. der Sicherheit der Wieder-
kehr, der Sichethen gegen Untergang oder
Ertragloswerden der Quelle berücksichtigt; denn
der gemeine Wert eines der Ertragserzielung
dienenden Vermögensobiekts richtet sich nicht
nur nach der Höhe des Ertrages, sondern auch
nach der Sicherheit der Vermögensanlage,
während ein durch Kapitalisierung des Ertrages
gesundener Ertragswert nur die erstere berück-
sichtigt. Maßstab einer V. muß daher der ge-
meine Wert, d. i. der bei Verkauf unter gemein-
gewöhnlichen Verhältnissen zu erzielende Kauf-
preis sein. Daher ist einer allgemeinen V. nicht
gleichwertig ein System von Realsteuern nach
solchen Ertragswerten. Aber auch nicht ein
solches von „Vermögenssteuerpartialen“, da sich
hier Schwierigkeiten hinsichtlich der Behandlung
der Schulden und der gleichmäßigen Behandlung
der einzelnen Vermögensarten ergeben. Erb-
schaftssteuern sind der V. nicht gleichwertig,
weil sie in ihrer Wiederkehr von Zufälligkeiten.
abhängen und mit Räückficht auf die verschiedene
Wirkung des Todesfalls des Erblassers auf die
wirtschaftliche Lage der Erben und die verschie-
denec Liquidität ihrer Mittel ungleichmäßig
wirken, wenn nicht in dieser Beziehung weit-
gehende Kautelen getroffen werden. Immerhin
ist die Erbschaftssteuer nächst der direkten V. die
verhältnismäßig befriedigendste Art der Besitz-,
d. h. Vermögensbesteuerung. Ungeeignet für
diesen Zweck sind dagegen Verkehrssteuern
auf einzelne Akte des Verkehrs der ein-
zelnen Vermögensobjekte, weil der Umstand,
daß ein einzelnes Vermögensobjekt den Eigen-
tümer wechselt, noch keinerlei Rückschluß darauf
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 2. Aufl. II.
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zuläßt, ob einer und welcher der Kontrahenten
überhaupt Vermögen, worunter als Obiekt
einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
selbstredend nur Nettovermögen zu verstehen ist,
besitzt oder auch nur — bei der indirekten Wert-
zuwachssteuer (s. d.) — einen Zuwachs an Netto-
vermögen erfährt. Einer die oben bezeichneten
ergänzenden Funktionen neben der Einkommen-
steuer auszuüben bestimmten V. liegt es nahe,
das Vermögen zu unterwerfen nur insoweit, als
es der Ertragserzielung dient oder doch nach seiner
Geartung dienen könnte, also unter Ausschluß
des Gebrauchsvermögens, soweit letzteres nicht
Bestandteil eines gewerblichen, land= oder forst-
wirtschaftlichen usw. Anlage= und Betriebs-
kapitals ist, insbesondere also unter Freilassung
des Hausrates im weitesten Sinne, von Schmuck-
sachen, Kunstgegenständen u. dgl. Einc solche
Beschränkung des Begriffes des steuerbaren
Vermögens hat auch den Vorzug, die Veran-
lagung wesentlich zu erleichtern. Vom Stand-
punkt der Besteuerung nach der persönlichen
Leistungsfähigkeit geht sie aber offenbar zu weit,
da hiermit große, in besonders leistungsfähigen
Händen befindliche Werte frei bleiben. Theo-
retisch richtiger wäre es, die Steuerfreiheit auf
den eigentlichen Hausrat (natürlich einschließlich
Kleidung usw.) bis zu einem einerseits mit der
Höhe des Gesamtvermögens abnehmenden,
andererseits mit der Zahl der Haushaltungs-
angehörigen steigenden Prozentsatz des Gesamt-
vermögens zu beschränken. Aber praktisch
würde das, wenigstens in großen Gemeinwesen,
kaum durchführbar sein. Man wird vielmehr
einen Ausgleich, wenn überhaupt, dann in
Luxussteuern, Mietssteuern für besonders kost-
spiclige Wohnungen u. dgl. suchen müssen.
Hier übt die Erbschaftssteuer, die jene Ob-
jekte mit erfaßt, eine in gewissem Sinne die
V. ergänzende Funktion. Die Freilassung ganz
kleiner Vermögen von der V. empfiehlt sich
nicht nur aus praktischen Gründen, sondern auch,
weil die nominelle V. ja aus dem Einkommen
gezahlt werden soll, es aber, sofern letzteres
nicht das steuerfreie Existenzminimum über-
schreitet, widersinnig wäre, es zwar von der
Einkommensteuer freizulassen, weil es eine
solche Belastung nicht tragen kann, es aber
gleichwohl mit der V. zu belegen; rein theoretisch
ist ja andererseits freilich auch hier zuzugeben,
daß auch das kleinste Einkommen steuerlich trag-
fähiger ist, wenn es aus Vermögen als wenn
es aus Arbeit fließt. Dagegen erfordert die
Folgerichtigkeit neben einer progressiven Ein-
kommensteuer auch eine progressive Gestaltung
der V.; denn eine proportionale V. als Vor-
belastung des fundierten Einkommens neben
einer progressiven Einkommensteuer führt zu
dem unannehmbaren Resultat, daß, je kleiner
das Vermögen, um so höher im Verhältnis zu
der Allgemeinbelastung durch die Einkommen-
steuer die Vorbelastung durch die V. ist. Über
weitere Einzelheiten vgl. den Artikel über die
Ergänzungssteuer, die in Preußen eine
den oben bezeichneten Aufgaben der Ergänzung
der Einkommensteuer dienende V. ist; vgl. auch
Einkommensteuer; Steuer.
Literatur insbesondere die bei dem Art. Steuer er-
wähnten Hand= und Lehrbücher der Finanzwissenschaft und
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