Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Zweiter Band (L-Z). (2)

Vermögenssteuer 
System von Ertragsteuern im engeren Sinne 
(s. d.), einer Differenzierung der Einkommen- 
steuersätze nach der Art des Einkommens und 
einer Erbschaftssteuer. Abgesehen davon, daß 
sich den beiden ersteren dieser drei Wege kaum, 
jedenfalls nicht ohne Willkür lösbare Schwierig- 
keiten in der Verteilung der Zinsen für die zu 
keiner fundierten Einkommensgauelle wirtschaft- 
lich in Beziehung stehenden Schulden auf die 
Erträge bzw. Einkommensteile entgegenstellen, 
läßt sich auf diesen Wegen das wirklich fundierte 
vom unfundierten Einkommen gar nicht trennen. 
Denn in den Erträgen des Grundbesitzes, Ge- 
werbebetriebes, teilweise auch des mobilen 
Kapitals ist neben dem Ertrage dieser Quellen 
auch Arbeitsertrag enthalten, und das Ver- 
  
hältnis beider zueinander, die Rolle, welche 
der Besitz= gegenüber dem Arbeitsfaktor bei der 
Bildung des Ertrages bzw. Einkommens aus 
fundierten Quellen spielt, ist nicht nur zwischen 
den einzelnen Arten der Ertrags- und Einkom- 
mensquellen, sondern auch innerhalb derselben 
Quellenart außerordentlich verschieden, so daß 
sich zutreffende Regeln nicht aufstellen lassen. 
Hingegen sondert eine sich an den gemeinen Wert 
anschließende V. den Arbeitsfaktor aus und 
erfaßt nur den Besitzfaktor, indem sie alle Ver- 
mögensarten auf den Eintauschwert gegen die- 
jenige Vermögensart reduziert, dessen Ertrag 
am meisten den Charakter des „fundierten“ 
trägt, das Geldkapital. Durch die Bemessung 
nach dem gemeinen Wert ergänzt endlich die V. 
die Einkommensteuer, indem sie auch innerhalb 
derselben Einkommensart den verschiedenen Grad 
der „Fundierung“, d. i. der Sicherheit der Wieder- 
kehr, der Sichethen gegen Untergang oder 
Ertragloswerden der Quelle berücksichtigt; denn 
der gemeine Wert eines der Ertragserzielung 
dienenden Vermögensobiekts richtet sich nicht 
nur nach der Höhe des Ertrages, sondern auch 
nach der Sicherheit der Vermögensanlage, 
während ein durch Kapitalisierung des Ertrages 
gesundener Ertragswert nur die erstere berück- 
sichtigt. Maßstab einer V. muß daher der ge- 
meine Wert, d. i. der bei Verkauf unter gemein- 
gewöhnlichen Verhältnissen zu erzielende Kauf- 
preis sein. Daher ist einer allgemeinen V. nicht 
gleichwertig ein System von Realsteuern nach 
solchen Ertragswerten. Aber auch nicht ein 
solches von „Vermögenssteuerpartialen“, da sich 
hier Schwierigkeiten hinsichtlich der Behandlung 
der Schulden und der gleichmäßigen Behandlung 
der einzelnen Vermögensarten ergeben. Erb- 
schaftssteuern sind der V. nicht gleichwertig, 
weil sie in ihrer Wiederkehr von Zufälligkeiten. 
abhängen und mit Räückficht auf die verschiedene 
Wirkung des Todesfalls des Erblassers auf die 
wirtschaftliche Lage der Erben und die verschie- 
denec Liquidität ihrer Mittel ungleichmäßig 
wirken, wenn nicht in dieser Beziehung weit- 
gehende Kautelen getroffen werden. Immerhin 
ist die Erbschaftssteuer nächst der direkten V. die 
verhältnismäßig befriedigendste Art der Besitz-, 
d. h. Vermögensbesteuerung. Ungeeignet für 
diesen Zweck sind dagegen Verkehrssteuern 
auf einzelne Akte des Verkehrs der ein- 
zelnen Vermögensobjekte, weil der Umstand, 
daß ein einzelnes Vermögensobjekt den Eigen- 
tümer wechselt, noch keinerlei Rückschluß darauf 
v. Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung. 2. Aufl. II. 
  
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zuläßt, ob einer und welcher der Kontrahenten 
überhaupt Vermögen, worunter als Obiekt 
einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit 
selbstredend nur Nettovermögen zu verstehen ist, 
besitzt oder auch nur — bei der indirekten Wert- 
zuwachssteuer (s. d.) — einen Zuwachs an Netto- 
vermögen erfährt. Einer die oben bezeichneten 
ergänzenden Funktionen neben der Einkommen- 
steuer auszuüben bestimmten V. liegt es nahe, 
das Vermögen zu unterwerfen nur insoweit, als 
es der Ertragserzielung dient oder doch nach seiner 
Geartung dienen könnte, also unter Ausschluß 
des Gebrauchsvermögens, soweit letzteres nicht 
Bestandteil eines gewerblichen, land= oder forst- 
wirtschaftlichen usw. Anlage= und Betriebs- 
kapitals ist, insbesondere also unter Freilassung 
des Hausrates im weitesten Sinne, von Schmuck- 
sachen, Kunstgegenständen u. dgl. Einc solche 
Beschränkung des Begriffes des steuerbaren 
Vermögens hat auch den Vorzug, die Veran- 
lagung wesentlich zu erleichtern. Vom Stand- 
punkt der Besteuerung nach der persönlichen 
Leistungsfähigkeit geht sie aber offenbar zu weit, 
da hiermit große, in besonders leistungsfähigen 
Händen befindliche Werte frei bleiben. Theo- 
retisch richtiger wäre es, die Steuerfreiheit auf 
den eigentlichen Hausrat (natürlich einschließlich 
Kleidung usw.) bis zu einem einerseits mit der 
Höhe des Gesamtvermögens abnehmenden, 
andererseits mit der Zahl der Haushaltungs- 
angehörigen steigenden Prozentsatz des Gesamt- 
vermögens zu beschränken. Aber praktisch 
würde das, wenigstens in großen Gemeinwesen, 
kaum durchführbar sein. Man wird vielmehr 
einen Ausgleich, wenn überhaupt, dann in 
Luxussteuern, Mietssteuern für besonders kost- 
spiclige Wohnungen u. dgl. suchen müssen. 
Hier übt die Erbschaftssteuer, die jene Ob- 
jekte mit erfaßt, eine in gewissem Sinne die 
V. ergänzende Funktion. Die Freilassung ganz 
kleiner Vermögen von der V. empfiehlt sich 
nicht nur aus praktischen Gründen, sondern auch, 
weil die nominelle V. ja aus dem Einkommen 
gezahlt werden soll, es aber, sofern letzteres 
nicht das steuerfreie Existenzminimum über- 
schreitet, widersinnig wäre, es zwar von der 
Einkommensteuer freizulassen, weil es eine 
solche Belastung nicht tragen kann, es aber 
gleichwohl mit der V. zu belegen; rein theoretisch 
ist ja andererseits freilich auch hier zuzugeben, 
daß auch das kleinste Einkommen steuerlich trag- 
fähiger ist, wenn es aus Vermögen als wenn 
es aus Arbeit fließt. Dagegen erfordert die 
Folgerichtigkeit neben einer progressiven Ein- 
kommensteuer auch eine progressive Gestaltung 
der V.; denn eine proportionale V. als Vor- 
belastung des fundierten Einkommens neben 
einer progressiven Einkommensteuer führt zu 
dem unannehmbaren Resultat, daß, je kleiner 
das Vermögen, um so höher im Verhältnis zu 
der Allgemeinbelastung durch die Einkommen- 
steuer die Vorbelastung durch die V. ist. Über 
weitere Einzelheiten vgl. den Artikel über die 
Ergänzungssteuer, die in Preußen eine 
den oben bezeichneten Aufgaben der Ergänzung 
der Einkommensteuer dienende V. ist; vgl. auch 
Einkommensteuer; Steuer. 
Literatur insbesondere die bei dem Art. Steuer er- 
wähnten Hand= und Lehrbücher der Finanzwissenschaft und 
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