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gesetzt und beurteilt wird, zum Gegenstande
haben (vgl. OVG. 38, 420; KGJ. 17, 421;
25 025; 31025; RGSt. 38, 184). — Für öffent-
liche politische V. bestehen besondere Vor-
schriften hinsichtlich der Anzeigepflicht, der Lei-
tung und der Beteiligung jugendlicher Personen.
a) Anzeige. Der Veranstalter einer öffent-
lichen politischen V. ist (nach § 5 Ver G.) verpflich-
tet, hiervon mindestens 24 Stunden vor dem
Beginne der V. unter Angabe des Ortes und der
Zeit bei der Polizeibehörde (in Preußen der Orts-
polizeibehörde) Anzeige zu erstatten. Über die
Anzeige ist von der Polizeibehörde sofort eine
kostenfreie Bescheinigung zu erteilen. Soll die
V. unter freiem Himmel stattfinden, so kommen
die besonderen oben (III a) erwähnten Vor-
schriften zur Anwendung. Die Anzeige kann
sowohl mündlich als auch schriftlich (Brief, Post-
karte, Telegramm) bewirkt werden (Ausf Vf. vom
8. Mai 1908 I, Ml. 127). Erfolgt sie durch
Telegramm mit bezahlter Antwort, so ist dies
zur Erteilung einer telegraphischen Bescheinigung
von der Polizeibehörde zu benutzen (AusfVf.
vom V13. Mai 1908 Nr. 6 — MBl. 1909, 11).
Es dürfen auch die Anzeigen von mehreren V.
in geinem Schreiben verbunden werden (K.
31 C 29). Die Anzeige muß die Angabe ent-
halten, daß eine öffentliche politische V. statt-
finden soll, den Versammlungsraum und die
Stunde des Beginns der V. bezeichnen. Eine
nähere Angabe über den Gegenstand der Ver-
handlung oder über die in Aussicht genommenen
Redner kann von der Polizei nicht verlangt
werden (vgl. OV G. 30, 439), ebensowenig eine
Angabe über die Dauer der V. Diese kann aber
durch die Vorschriften über die Feiertagsruhe
(s. Io. II) oder, wenn die V. in einem Schank-
lokale stattfindet, durch die polizeilichen Vor-
schriften über den Eintritt der sog. Polizeistunde
(vgl. O. 32, 393; 41, 418) begrenzt sein.
Die Bescheinigung über die Anzeige muß von
der Polizeibehörde auch dann erteilt werden,
wenn sie Anlaß zu der Annahme, die V. werde
in den bezeichneten Räumen nicht stattfinden
können, oder zu einem Verbot der V. hat. —
Wird die V. in einem anderen Raume, als dem
angezeigten, abgehalten, so gilt sie als eine nicht
angezeigte (OV G. vom 28. Febr. und 10. März
1905 in Pr VBl. 27 S. 576, 591). Gegen die
Verweigerung der Bescheinigung finden in Preu-
ßen die nach §§ 127 ff. LVG. zulässigen Rechts-
mittel statt.
Die erforderliche Anzeige kann durch eine
öffentliche Bekanntmachung der
V. ersetzt werden. Nach § 6 Ver G. bedarf es
einer Anzeige für V., die öffentlich bekanntgemacht
sind, dann nicht, wenn die Art der Bekannt-
machung den von der Landeszentralbehörde hier-
für bestimmten Erfordernissen entspricht. In
Preußen kann die Bekanntmachung nach der
Ausf Vf. des Md J. vom 8. Mai 1908 I (MMl.
127) durch Zeitungen oder durch Anschlag er-
solgen. Für die Bekanntmachung durch Zei-
tungen ist folgendes vorgeschrieben: Die Be-
kanntmachung der Zeitungen muß in deutscher
Sprache abgefaßt und in einer der Zeitungen
erfolgt sein, die hierzu für die Gemeinde, in deren
Bezirk die V. stattfinden soll, von dem Landrat,
in den hohenzoll. Landen von dem Oberamt-
Versammlungen
mann, in Stadtkreisen von der Ortspolizei-
behörde, in Berlin von dem Polizeipräsidenten
bestimmt sind. Für jede Gemeinde müssen we-
nigstens zwei Zeitungen bestimmt werden, unter
denen sich wenigstens eine täglich (abgesehen
von den durch Sonn= und Feiertage bedingten
Unterbrechungen) erscheinende Zeitung befinden
muß. Die Bekanntmachung muß die UÜberschrift
tragen: Offentliche politische Versammlung. Es
muß sich aus ihr Zeit und Ort der geplanten
V., sowie der Name, der Wohnort und die Woh-
nung des Veranstalters ergeben. Die Zeitungs-
nummer, in der die Bekanntmachung erfolgt ist,
muß so zur Ausgabe gelangt sein, daß sie bei
ordnungsmäßiger Bestellung mindestens 24 Stun-
den vor dem Beginn der V. in den Händen der
für die Entgegennahme der Anzeige zuständigen
Behörde sein kann. Bei Zeitungen, die innerhalb
des Polizeibezirks des Versammlungsorts er-
scheinen, wird diesem Erfordernis genügt, wenn
die betreffende Zeitungsnummer mindestens
24 Stunden vor dem Beginne der V. zur Aus-
gabe gelangt ist. Die Bekanntmachung kann durch
Anschlag geschehen, wenn die V. in einer
Gemeinde veranstaltet wird, in der öffentliche
Einrichtungen (Säulen, Anschlagstafeln) für den
Anschlag von Ankündigungen mittels Plakats
bestehen. Die Bekanntmachung muß in deut-
scher Sprache abgefaßt sein und den obigen Er-
fordernissen einer Bekanntmachung in Zeitungen
genügen. Der Anschlag muß an den im Ge-
meindebezirk, bei Gemeinden, die in Polizeire-
viere eingeteilt sind, an den im Polizeirevier des
Versammlungslokals vorhandenen öffentlichen
Anschlagssäulen oder Anschlagstafeln mindestens
24 Stunden vor dem Beginne der V. erfolgt sein.
— Über die Auswahl der Zeitungen durch
die Polizeibehörde enthält die Ausf Vf. vom
8. Mai 1908 nähere Vorschriften.
Für gewisse öffentliche politische V. besteht
(nach § 6 Ver G.) überhaupt keine Verpflichtung
zur polizeilichen Anzeige der V. Es sind dies
1. die V. der Wahlberechtigten zum
Betriebe der Wahlen zu den auf Gesetz oder
Anordnung von Behörden beruhenden öffent-
lichen Körperschaften (s. Vereine III) vom
Tage der amtlichen Bekanntmachung des Wahl-
tags bis zur Beendigung der Wahlhandlung;
2. die V. der Gewerbetreibenden, gewerblichen
Gehilfen, Gesellen, Fabrikarbeiter, Besitzer und
Arbeiter von Bergwerken, Salinen, Aufbe-
reitungsanstalten und unterirdisch betriebenen
Brüchen und Gruben zur Erörterung von Ver-
abredungen und Vereinigungen zum Behufe der
Erlangung günstiger Lohn= und Arbeitsbedin-
gungen, insbesondere mittels Einstellung der Ar-
beit oder Entlassung der Arbeiter. Diesc letzteren
V. stellen, wenn sich ihre Verhandlungen auf die
bezeichneten Gegenstände (vgl. GewO. §§ 152,
154 a) beschränken, überhaupt keine politischen
V. dar und bedürfen schon aus diesem Grunde
keiner Anzeige. Andernfalls, also wenn sich ihre
Verhandlungen über die Verbesserung der Lohn-
und Arbeitsbedingungen der Versammelten hin-
aus auf das politische Gebiet ausdehnen, insbe-
sondere wenn sie eine Anderung der Lage der
Arbeiter gegenüber den Arbeitgebern überhaupt
anstreben oder die für Arbeitnehmer oder Arbeit-
geber günstigeren Lohn= und Arbeitsbedingungen